Der Kindesmord von Neuenhoven

1834 entzündete sich an dem ungeklärten „Neuenhovener Kindesmord“ ein Judenpogrom, wie es seit dem 14. Jahrhundert in der Region nicht mehr vorgekommen war. Seit dem 13. Juli 1834 vermissten die Eltern des fünfjährigen Peter Wilhelm Hoenen aus Neuenhoven ihren Sohn. Sie hatten ihn zum sonntäglichen Markt ins benachbarte Bedburdyck geschickt. Zwei Tage später wurde das Kind erstochen in einem Roggenfeld gefunden. Im amtlichen Obduktionsprotokoll gingen die Ärzte auch von sexuellem Missbrauch aus, ein Verdacht, von dem die Öffentlichkeit allerdings nichts erfuhr.

Sterberegister Kirchenbuch Bedburdyck, 1804-1847

Sterbeeintrag des 5-jährigen Peter Wilhelm Hoenen[1]

Da der Mord nicht aufgeklärt wurde, brachten Antisemiten das Gerücht in Umlauf, die Juden hätten das Kind getötet. Sie behaupteten, mit dem Blut des Jungen würden die jüdischen Gemeinden geheimnisvolle Opferriten zelebrieren. Dieses Ritualmord-Märchen stammte bereits aus dem Mittelalter. Ein Grund für seine Verbreitung mag auch noch im 19. Jahrhundert der Neid auf den wirtschaftlichen Erfolg der jüdischen Händler gewesen sein. Dieser Mord wurde zu einem Signal für ein Pogrom gegen Juden. Wie groß die Erregung war, zeigte sich an dem Auflauf in dem kleinen Neuenhoven, welches damals nur 235 Einwohner zählte, in dem aber 4.500 Menschen zusammengeströmt waren. Als aus dem benachbarten Odenkirchen herbeigerufene, dort zufällig untergebrachte Husaren, gegen 11 Uhr abends notdürftig für Ruhe gesorgt hatten, zog ein Haufen des Mobs nach Bedburdyck, wo sie in die Synagoge eindrangen, Fenster und Einrichtung zertrümmerten und die Thorarolle an der Dorfhecke verbrannten.[2] Dazu muss man wissen, dass die Thora – die fünf Bücher Moses aus dem alten Testament – eine handgeschriebene Rolle aus Pergament ist, aus der in jüdischen Gottesdiensten vorgelesen wird. Sie gehört zur Grundausstattung jeder Synagoge und wird nach dem Gebrauch im Thoraschrein aufbewahrt. Da eine solche Rolle den Gottesnamen enthält, wird sie vor allen fremden Blicken geschützt.[3]

Damit wird klar, dass die Thorarolle einen hohen religiösen Wert für Menschen jüdischen Glaubens hat. So kann man sich vielleicht vorstellen, wie schrecklich die Vernichtung der Thorarolle für die Bedburdycker Juden gewesen sein muss. Wie ein Flächenbrand breitete sich nun die Pogromstimmung aus. In vielen Nachbarorten von Neuenhoven wie auch in (Mönchen-) Gladbach kam es zu Menschenaufläufen. Nur rasch gebildete Bürgerwachen und Husarenpatrouillen konnten schlimmere Übergriffe verhindern. “Hep! Hep!“ rief der Mob vor den Häusern jüdischer Mitbürger. Das Schimpfwort stand für die lateinische Abkürzung „Hierosolyma est perdita“ („Jerusalem ist verloren“).[4]

Im Kreis Grevenbroich ließ der damalige Landrat Paul Joseph von Pröpper noch am 21. Juli in allen Orten, in denen Juden wohnten, Sicherheitswachen bilden. Der Düsseldorfer Regierungspräsident, der am darauffolgenden Tag selbst nach Neuenhoven kam, sah die Lage jedoch für so bedrohlich an, dass er weitere berittene Truppen anforderte, die noch am gleichen Tag eintrafen. Wie berechtigt die Befürchtung des Regierungspräsidenten war, zeigte sich am späten Abend, als einrückende Soldaten in Grevenbroich die Straßen säubern mussten, weil eine hundertköpfige Menge, die mit Gewehren und Heugabeln bewaffnet war, in den Straßen randalierte und die Juden bedrohte. In Wevelinghoven herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände.

Auch in Neuss kam es zu schweren Unruhen, die durch eine militärische Besetzung der Stadt unterdrückt werden mussten. In Garzweiler grölten am 10. August 1834 Unbekannte nachts „Die Juden müssen zum Dorf hinaus“ und bewarfen das Haus des Juden Kaufmann mit Steinen.

