Die „Todeskurve“ in Noithausen

Foto oben: © AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o02707-17

Nachdem in den sozialen Medien die Frage „Warum Todeskurve?“ aufkam und ein kurzer Post unseres Mitgliedes Stefan Faßbender diesbezüglich mit einer so überwältigenden Resonanz bedacht wurde, hat sich der Geschichtsverein Grevenbroich dazu entschlossen, das Thema „Todeskurve“ – wie versprochen – ein wenig näher und auch sehr kurzfristig zu beleuchten.

Gesichert ist, dass die Unterführung unter der Eisenbahnstrecke zwischen Düsseldorfer Straße und Am Rittergut seit mehr als 100 Jahren im Volksmund den Namen „Todeskurve“ aufgrund hoher Unfallhäufigkeit trägt. Der Grund hierfür dürfte die bauseits extrem scharfe Kurvenführung sein. Ebenso auffällig ist die Straße von bzw. nach Hemmerden, die bis zum Bau der A 46 nahezu schnurgerade (siehe rote Linie auf den Karten) war. Bei den Recherchen in alten Zeitungen sind dort genauso viele Unfälle zu finden, wie in der Unterführung selbst. Ein Unfallbericht dazu ist unten ebenfalls aufgeführt. Bei der Durchsicht der Zeitungsartikel fiel weiterhin auf, dass viele Fahrzeuge bis zu 15 m eine Böschung hinunterrutschten. Diese Aussagen waren zunächst ein wenig irritierend, da diese Gegebenheiten im Gelände heute so nicht mehr vorhanden sind. Auf der Karte von 1936 dürfte jedoch die vermutliche Erklärung zu finden sein. Die in rot umrandeten Ziffern 73 bzw. 60 stellen Höhenmeter dar und lassen darauf schließen, dass die Gefälle erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte durch Aufschüttungen beseitigt wurden.

Verifizieren könnte man dies jedoch nur, wenn Bildmaterial vorhanden wäre. Aber weder im Stadtarchiv Grevenbroich noch bei anderen Heimatforschern in Grevenbroich sind dazu Fotos zu finden. Sollte jemand Bilder von der Todeskurve haben, wäre es großartig, das Stadtarchiv Grevenbroich bzw. den Geschichtsverein Grevenbroich zu informieren, um diese Bilder durch einen Scan für die Nachwelt zu sichern. Wir würden solche Fotos gerne in diesen Bericht mitaufnehmen.

[Hinweis: In der Web-Version lassen sich alle Bilder und Zeitungsartikel durch Anklicken vergrößern.]

© Stefan Faßbender, erstellt mit tim-online.de, Karte von 1936 – 1945
© Stefan Faßbender, erstellt mit tim-online.de, Karte von 2024

Mit dem Bau der Unterführung wurde zwischen 1911 und 1912 begonnen, wie nachfolgender Auszug aus der Schulchronik Noithausen zeigt.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Nr. 513, Seite 67

„Noithausen, den 4. Juli 1912. Nachdem seit dem vorigen Jahre an der an dem Orte Noithausen vorbeiführenden Eisenbahnlinie Köln – M. Gladbach gearbeitet worden, um dieselbe zweigeleisig auszubauen, wurde am 1. Juli d. J. das zweite Geleise zwischen Grevenbroich und M. Gladbach dem Verkehr übergeben. Sicher(e)m Vernehmen nach, soll im nächsten Jahre der weitere Ausbau Grevenbroich – Köln erfolgen. Gleichzeitig mit dem Ausbau des zweiten Geleises fand auch eine Verlegung der Neuss – Jülicher Landstraße statt, die neue Linie macht eine scharfe Kurve nach Nordwesten und erhält etwa 100 m in der Richtung Jüchen eine Unterführung unter der Eisenbahn her. Diese Verlegung erfordert eine mühevolle Arbeit, und damit auch sonstige Wegeverschiebungen und die Anlage eines großen Sammelbeckens für das von der Straße und von der Flur kommende Wasser verbunden. Diese Arbeiten sind noch in vollem Gange und werden voraussichtlich erst im Laufe des Herbstes beendet sein.“

Ausnahmsweise verzichten wir in diesem Beitrag auf eine ausführliche Beschreibung bzw. Auswertung der einzelnen Unfälle, sondern stellen die Todeskurve anhand der gefundenen Zeitungsartikel zwischen 1928 und 1941 dar. Es wurden lediglich Überschriften und Besonderheiten im Artikel aufgeführt, so dass jede Leserin und jeder Leser selbst entscheiden kann, welchen Artikel sie bzw. er lesen möchte, da es sich um mehr als 40 Fundstellen handelt.