Der Regierungspräsident fand schließlich auf eine sehr bemerkenswerte Weise eine politische Lösung. Die Bürgermeister des Kreises beriefen in den letzten Augusttagen die gehobene Bürgerschicht oder auch alle Bürger zu Versammlungen ein, auf denen diese sich schriftlich zum Schutz der Juden verpflichten mussten. Die Wirkung dieser Selbstverpflichtung war verblüffend. Als in Hemmerden am 7. September und in Bedburdyck einige Tage später erneut Tätlichkeiten gegen Juden vorkamen, konnten in diesen Orten erstmalig die Täter durch die Einwohner dingfest gemacht werden. Professor Kirchhoff vermerkt hierzu, dass es auffällig sei, wie plötzlich die Dorfgemeinschaften, die bislang eher stummfeindselig der preußisch-fremden Ordnungsmacht gegenübergestanden hatten, nun dem Spuk ein Ende bereiten konnten, sobald sie in eine gleichsam notariell beurkundete Pflicht genommen wurden. Es bestehe kaum ein Zweifel, dass sich das 1834 von Neuenhoven ausgehende Pogrom zu einer gewaltigen Judenverfolgung entwickelt hätte, wenn die preußischen Behörden nicht so schnell und entschlossen gehandelt hätten.[5] Bedburdyck und Stessen wurden vom 25. August bis 10. September mit 100 Mann Soldaten belegt. Nach deren Abzug mussten noch längere Zeit Sicherheitswachen die Juden schützen.[6]

Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

[1] Salmann, Auszug aus dem Sterberegister des Kirchenbuchs von Bedburdyck 1804-1847

[2] Kirchhoff, Geschichte der ehemaligen Gemeinde Garzweiler, 1989, S. 97

[3] Wikipedia, Thora

[4] von Leszczynski, Am Rand der großen Industrie: Die Bürgermeisterei Jüchen 1845 bis 1914, Band 5 der Geschichte der Gemeinde Jüchen, 1999, S. 91

[5] Kirchhoff, Geschichte der ehemaligen Gemeinde Garzweiler, 1989, S. 101

[6] Giersberg, Die Geschichte der Pfarreien im Dekanat Grevenbroich, 1883

Schlicks Gässchen – Der Namensgeber

Inspiriert durch die Veröffentlichung eines Fotos von Christian Nies, einem ehemaligen Bürger aus Grevenbroich, machten sich Heinrich Mindt und Stefan Faßbender, Mitglieder im Geschichtsverein Grevenbroich, auf Spurensuche nach der Herkunft dieses längst vergessenen Namens.

© Sammlung Christian Nies – Der Umbau von Schlicks Gässchen zur Karl-Oberbach-Straße 1967
© Foto Stefan Faßbender – Die Ansicht im September 2022

Auf dem ersten Foto ist rechts der damals allseits beliebte Kaufhof (heute: Coens Galerie) mit seinem großen Parkplatz zu erkennen. Die freie Baufläche, auf der Anfang der 1970er Jahre die Sparkasse erbaut wurde, ist links noch vorhanden. Auf beiden Fotos ist aber die Turmspitze der evangelischen Christuskirche Stadtmitte zu sehen.

Woher kommt nun aber der Name „Schlicks Gässchen“?

In der Liste der Baudenkmäler in Grevenbroich ist unter Nr. 198, eingetragen seit dem 26. August 1999, ein Büro- und Wohnhaus auf der Karl-Oberbach-Straße 50 aufgeführt. In der Kurzbeschreibung sind unter anderem folgende Hinweise zu finden: „Das zweigeschossige, dreiachsige Eckhaus mit vertieftem Mansarddach und sich westlich anschließendem niedrigen, flach gedachten Anbau wurde um 1890 (ausweislich historischer Planunterlagen; vor 1895) im Zuge der östlichen Stadterweiterung errichtet. Der einachsige Anbau ist ebenfalls zweigeschossig. Bauherr war ein Rechtsanwalt namens PH. Schlick, der das Gebäude (damals noch Wilhelmstr. 1) als Wohnhaus errichtete.“

Dies war der Rechtsanwalt und Justizrat Philipp Andreas Schlick.

aus: „Unser Grevenbroich von Dr. Friedrich Schmitz“, S. 66, Band 20, Geschichtsverein Grevenbroich

Gemäß der Sterbeurkunde Nr. 89 vom 26. Dezember 1921 starb an Heiligabend 1921 der Rechtsanwalt und Justizrat Philipp Andreas Schlick im Alter von 76 Jahren. Aufgrund des Namens und des Alters muss er der Erbauer des Hauses gewesen sein. Er hinterließ seine Ehefrau Elisabeth Eitel, die am 11. Februar 1932 ebenfalls in Grevenbroich verstarb. Anzeigender war der Gerichtsassessor Joseph Schlick auf den im Folgenden auch noch eingegangen wird. Mehrere Kinder sind ab 1886 in den Personenstandsregistern von Grevenbroich nachweisbar.

StA Grevenbroich, Amt Grevenbroich, Sterbeurkunde Nr. 89/1921

Dass es sich jahrzehntelang lediglich um eine Gasse bzw. ein Gässchen gehandelt haben muss, belegen die beiden Fotos aus der Sammlung der Familie Herlitz aus den 1950er Jahren. Wunderschön ist dabei der Verlauf der Gasse zu erkennen, der in keiner Weise der heutigen Karl-Oberbach-Straße entspricht. Unseres Erachtens dürfte es sich um einen Weg (bzw. eine unbefestigte Straße) gehandelt haben, der sich von der „Auf der Schanze“ aus in Richtung Erft und Steinweg immer mehr verjüngt hat.

© Sammlung Georg Herlitz – Ansicht in Richtung „Auf der Schanze“ aus den 1950er Jahren
© Foto Stefan Faßbender – „Gleiche“ Ansicht im April 2023
© Sammlung Georg Herlitz – Ansicht in entgegengesetzter Richtung (nur noch als Gässchen )

Den Verlauf (rote Linie) von Schlicks Gässchen haben wir versucht anhand einer alten historischen Karte und einer Beschreibung von Rainer Esser, Facebook-Gruppe „Grevenbroich im Wandel der Zeit“, annähernd zu rekonstruieren. Die Übertragung der roten Linie auf die heutigen Verhältnisse ist der zweiten Karte zu entnehmen.