1928 – Unfall durch Bremsversagen – Fund einer Pistole – Schussverletzung durch Schuljungen

Velberter Zeitung, Nr. 100 vom 12.04.1928, Seite 7

1928 – Tod eines Motorfahrers (lt. Sterbeurkunde im Alter von 21 Jahren)

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 122 vom 11.10.1928, Seite 2
Neusser Zeitung, Nr. 238 vom 11.10.1928, Seite 2

1929 – Zwei schwerverletzte Motoradfahrer

Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, Nr. 166 vom 17.06.1929, Seite 6

1929 – Vollständige Zertrümmerung des Pkw am eisernen Geländer

Neusser Zeitung, Nr. 269 vom 21.11.1929, Seite 2

1929 – Überfälle auf Eisenbahnwaggons an der Todeskurve

Neusser Zeitung, Nr. 275 vom 28.11.1929, Seite 3
Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, Nr. 331 vom 29.11.1929, Seite 7
Der Erft-Bote, Nr. 144 vom 03.12.1929, Seite 3
Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 49 vom 19.02.1930, Seite 2
Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 49 vom 19.02.1930, Seite 2

1930 – Ein fast neuer Pkw legte sich mit der Einfriedung an – Stark verbeult

Neusser Zeitung, Nr. 55 vom 06.03.1930, Seite 5

1930 – Ein Auto mit 25 Nationalsozialisten verunglückt – zwei Tote

Neusser Zeitung, Nr. 82 vom 07.04.1930, Seite 5

1930 – Raser wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt

Neusser Zeitung, Nr. 181 vom 04.08.1930, Seite 5

1930 – Berufung! Nur 8 Monate Gefängnis

Viersener Zeitung, Nr. 255 vom 30.10.1930, Seite 7

1931 – Schmuggler verlieren Hinterrad ihres Wagens

Neusser Zeitung, Nr. 41 vom 18.02.1931, Seite 5

1931 – Schweres Motorradunglück

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 57 vom 12.05.1931, Seite 2

Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 131 vom 13.05.1931, Seite 9

1931 – Nach Unfall auch noch ausgeraubt

Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, Nr. 157 vom 08.06.1931, Seite 4

1931 – Beinbruch nach Absturz in die Böschung

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 149 vom 10.12.1931, Seite 2

1932 – Wieder ein Beinbruch nach Sturz in die Böschung

Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, Nr. 185 vom 05.07.1932, Seite 9

1933 – Radfahrer wurde lebensgefährlich verletzt

Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 149 vom 31.05.1933, Seite 9

1933 – Katastrophenübung an der Todeskurve

Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 216 vom 08.08.1933, Seite 9

1934 – Papierlastwagen prallte mit voller Wucht gegen Chausseebaum

Neusser Zeitung, Nr. 114 vom 27.04.1934, Seite 3

1934 – Auto durchbricht Schutzgeländer

Neusser Zeitung, Nr. 352 vom 25.12.1934, Seite 4

1935 – Vollständige Zerstörung eines Motorrades

Neusser Zeitung, Nr. 211 vom 04.08.1935, Seite 4

1935 – Noch ein Motorradunfall mit Schwerverletzten

Hagener Zeitung, Nr. 222 vom 23.09.1935, Seite 11

1936 – Zusammenstoß von Auto und Motorrad

Neusser Zeitung, Nr. 153 vom 05.06.1936, Seite 4

1936 – Ein Pferd in einen Schacht gestürzt

Der Grafschafter, Nr. 236 vom 07.10.1936, Seite 3

1936 – Erneute Katastrophenübung an der Todeskurve

Neusser Zeitung, Nr. 313 vom 12.11.1936, Seite 7

1937 – Steinewerfer an der Todeskurve

Neusser Zeitung, Nr. 6 vom 06.01.1937, Seite 7

1937 – Trotz Warntafeln fährt Pkw gegen die Umfriedung des tiefen Schachtloches

Hagener Zeitung, Nr. 12 vom 15.01.1937, Seite 7

1937 – Serienweise Unfälle im Kreisgebiet

Neusser Zeitung, Nr. 53 vom 22.02.1937, Seite 6

1937 – Interessanter Bericht, der auch die Todeskurve enthält

Neusser Zeitung, Nr. 80 vom 21.03.1937, Seite 6

1937 – Der x. Motorradunfall

Neusser Zeitung, Nr. 141 vom 25.05.1937, Seite 3

1937 – Ausführliche Beschreibung der Todeskurve mit den neuen Verkehrssicherungen

Neusser Zeitung, Nr. 160 vom 13.06.1937, Seite 5
Neusser Zeitung, Nr. 209 vom 01.08.1937, Seite 5
Neusser Zeitung, Nr. 213 vom 05.08.1937, Seite 5
Neusser Zeitung, Nr. 221 vom 13.08.1937, Seite 5

1937 – Anhänger kippt in Todeskurve um – Autounfall in Hemmerden

Neusser Zeitung, Nr. 234 vom 26.08.1937, Seite 5

1937 – Der erste Unfall nach Erhöhung der Verkehrssicherheit

Neusser Zeitung, Nr. 265 vom 26.09.1937, Seite 12

1937 – Ein LKW überfährt (fast) einen Radfahrer

Neusser Zeitung, Nr. 280 vom 11.10.1937, Seite 6

1937 – An der Todeskurve befand sich die „Zigeunerecke“

Neusser Zeitung, Nr. 324 vom 24.11.1937, Seite 5

1937 – Im Schneegestöber in ein acht Meter tiefes Schachtloch gestürzt

Neusser Zeitung, Nr. 347 vom 17.12.1937, Seite 5

1938 – Unfall trotz erneut durchgeführter Verbesserungen

Neusser Zeitung, Nr. 303 vom 04.11.1938, Seite 9

1939 – In der Todeskurve werden leuchtende Richtungsanzeiger angebracht

Neusser Zeitung, Nr. 20 vom 20.01.1939, Seite 9

1939 – Einseitige Erhöhung der Kurvenlage

Neusser Zeitung, Nr. 97 vom 07.04.1939, Seite 9

1939 – Garzweiler erleidet Federbruch in der Todeskurve

Neusser Zeitung, Nr. 106 vom 18.04.1939, Seite 5

1940 – Wieder mal Verbesserungen an Gefahrenkurven

Neusser Zeitung, Nr. 335 vom 05.12.1940, Seite 3

1941 – Unfälle in Fürth und in der Todeskurve

Neusser Zeitung, Nr. 15 vom 15.01.1941, Seite 4

Nachfolgend die einzigen im Archiv im Rhein-Kreis Neuss in Zons gefundenen Fotos zur Todeskurve. Der Geschichtsverein Grevenbroich bedankt sich bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die uns sehr kurzfristig die Bilder zur Verfügung stellen konnten.

1983 – Ein BMW landete bei einem Unfall in der Böschung

© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o02707-24
© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o02707-31
© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o02707-28
© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o02707-16

1988 – Entschärfung der Todeskurve und Neubau der Brücke

© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o6440-02
© AiRKN, Sammlung Michael Reuter, Nr. F18 o6440-14

Alle Zeitungsartikel wurden im Zeitungsportal NRW (zeit.punkt NRW) gefunden.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

Nachmittag der Erinnerungen zu 50 Jahren Umsiedlung Elfgen und Belmen

Wenn Dörfer einfach von der Landkarte verschwinden.

Zu den verschwundenen Dörfern in unserer Stadt gehören neben Elfgen und Belmen auch die Weiler Reisdorf und St. Leonhard, die bereits Anfang der 1960er Jahre dem Tagebau Garzweiler weichen mussten.