Quelle: https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/; Karte von 1937 – 1945
Quelle: https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/; Karte von 2003 – 2022

Der oben genannte Gerichtsassessor Joseph Schlick wurde nach dem Tod seines Vaters ebenfalls Rechtsanwalt und führte eine Kanzlei in Grevenbroich, wie nachfolgender Briefumschlag aus dem Jahr 1927 aufzeigt. Seine Sterbeurkunde ist in Auszügen ebenfalls nachfolgend aufgeführt.

© Sammlung Heinz Mindt
StA Grevenbroich, Amt Grevenbroich, Sterbeurkunde Nr. 1/1963

Der Name „Schlick“ lässt sich noch bis Ende der 1970er in Grevenbroicher Unterlagen recherchieren. So ist z. B. im Grevenbroicher Adressbuch 1966/69 unter Wilhelmstr. 1 eine Maria Schlick (Schwester von Joseph Schlick) zu finden ist. Sie starb am 23. Februar 1976 unverheiratet im Grevenbroicher Krankenhaus. Leider ist nicht herauszufinden, ob „Schlicks Gässchen“ daher rührte, dass am Ende der Gasse der Rechtsanwalt Philipp Andreas Schlick sein Wohn- und Bürogebäude in den 1890er Jahren errichtete oder ihm eben sogar ganze Teile der Grundstücksflächen gehörten.

Über weitere Hinweise und auch Bilder würden sich die Autoren als auch der Geschichtsverein sehr freuen. Diese würden wir selbstverständlich unter Nennung des Namens mit in den Beitrag aufnehmen, um dem „Rätsel“ noch ein wenig näher zu kommen bzw. die Gasse in noch mehr Bildern darzustellen.

Kurz nach Veröffentlichung dieses Beitrages erreichte uns bereits die erste Zusendung eines weiteren Fotos zu Schlicks Gässchen. Hierfür danken wir recht herzlich.

© Sammlung Jürgen Larisch – Ansicht in Richtung St. Peter u. Paul

Heinz Mindt und Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

Die Reichsunfallverhütungswoche 1929

Das Thema „Sicherheit am Arbeitsplatz“ war während der Weimarer Republik stets aktuell. Da die Berufsgenossenschaften als Träger der Unfallversicherung bereits Anfang der 1920er Jahre mehrere hunderte Millionen RM für Unfallentschädigungen aufbringen mussten, gründeten sie 1924 die Unfallverhütungsbild GmbH. Unter dem Motto „Der beste Schutz ist ein vorsichtiger Arbeiter“ wurden unzählige Maßnahmen zur Unfallverhütung – insbesondere im Bereich der Industrie – ins Leben gerufen. So wurden z. B. Unfallverhütungskalender herausgegeben und bis 1929 ca. vier Millionen Plakate mit 282 verschiedenen Motiven vertrieben. Die Plakate enthielten zum Teil sehr drastische Darstellungen der Folgen von Unfällen, um die Arbeiter zu vorsichtigem und aufmerksamem Umgang mit Maschinen und Werkzeugen zu bewegen. (Quelle: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/industrie-und-wirtschaft/unfallverhuetung.html; Abruf am 8. März 2023 um 20:23 Uhr)

© Sammlung Andreas Altena

Letztendlich reichten diese Maßnahmen nicht aus, so dass sich die Preußische Regierung dazu entschloss, vom 24. Februar bis 3. März 1929 eine Reichsunfallverhütungswoche durchzuführen. Veranstalter waren die Verbände der deutschen Berufsgenossenschaften. Ziel der Reichsunfallverhütungswoche war, durch eine großzügige Aufklärung unter der Bevölkerung, Verständnis für die Notwendigkeit und Möglichkeit der Unfallverhütung zu wecken und dadurch die hohen Unfallziffern in den gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben, bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie im Straßenverkehr zu mindern.

Westdeutsche Landeszeitung Nr. 1 vom 2. Januar 1929

So sind auch in den Grevenbroicher Schulchroniken Hinweise zu dieser Veranstaltung zu finden, da es den Schulen auch darum ging, die Schüler auch vor den Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren.

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 50, Sig. 216

„Vom 24.2. – 3.3.29 ist eine Reichsunfallverhütungswoche. – Ruwo – Im Kampfe gegen die erschreckende Zahl der Unfälle steht in erster Linie die Schule. Der gesamte Unterricht der Woche ist auf die Unfallverhütung eingestellt. Den Kindern wurde ein Büchlein „Augen auf!“ überreicht.“

In der Schulchronik Noithausen ist folgender Eintrag hierzu zu finden:

„Zur Verhütung von Unfällen hat die Ruwo d. i. Reichsunfallverhütungswoche im ganzen Reiche eine Woche der Aufklärung und Abwehr von Unfällen eingerichtet. Auch die Schule soll gleich Gemeinden, Vereinen etc. in den Dienst der Sache treten. Auf Anordnung des Herrn Schulrates Scheuten hat im Laufe der Woche täglich die Besprechung eines Unfalles nach Ursache, Folge und Verhütung zu erfolgen. Eine Stunde dient der Belehrung über Verkehrsunfälle, wobei die Hilfe irgendeines Fahrzeuges in Anspruch zu nehmen ist. Durch diese Aufklärung über Unfälle im Verkehr, Berufsleben, Landwirtschaft, Haus u. s. f. erhofft man durch die Erkenntnis der Gefahr und eigenen Mithilfe den schrecklich großen Opfern durch Unfälle entgegen arbeiten zu können, wodurch viel Volkskraft und Volksgut verloren geht. Der Aufklärung dienen neben der Presse geeignete Plakate, sowie belehrende Heftchen „Augen auf“ aber „Unfallverhütungskalender“ u. a. die in den Schulen zur Verteilung gelangen.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513)

© Sammlung Andreas Altena

Nachfolgend noch vier Seiten aus einer Sparkassen-Rundschau aus dem März 1929, die leider nur unvollständig erhalten geblieben ist.

Dass das Thema auch noch bis in die „heutige“ Zeit reicht, ist den nachfolgenden Abbildungen zu entnehmen. In der Zeit von 1971 bis 1974 legte die Deutsche Bundespost eine Dauermarkenserie auf, die das Thema „Jederzeit Sicherheit“ hatte und auf mögliche Gefahrenquellen hinwies.

© Sammlung Andreas Altena
© Sammlung Andreas Altena

Ein herzliches und großes DANKESCHÖN an Andreas Altena, der dem Geschichtsverein die Abbildungen der Plakate und Briefmarken für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat und ihn dadurch enorm bereichert hat.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

 

Pfarrkirche St. Peter und Paul Grevenbroich Stadtmitte

Als in den Jahren 1899-1902 für die schnell gewachsene Gemeinde Grevenbroichs die neue Pfarrkirche St. Peter und Paul erbaut wurde, bewiesen Diözesanbaumeister Franz Statz als Architekt sowie Ortspfarrer Julius Steinmetz als “Bauherr” seinerzeit das Feingefühl, den Chor der alten Kapelle des früheren, bis zur Säkularisation 1802 existenten Zisterzienserklosters als Seitenschiff in den Bau der neugotischen Kirche zu integrieren.

Blick in die Breitestraße Richtung Marktplatz vor 1899. Es “fehlt” der heute für die Stadt und vergleichbare Ansichten stadteinwärts so markante Glockenturm der neuen Pfarrkirche St. Peter und Paul…
 
Längst war die zu Beginn der 1820er errichtete erste Pfarrkirche an der Erft in die Jahre gekommen und – von einem Blitzschlag getroffen – baufällig geworden. Und die Grevenbroicher hatten die stolze Bausumme von 191.347,76 Mark nicht zuletzt dank Spenden Grevenbroicher Gläubiger, aber auch Unternehmen zusammen bekommen. Das Rathaus war bereits seit 1875

1899 wurde der Bau der neuen Pfarrkirche begonnen. Das Foto stammt aus der frühen Bauphase und die Fundamente sind zu erkennen. Wegen des sumpfigen Untergrundes bzw des hohen Grundwasserstandes musste die Kirche besonders gegründet werden.
 
Das alte Klosterareal, zu dieser Zeit als Krankenhaus und Kinderbewahranstalt genutzt, ist ebenso wie die Kapelle – noch mit Seitenschiff -gut zu erkennen.
 
Der 1902 von Weihbischof Dr. Antonius Fischer eingesegnete neugotische Kirchenbau war ein gelungenes Beispiel eines frühen Bewusstseins für den Denkmalschutz…

Vortrag von Leitendem Pfarrer Meik Schirpenbach am Donnerstag, den 20. April 2023, ab 18.00 Uhr in der Pfarrkirche St. Peter & Paul – eine Anmeldung ist nicht erforderlich…

Fotos: Stadtarchiv Grevenbroich/Slg. Georg Herlitz
                                                                                                                                                           (UH)

Der Kirchenraub in Kapellen.

„Der Kirchenraub von Kapellen. Die Täter müssen orts- und sachkundig gewesen sein.“

So titelte ein Artikel einer unbekannten Zeitung am 9. Juni 1931, der in die Kapellener Schulchronik eingeklebt wurde.