Zur Erinnerung an die Umsiedlung von Elfgen und Belmen vor rund 50 Jahren veranstaltet das Organisationsteam rund um Annemarie Helpenstein und Georg Peltzer, das Stadtarchiv Grevenbroich und der Geschichtsverein Grevenbroich am Samstag, den 22. Juni 2024 von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr einen „Nachmittag der Erinnerungen zu 50 Jahren Umsiedlung Elfgen und Belmen“. Die Besucher erwartet ein Potpourri rund um die Umsiedlung von den Anfängen bis in die „heutige“ Zeit (Georg Peltzer). Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer spannenden Kirchenführung zum Thema „St. Georg und die mitgebrachten Bauteile sowie Kirchengegenständen“ zu folgen (Cornelia Schulte). Im Anschluss besteht noch die Möglichkeit zum regen Austausch oder Recherchen zu Geschichten und Namen in den Elfgener Schulchroniken von 1873 bis 1950 (Stefan Faßbender).

Zur Einstimmung auf den spannenden Nachmittag möchten wir nachfolgend die Kirche St. Georg in Alt-Elfgen insbesondere anhand des Erweiterungsbaus um 1930 mit vielen Fotos darstellen und das verschwundene Dorf damit zumindest ein wenig lebendig erscheinen lassen.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Bestand Elfgen, Nr. 17-El-0004

Ende der 1920er Jahre war St. Georg in keinem guten Zustand, wie die Schulchronik aus dem Juni 1928 zu berichten weiß.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 35

„Ausmalung unserer Pfarrkirche. An unserer Pfarrkirche war jahrzehntelang nichts mehr zur Verschönerung geschehen, da Herr Pfarrer Mainz einen Kirchenneubau beabsichtigte. Krieg und Inflation machten den Plan unausführbar. Nun wird die fast unwürdig verwahrloste Kirche durch einen hellen, freundlichen Anstrich zu einem schönen Gotteshaus erneuert.“

Erst im Juni 1931 wurden weitere Planungen zum Kirchenbau losgetreten.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 109

„Was ist denn das? Unsere Kirche ist zu klein. Es wird eine Aufgabe des neuen Herrn Pfarrers sein, entweder eine neue Kirche zu bauen oder die alte zu erweitern. Die geistigen Vorarbeiten beginnen schon. Herr Architekt Fritz Radermacher, der Bruder des Herrn Pfarrers, hat einen Entwurf für die Kirchenerweiterung modelliert.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 109)

 „4.11.31 Besprechung wegen des Kirchenbaues. Heute war Herr Architekt Schneider aus Düsseldorf – Oberkassel in Begleitung von Herrn Pfarrer Schönheit aus Bedburdyck zu einer ersten Besprechung wegen des Kirchenerweiterungsbaues in Elfgen. Der Kirchenvorstand und die Lehrerschaft waren zu der Besprechung eingeladen.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 122)

Die Weihnachtskrippe in der Elfgener Kirche im Jahr 1931.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 127
© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 131

Unser Kirchenerweiterungsbau ist fortgesetzt Gegenstand ernster Erwägungen. In jeder hl. Messe wird um Gottes Segen für das große und wichtige Werk gebetet. Es sind 6 Entwürfe eingegangen, die sorgfältig geprüft werden. Die Angelegenheit ist nach der grundsätzlichen Seite hin geklärt: Es soll eine Erweiterung werden, die Raum schafft, künstlerisch ist und nicht zu teuer ist. Das ist insofern keine Selbstverständlichkeit, als man sich ursprünglich eng an die Erhaltung der jetzigen Kirche und ihrer Bauform halten wollte. Dann wäre allerdings nur die Lösungsmöglichkeit gewesen, die Kirche zu verlängern – und dafür ist sie zu schmal (9 m breit).“

1932 – Das „große“ Jahr der Beschlussfassung zum Kirchenbau!

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 141

„Beschlußfassung über den Kirchbau. Der Kirchenvorstand beschloß den Erweiterungsbau unserer Kirche nach den Plänen des Architekten Franz Schneider aus Düsseldorf. Mit den Bauarbeiten dürfte im Mai begonnen werden.“

Am 18. Mai 1932 übertrug der Kirchenvorstand die Bauarbeiten an die Firma Pick in Elsen.

Der erste Spatenstich zum Bau der Kirche erfolgte bereits am 24. Mai 1932. Der Elfgener Schulchronik ist folgender Eintrag zu entnehmen.