Transkription des Artikels, der kaum noch zu lesen ist: Kapellen. Zu dem Einbruch in der hiesigen Pfarrkirche wird […] noch mitgeteilt: Es wird vermutet, dass sich der oder die Täter nach der nachmittägigen Sonntagsandacht in die Kirche haben einschließen lassen. Alle Personen, die am Sonntag, den 7. Juni, Fremde im Orte oder sonstige Verdächtige vermerkt haben, werden gebeten, ihre Wahrnehmungen möglichst sofort dem Bürgermeisteramt, Zimmer 4, mitzuteilen. Geheimhaltung der Namen der Auskunft gebenden wird zugesichert.
Der oder die Täter sind mit solcher Kenntnis der Dinge zu Werke gegangen, dass Ortskundigkeit angenommen werden muss. Insbesondere haben sie den Tabernakelschlüssel gefunden, obwohl derselbe an keinem leicht erkennbaren Orte aufbewahrt wurde. Der Kelch ist in der Sakristei entwendet worden. Dort waren auch die hl. Hostien zerstreut. Den Tabernakel dagegen haben die Diebe wieder verschlossen, nachdem sie die hl. Hostien in das Tabernakel gelegt hatten.
Wir noch hören, hat man gegen 1 Uhr des Nachts in der Kirche Licht gesehen, der Sache aber keine besondere Bedeutung beigemessen. Nach der Tat haben sich die Täter dadurch entfernt, dass sie den Riegel des Kirchentores von innen entfernten und die Tür aufdrückten. Die Polizei ist dabei, Nachforschungen anzustellen und verfolgt gewisse Spuren.
Wie wir noch erfahren, beträgt der Schaden für die Kirche etwa 8000 Mark. Nach Zeugenaussagen soll sich am Vorabend der Tat ein Motorradfahrer in Kapellen aufgehalten haben, der sich verdächtig machte. Andere haben eine verdächtige Person gesehen, die sich an der Kirche zu schaffen machte. Die Orts- und Landespolizei setzen ihre Untersuchung fort. Einige Personenbeschreibungen Verdächtiger liegen vor und Spuren werden verfolgt. Seit gestern Mittag arbeitet auch die Neusser Kriminalpolizei an der Aufdeckung der Täter mit.“

Der Lehrer schrieb folgende Ergänzungen in die Schulchronik Kapellen:

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366

Transkription des Textes: „In der Nacht vom 7. zum 8. Juni wurde in die hiesige Kirche eingebrochen. Der Dieb hatte sich abends in die Kirche eingeschlichen und sich dort einschließen lassen. Das war leicht möglich, weil die Kirche neu bemalt wurde und zu diesem Zwecke ein Gerüst aufgestellt war. Gestohlen wurde eine Monstranz aus dem Jahre 1610, ein Ciborium aus dem Jahre 1750, ein 2. Ciborium u. 1 Kelch.“

Danach folgt ein weiterer Zeitungsartikel über die Festnahme der Diebe.

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366


Transkription des Zeitungsartikels, der ebenfalls nur sehr schlecht zu lesen ist:
„Reuelose Kirchenräuber. Wie die Kapellener Kirchendiebe gefangen wurden. Kapellen. Wie wir von Düsseldorf erfahren, sind die Kirchenräuber von Kapellen ohne jedes Zeichen von Reue. Sie waren wohnungslos und trieben sich in Düsseldorf herum. Auf ihren Bettelfahrten sind sie schon früher in die hiesige Gegend gekommen und haben schon seit einiger Zeit vorgehabt, die hiesige Kirche zu berauben. Die Kirche ist der Bevölkerung bis abends zugänglich. Außerdem ist sie im Innern augenblicklich durch ein Gerüst sehr unübersichtlich gemacht, was ein Einschleichen und Verstecken sehr erleichterte.
Am Tage der Tat sind sie von Düsseldorf nach Kapellen gegangen, um ihre Absicht auszuführen. In einem Eisenbahnschachtloch bei Zweifaltern hätten sie ausgeruht, um gegen Abend zum Tatort zu gehen. Einer schlich sich ins Gotteshaus und versteckte sich im Treppenhaus zur Orgelbühne, während der andere draußen Schmiere stand. Nachdem der Küster die Kirche verschlossen hatte, begann der […]täter […] der Sakristei mit Einbrecherwerkzeugen seine Untat. Den Schlüssel zum Tabernakel hat er wieder in den Schrank gehi[…]. Gegen 10 Uhr verließ er die Kirche durch die Tür, die er aufbrach. Beide Täter kehrten wieder nach Düsseldorf zurück.
Die Polizei kam sofort auf ihre Spur, weil der Ältere der Verbrecher als „Fachmann“ bekannt ist. Er wurde auch sofort unter Polizeibeobachtung gestellt und es ergab sich, dass er die Kirchengegenstände bei einem gleichfalls bekannten Trödler verkaufen wollte. Bei der Vernehmung bezeichneten beide sofort das Versteck des gestohlenen Gutes. Nur noch ein Ziborium ist ganz erhalten, alles andere ist zertrümmert.
Der Unhold von Haupttäter hat sogar einen Teil der Hostien, darunter die große aus der Monstranz, mitgenommen und unterwegs gegessen.“

Ähnlich umschrieb das Rheinische Volksblatt die Festnahme der Kirchenräuber.

Rheinisches Volksblatt Nr. 135 vom 12. Juni 1931


Bereits am 3. September 1931 fand vor dem Mönchengladbacher Gericht die Verhandlung zu dem Kapellener Kirchenraub statt. Beide Täter wurden zu Zuchthausstrafen verurteilt.

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366


Ein identischer Zeitungsartikel ist in der Westdeutsche Landeszeitung Nr. 242 am 4. September zu finden, welcher lediglich eine andere Überschrift trägt. Nach dem Urteil gingen beide Täter in die Berufung, welche aber in einem Fiasko endete, da die große Strafkammer zur Überzeugung kam, dass beide Personen an der Tat beteiligt waren. Letztendlich verlängerten sich die Haftstrafen sogar, da durch die Berufung die erlittene Untersuchungshaft seit dem 3. September 1931 nicht auf die Haftstrafe angerechnet wurde.

Westdeutsche Landeszeitung Nr. 290 vom 22. Oktober 1931


Sämtliche Gegenstände wurden bei dem Raub zum Teil erheblich beschädigt. Die Pfarre beauftragte daher Franz Bell, die Gegenstände zu restaurieren und zerstückelte Gegenstände wieder zusammen zu setzen. „Als erstes wurde das sehr zerstampfte Ziborium dann in Arbeit gegeben. Trotz der Schwierigkeiten wurde es nach kurzer Zeit in solch tadellosem Zustand hergestellt, dass auch keine Spur mehr von einer Demolierung zu sehen war. Die Monstranz war in 22 Teile zerstückelt worden. Einige Teile fehlten vollständig. Es war eine mühsame Arbeit, die nur von fachkundiger Hand und nur mit Hingebung an die kirchliche Kunst geleistet werden konnte.“

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023.

 

Luftschiffer Christian Langen

Passend zu dem letzten Beitrag über die Luftschiffe, wurde dem Geschichtsverein ein Militärpass von Rolf Esser zur Verfügung gestellt, den wir in Teilen zeigen dürfen.

Landwehrübung vom 30. Juli 1913 bis zum 12. August 1913.

Der Großvater seiner Frau war von 1913 bis 1918 als Feld- und Festungsluftschiffer beim Militär. Luftschiffer gehörten zu militärischen Aufklärungseinheiten. Sie waren zwar nicht mit den bisher beschriebenen Luftschiffen unterwegs, aber mit Gasballons (Fesselballons), die der Gefechtsfeld- und Artilleriebeobachtung dienten.

Einsätze zwischen 14. Oktober 1914 und 27. Juni 1915.

Der Geschichtsverein dankt Rolf Esser und seiner Familie für die zur Verfügungstellung des Passes.

Luftschiffe über Grevenbroich

Die Geschichte der Luftschifffahrt „spielte“ sich auch über Grevenbroich und ihren Stadtteilen ab. Heute sprechen wir in der Regel von Zeppelinen, die nach seinem Erfinder Ferdinand Adolph Heinrich August von Zeppelin (1838-1917) benannt sind. Allerdings gab es noch einen weiteren Luftschiffbauer namens August von Parseval (1861-1942), der die Epoche der Luftschifffahrt vorantrieb und prägte, aber heute weitestgehend vergessen ist.

Bereits im Jahr 1909 flog das erste Luftschiff über Grevenbroich und erregte damit sehr großes Aufsehen in unserer Region. Und dies war kein Luftschiff namens Zeppelin, sondern das Luftschiff „Parseval 3“, welches das erste lenkbare Luftschiff seiner Zeit war.

StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513

„Noithausen, den 31. Oktober 1909. Heute, 8.10 Uhr morgens überflog das erste lenkbare Luftschiff unseren Ort. Durch dasselbe wurde das ganze Dorf in Aufregung gebracht. Das Luftschiff flog in der Richtung Neuss – Jülich und hieß „Parseval 3“. Überall wurde dasselbe mit lautem Jubel begrüßt. In den nächsten Tagen manövrierten mehrmals die in Köln stationierten Reichsluftschiffe über Grevenbroich und dessen südlicher Umgebung.“

StA Grevenbroich, Schulchronik Gustorf, Sig. 329

„Ein lenkbares Luftschiff über hiesiger Gegend. Parsevall war von der Kölner Luftschiffhalle kam zwischen 2 ½ Uhr bis über Grevenbroich, wandte sich in elegantem Bogen und führ mit großer Schnelligkeit wieder zurück.“

(Anmerkung: Wer sich besonders für die Kölner Luftfahrt interessiert, empfehle ich die Webseite „http://www.luftfahrtarchiv-koeln.de“ zu besuchen, die großartige Fotos zeigt und die Luftfahrt allgemein beschreibt.)

Obwohl in den nächsten Jahren intensiv an Luftschiffen geforscht wurde und eine stete Verbesserung – auch im Hinblick auf die Nutzung im Ersten Weltkrieg – zu erkennen war, wurde in den Schulchroniken fast 20 Jahre lang nicht mehr davon berichtet. Erst im Oktober 1928 fanden Luftschiffe wieder Erwähnung, dies jedoch in gewaltigem Umfang.

So schreibt der Noithausener Schulchronist: „Am 15. Oktober 1928 fand aus Anlass der denkwürdigen Überfahrt des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ nach Amerika eine vaterländische Feier statt, wobei die Kinder auf die hohe nationale Bedeutung dieses Ereignisses hingewiesen, und die tapferen Ozeanbezwinger in gebührender Weise geehrt wurden. Die letzte Unterrichtsstunde war schulfrei.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513)

Der Lehrer Brass schrieb dazu: „10. Oktober 28. Abflug des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ nach Amerika. Das ganze deutsche Volk verfolgt mit Stolz und Teilnahme den Flug des Luftschiffes nach Amerika. Zeitungen und Radio stehen ganz im Dienste der Berichterstattung. Nebenstehend: Bericht der „Kölnischen Volkszeitung“ über den Flug und die Ankunft in Amerika.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 42, Sig. 216)

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 43, Sig. 216

Gemäß der Anordnung von Herrn Kreisschulrat Scheuten, die in Elfgener Schulchronik erhalten geblieben ist, dürften nicht nur die Schulen Elfgen und Noithausen eine vaterländische Feier abgehalten haben und die letzte Schulstunde freigegeben haben, sondern alle Schulen im damaligen Kreis.