„Die hl. Messe wurde zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit gefeiert. Die Kinder und zahlreiche Erwachsene nahmen teil. Nach der hl. Messe stellten sich die Teilnehmer an der Baustelle auf. Es wurde das Lied gesungen „O höchstes Gut“. Währenddessen segnete Herr Pfarrer Radermacher in Albe und Stola die Baustelle. Dann nahm er den Spaten zur Hand und sagte dem Sinne nach: „Hiermit tue ich den ersten Spatenstich zum Bau unserer neuen Kirche. Möge das Werk mit Gott begonnen werden und unter Gottes Segen stehen.“ Als der Herr Pfarrer nun die Erde aushob, lachten die Leute, und die Kinder lachten mit. – Den Spaten schenkte Herr Bauunternehmer Pick der Schule.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 143f.)

Die ersten Erdarbeiten am 29. Mai 1932:

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 146

„Die Nordseite der alten Kirche, die umgelegt wird.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 146)

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 146

Am 7. Juni 1932 wurden die ersten Steine zur neuen Kirche gelegt.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 147

„Die Gläubigen nahmen zahlreich am hl. Meßopfer teil. Dann ging es in Prozession zur Baustelle. Etwa 12 buntgeschmückte Ziegelsteine lagen bereit. Nach einem Gebet legte Herr Pfarrer Radermacher den ersten Stein. Herr Martin Schläger folgte als Vertreter des Kirchenvorstandes, der Schreiber für Lehrerschaft und Schule. Weiter kamen noch Vertreter der kirchlichen Vereine und der Schulkinder. Dem Legen des Steines folgte jedesmal ein dreimaliger leichter Hammerschlag mit den Worten: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. – Nach der Feier begann sofort die eifrige Arbeit.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 145)

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 147

Mit der Erweiterung der Kirche wurde auch gleichzeitig ein Jugendheim errichtet. Hier sind die Arbeiten am 11. Juni 1932 zu sehen.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 148

„Das Stützgerüst – Die Mauer wird ja ausgebrochen, am 11. Juni 1932“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 149)

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 149
© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 150

Die Nordwand wird am 26. Juni 1932 aufgebrochen.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 150

Die Grundsteinlegung erfolgte an Peter und Paul 1932 (29. Juni 1932).

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 152

Herr Pfarrer Radermacher verliest die Urkunde zur Grundsteinlegung.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 153

Der geschmückte Chor der neuen Kirche.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 153

Eigentlich sollte der Erweiterungsbau zur Kirmes bereits vollendet sein. Ab Dezember 1932 wurden jedoch folgende Eintragungen in der Schulchronik verfasst.

„Wir wollten zu Kirmes fertig sein und keine Weihnachten noch unter Gerüsten. Die Anpassung des alten an den neuen Teil, insbesondere die neue Pliesterung des alten Teiles nahm lange Zeit in Anspruch. Am 9.12.32 kamen die 9 ersten Fenster, die in ihrer Farbenfreude unseren Leuten recht gefallen. Von Übel ist es, daß die Heizung noch nicht eingebaut ist; denn im alten Teil, wo der Gottesdienst stattfindet, ist es empfindlich zugig und kalt. Zum Unglück ist seit einigen Tagen starker Frost, der an dem frischen Mauerwerk und dem neuen Verputz großen Schaden anrichten kann. Jetzt werden Tag und Nacht 3 Eisengitteröfen mit Koks geheizt zur Abwendung der Frostschäden.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 167)

„Weihnachten feierten wir doch nicht unter Gerüsten. Die Zwischenwand war teils entfernt, und wir hatten den ersten Eindruck der schönen baulichen Wirkung unseres neuen Gotteshauses. Der Kirchenchor sang mit den Knaben der Oberklasse die gemischtchorige Messe von Wiltberger. Die herrlichen Glasfenster des neuen Kirchenteiles machten tiefen Eindruck.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 168)

„25. Januar 1933: Da die Bausumme wohl nicht zur vollständigen Einrichtung der Kirche ausreicht, wurde an die geldliche Mithilfe der Pfarrangehörigen appelliert. So wurden die 14 Fenster bis auf vorläufig 1, gestiftet (Preis je Fenster 250 RM). Auch auswärts wohnende, ehemalige Pfarrkinder von Elfgen beteiligten sich an den Stiftungen. Augenblicklich macht die Beschaffung neuer Bänke, angesichts der ausgegangenen Mittel, Sorgen. Gott möge das so sichtbar gesegnete Werk zum glücklichen Ende führen!“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 170)