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 44, Sig. 216

„1. November 1928. Rückkehr des Luftschiffes „Graf Zeppelin“. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist verhältnismäßig rasch und wohlbehalten aus Amerika nach Friedrichshafen zurückgekehrt. Soeben hörte ich am Radio die Empfangsfeierlichkeiten in Friedrichshafen. Nach vielen Begrüßungen und Glückwünschen nahm als Letzter Dr. Eckener das Wort. Er wies die Ehrungen zurück und wollte sie nur für seine Besatzung angebracht wissen. Er schilderte die großen Schwierigkeiten, besonders der Rückfahrt. Seine Ausführungen gipfelten in dem Urteil: „Der Ozean ist in der Luft noch nicht bezwungen. Es muss am Schiff, seiner Motorenstärke und seiner Stabilität noch viel verbessert werden, bis man einigermaßen Herr der Elemente und der Tücken ist.“ Der Empfang war äußerst klar und die Übertragung so gut, dass man die Feierstunde miterlebte.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 46f., Sig. 216)

Im Hinblick auf den verlorenen Ersten Weltkrieg und den damit verbundenen schweren Schicksalsjahren (z. B. Reparationszahlungen, Hungersnöte etc.) stellt die nachfolgende Abschrift aus der Elfgener Schulchronik die Einstellung der Deutschen, wohl in nicht nur in unserem Kreis, dar.

„28.8.29. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist auf einer Weltreise. Die Fahrt geht durch Deutschland, Russland, Sibirien nach Japan. Von dort aus über den Stillen Ozean nach Nordamerika. Augenblicklich befindet er sich auf der Fahrt über die Vereinigten Staaten. Es ist eine Triumphfahrt deutschen Geistes und deutscher Arbeit. – Vor einigen Wochen holte sich die „Bremen“, ein neuer Dampfer des Norddeutschen Lloyd, das „blaue Band des Ozeans“ – Diese Leistungen deutscher Arbeit sind, die solche einzigen vaterländischen Symbole, in denen sich unser Volk zusammenfindet, – die uns blieben. Im Haag sitzen die Außenminister der „Sieger“ mit unseren Vertretern und können sich nicht einig werden über die Geldfragen. Alle fürchten, sie könnten zu kurz kommen. Wir haben bitterwenig zu sagen. Es ist doch hart, so ganz dem Siegerwillen ausgeliefert zu sein! – Aber Gott gibt uns den „Zeppelin“ und die „Bremen“, damit wir unseren Mut behalten.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 70)

Begründet im Wesen der NS-Zeit, blühte das Thema Luftschiffe insbesondere im Hinblick auf die Propaganda der NSDAP vollends wieder auf. Über jeden Flug eines Zeppelins wurde sowohl in Presse als auch im Radio berichtet. So blieb „glücklicherweise“ auch die Elfgener Schulchronik davon nicht „verschont“ und kann uns heute einen sehr guten Einblick in die damalige Zeit geben.

„29.3.1936. Nach der Frühmesse am Sonntag zog das Luftschiff L.Z. 127 „Graf Zeppelin“ von Rheydt [Heimatort von Goebbels] nach Aachen fliegend, am westlichen Himmel vorbei. Gegen 8 ½ Uhr hörte ich am Rundfunk die Unterhaltung zwischen L.Z. 129 „Hindenburg“ und dem Reichssender Köln. „Hindenburg“ meldete, dass es soeben Rheydt verlasse. Ich eilte zum Küchenfenster und sah den Riesen über Belmen blinken.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 217)

Weihnachtsbaumschmuck LZ 127 aus den 1930er. Sammlung André Rasch
Niederrheinische Volkszeitung Nr. 90 vom 30. März 1936
StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 110, Sig. 217

„31. März 1936. Dieser erste Flug des neuen Zeppelin L.Z. 129 „Hindenburg“ führte auch über Elfgen. Der Luftriese kam aus Richtung Grevenbroich und überquerte Elfgen in Richtung Otzenrath. Sehr deutlich waren Namen, Hakenkreuz und Flugkabinen zu erkennen, ebenso die Propeller. Die Leute eilten auf die Straße. Begeisterung und Stolz erfüllt uns ob dieses neuen Beweises deutscher Kraft und Tüchtigkeit.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 110, Sig. 217)

„7.5.36.„Zeppeline“ überfliegen Elfgen. Heute Nacht, 1 Uhr überflog das Luftschiff „Hindenburg“ auf seiner ersten Nordatlantikfahrt unseren Ort. Soeben, 21 Uhr kehrte der „Graf Zeppelin“, hell erleuchtet, aus Südamerika zurück.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 114, Sig. 217)

„17.5.36. Zweite Nordatlantikfahrt des „Hindenburg“. Es ist Sonntagmorgen, 7 Uhr. Die Leute eilen zur Frühmesse. Da nähert sich das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“, mit leichtem Gebrumme aus der Richtung Gustorf kommend und überfliegt, silbern glänzend, in majestätischem Fluge unsere Kirche. Er kommt von Frankfurt a. M. und macht seine zweite Fahrt über den Nordatlantik. Es scheint, dass die Fahrten stets über unsere Gegend führen. Das freut uns sehr. Der Anblick des herrlichen Luftschiffes erfreut immer wieder. Stolze Freude ist es, die alle erfüllt ob dieser prachtvollen deutschen Leistung.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 115, Sig. 217)

„25.5.36. L.Z. 129 „Hindenburg“. kam um 22.30, von Frankfurt kommend und nach Südamerika fahrend, hell erleuchtet, über Elfgen daher. Immer wieder verlassen wir in Zeppelinbegeisterung die Ruhelager und können die Freude nicht fassen, dass unser Dorf in der Fahrtroute des stolzen Luftschiffes liegt.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 117, Sig. 217)

„Sept. 36. Das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“ passiert auf seinen Amerikafahrten immer wieder unseren Ort.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 125, Sig. 217)

Wie kritisch man mit Berichten aus den 1930er Jahren umgehen sollte, zeigt nachfolgender Eintrag. Über jeden Überflug eines Zeppelins wurde voller Begeisterung geschrieben und dieser entsprechend auch in Schulchroniken oder Presse festgehalten. Über das tragische Unglück des Absturzes in Lakehurst wurde jedoch in der Schulchronik nur in einem Nebensatz in Klammern berichtet (Hervorhebungen erfolgten durch den Autor dieses Beitrages).

„3.5.37. Das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“ kam gegen ½ 10 Uhr abends auf seiner ersten diesjährigen Nordatlantikfahrt wieder hellerleuchtet über unseren Ort. (Verbrannte bei der Landung in Lakehurst am 6.5.37) (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 147, Sig. 217)

Annener Zeitung Nr. 105 vom 8. Mai 1937
Bochumer Anzeiger Nr. 106 vom 8. Mai 1937

Nach dem Absturz der „Hindenburg“ wurde im September 1938 das Schwesterschiff, die LZ 130, auf den Namen „Graf Zeppelin“ getauft und in Betrieb genommen. Die Fotos wurden vermutlich im Kreis Neuss aufgenommen, da sie aus dem Fotoalbum eines Meerbuscher Bürgers stammen.

LZ 130 „Graf Zeppelin“ um 1938/1939. Sammlung André Rasch
LZ 130 „Graf Zeppelin“ um 1938/1939. Sammlung André Rasch

Ein herzliches und großes DANKESCHÖN an André Rasch, der dem Geschichtsverein die Abbildungen der Luftschiffe und des Weihnachtsschmucks für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat und ihn dadurch enorm bereichert hat.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

 

Wenn es damals schon TikTok oder Facebook gegeben hätte…

Etwas Kurioses aus der Elfgener Schulchronik.

„18. September 1939: Die Rekord- und Sensationssucht unserer Zeit treibt ihre Blüten. Dafür seien untenstehende Dokumente als Beweis beigefügt. Ganz Elfgen war auf den Beinen, als die beiden Athleten den schweren Wagen „mit den Zähnen“ den Jüchener Berg hinaufzogen.“ [Hinweis: Also drei Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs.]

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 72, Sig. 216
StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 72, Sig. 216

Laut einem Wandkalender aus dem Jahr 2016 aus Walsum sollte der Reinertrag für die Zwecke der Jugendpflege in der Heimat dienen. Leider wurde bisher kein Nachweis gefunden, ob die Brüder Franz und Adolf Kuhlmann den Weg vollständig schafften.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

Der Mob zieht durch Noithausen und plündert…

Mehr als 1.000 Menschen aus Noithausen, Orken und Elsen versammelten sich am 11. August 1923 am Kreuz auf der Provinzial-Landstraße mit Ziehwagen und Schubkarren, um das gemähte Getreide auf Noithausens Feldern zu plündern.

„Gegen die hiesigen Besitzer, die zum Schutze ihres gemähten Getreides mit Polizei und Gendarm erschienen waren, nahm die Menge eine drohende Haltung ein. Plötzlich stürmte die wilde Schar auf die Getreidefelder los, und in kurzer Zeit hatte man den Gutsbesitzern Schiffer und Brünglinghaus je zehn Morgen [1 Morgen = ca. 2.500 m²] Weizen geplündert. Die Polizei war gegen die Menge machtlos.“ StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513

Erntewagen Gut Brünglinghaus in den 1920er. © Sammlung Brünglinghaus

Grund für die Plünderungen war die allgemeine Not im „Vaterland“ im Jahr 1923. Infolge der Lebensmittelknappheit hat sich die Lage derart zugespitzt, dass es an vielen Orten im Kreis und auch Städten zu wilden Plünderungen und unbeschreiblichen Vorgängen kam. So berichten viele Zeitungen im August 1923 darüber, dass große Scharen von Männern und Frauen auf das Land ziehen, um von der Landbevölkerung die Herausgabe von Kartoffeln und Getreide zu erzwingen.

Westdeutsche Landeszeitung Nr. 187 vom 23. August 1923

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fand man in Noithausen eine einfache Lösung, denn langfristig hätten sich die unkontrollierten Plünderungen noch mehr auf die Versorgungslage der Bevölkerung im Herbst 1923 und auch auf die Bauern ausgewirkt. So schreibt der Chronist: „Einmütig wurde daher in einer Versammlung von Landwirten und Arbeitern beschlossen, dass die Landwirte für die dringendsten Lebensbedürfnisse aller Gemeindeeingesessenen aufzukommen, andererseits die Arbeiter mit für Ruhe und Ordnung innerhalb der Gemeinde zu sorgen hätten.“

Erntewagen Gut Brünglinghaus in den 1920er. © Sammlung Brünglinghaus

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023