Unsere Pfarrkirche 19. März 1933: Übertragung der Reliquien auf den neuen Hochaltar und Benediction der erweiterten Kirche. Nun findet der Gottesdienst im neuen Kirchenteil statt. Der alte Teil erhält einen neuen Plattenbelag. Durch die frühere Sakristei wird ein Eingang geschaffen. Jetzt bleibt noch als wichtiger Abschluß die Beschaffung neuer Kirchenbänke. (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 182)

Ende 1985 fielen sowohl die ursprüngliche Kirche aus dem Jahr 1749 als auch der Erweiterungsbau dem Tagebau zum Opfer und wurden abgerissen.

Was an Erstaunlichem während der Abrissarbeiten zu Tage kam, werden wir für einen zukünftigen Beitrag noch aufarbeiten.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Bestand Elfgen, Nr. 17-El-0006
© Stadtarchiv Grevenbroich, Bestand Elfgen, Nr. 17-El-0009

Wie es in Neu-Elfgen weiterging, ist am Samstag, den 22. Juni von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr in der Kirche St. Georg zu erfahren …

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

2024 – Ein Jahr mit einem zweifachen Jubiläum für die „Gemeinschaft der Südstadt 1949 e. V.“

75 Jahre Gemeinschaft der Südstadt und gleichzeitig 40 Jahre Schützenwesen in der Grevenbroicher Südstadt. Beeindruckende Zahlen, wenn man bedenkt, dass dieser Grevenbroicher Stadtteil über viele Jahrzehnte nur dünn besiedelt war. Dies zeigen die nachfolgenden Kartenausschnitte eindrücklich.

© Stefan Faßbender – Die heutige „Südstadt“ auf einer Karte von 1954 (erstellt mit tim-online.nrw.de)
© Stefan Faßbender – Die heutige „Südstadt“ auf einer Karte von 2021 (erstellt mit tim-online.nrw.de)

Begonnen hat alles im Mai 1949, als 25 Südstädter Männer beschlossen, zum Sommeranfang ein Festzelt zu errichten, um dort ein Sommerfest zu feiern. Mit Unterstützung des damaligen VAW (Vereinigte Aluminiumwerke) und vielen Helfern konnte bereits im gleichen Jahr für vier Tage das Fest erfolgreich und mit viel Begeisterung gefeiert werden. Nachdem noch zwei weitere Siedlerfeste stattfanden, wurde im Jahr 1951 im Hause des Kreislehrgartens die Gründungsversammlung für die „Gemeinschaft der Erftwerksiedlung“ (welche im Jahr 1977 zur „Gemeinschaft der Südstadt 1949“ umbenannt wurde) gehalten. Im Gründungsjahr traten 250 Mitglieder bei. Viele weitere Details über die Entstehungsgeschichte der „Gemeinschaft der Südstadt 1949 e. V.“ und der Südstadt im Allgemeinen sind in den Jubiläumsschriften 1999, 2009 und 2024 zum Heimat- und Schützenfest zu lesen, welche sich u. a. im Grevenbroicher Stadtarchiv befinden. Insbesondere in der diesjährigen Festschrift 2024 erfolgte eine sehr ausführliche Stadtteil-Darstellung durch Ulrich Herlitz.

© Jürgen Larisch – Mitgliedsausweis aus dem Jahr 1952
© Jürgen Larisch – Im Mitgliedsausweis wurden die Beitragsmarken zur Sterbekasse eingeklebt
© Jürgen Larisch – Mitgliedsausweis aus einem unbekannten Jahr mit vermutlich falschem Eintrittsdatum

Die Schwerpunkte dieses Beitrages liegen daher auf den Kinderumzügen mit der Abbildung vieler Fotos aus den verschiedenen Jahrzehnten sowie auf dem Standort des Festes mit einem Filmausschnitt aus dem Jahr 1959.

1. Kinderumzüge beim Siedlerfest

Nachdem drei erfolgreiche Siedlerfeste gefeiert wurden, wurde dieses ab 1952 um einen farbenfrohen Kinderumzug bereichert. Fast 30 Jahre wurde dieses als „Siedlerfest“ bezeichnete Sommerfest von fantasievollen Kinderumzügen begleitet, bevor die Südstädter 1985 ihr erstes Schützenfest feierten, weil das eigentliche Sommerfest keine Besucher mehr anzog. Von Anfang an wurden die Kostüme in mühevoller Arbeit von vielen Müttern der Kinder selbst hergestellt. In den 1960er Jahren wurden zusätzlich die Fahrräder der Kinder aufwendig geschmückt und mit Begeisterung vorgeführt. Für die Südstädter Kinder war der Umzug, eines der Highlights des Jahres. Die „Aufregung“ begann aber schon lange vor dem eigentlichen Umzug, denn die Kostümauswahl in den 1970er Jahren konnte mit Freude oder Enttäuschung enden. Bekam man das ausgesuchte Kostüm oder wurde man „zwangsweise“ wegen Kostümmangels einer anderen Gruppe zugewiesen?! Freude und Tränen waren hier, zumindest in den Erinnerungen des Verfassers und einer Fotoeinsenderin, nahe beieinander.

Die 1950er Jahre:

© Jürgen Larisch
© Jürgen Larisch
© Jürgen Larisch
© Jürgen Larisch
© Jürgen Larisch
© Jürgen Larisch
© Franz Brügger
© Franz Brügger
© Franz Brügger
© Franz Brügger
© Franz Brügger
© Franz Brügger
© Stefan Plag

Die 1960er Jahre:

© Stefan Faßbender
© Stefan Faßbender
© Stefan Faßbender
© Stefan Faßbender
© Gabi Kluth
© Gabi Kluth
© Gabi Kluth
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag

Die 1970er Jahre:

© Stefan Faßbender
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Privatsammlung
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag

Laut der Jubiläumszeitschrift 50 Jahre „Gemeinschaft der Südstadt“ aus dem Jahr 1999 fand der letzte Kinderumzug an einem Sonntagnachmittag im Juni 1979 statt. Das Ende der Kinderumzüge lag vermutlich in einem festgefahrenen Konzept in der Kostümgestaltung und auch im Verhalten der Kinder, die notwendige Spielregeln missachteten, begründet.

Die 1980er Jahre:

© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag
© Stefan Plag

Am Sonntag gab es ein Erbsensuppenessen auf dem Festplatz. Vermutlich ist dies eines der letzten offiziellen Fotos (Sommer 1984) vom Siedlerfest in der Südstadt, da im Jahr 1985 das erste Schützenfest in der Südstadt stattfand.

© Franz Brügger – unbekannte Zeitung

Das Jahr 2009:

Zur Erinnerung an die Tradition der Kinderumzüge während der Siedlerfeste zog die Kita St. Josef 2009 im Festumzug mit.

© Stefan Faßbender

2. Der Standort des Siedlerfestes

Sehr interessant ist die Betrachtung des Standortes des Siedlerfestes. Beim Zusammentragen der Bilder und den dabei geführten Gesprächen war der Verfasser etwas irritiert, da fast jeder von einem anderen Standort des Festplatzes sprach. Die genannten Standorte wurden daher „grob“ in blauer Farbe in die Luftbilder eingezeichnet. Aufgrund bisher fehlender Nachweise ist nur von einer eingeschränkten Richtig- und Vollständigkeit auszugehen.

© Stefan Faßbender – Die möglichen Standorte auf einer Karte von 1954 (erstellt mit tim-online.nrw.de)
© Stefan Faßbender – Die möglichen Standorte auf einer Karte von 2021 (erstellt mit tim-online.nrw.de)

Da die Südstadt seit 1949 stetig gewachsen ist, ist davon auszugehen, dass der Festplatz immer wieder an eine andere freie Stelle „wandern“ musste, weil der bisherige Standort bebaut wurde. Der Verfasser würde sich sehr über Rückmeldungen zu den genauen Standorten mit eventuellen Jahreszahlen freuen, um diese Informationen für nachfolgende Generationen festzuhalten. Die Informationen würden entsprechend aufbereitet, in einem Nachtrag veröffentlicht und anschließend an das Stadtarchiv Grevenbroich übergeben werden.

Gesichert ist, dass sich der Festplatz über Jahre auf der heutigen Lautawerkstraße gegenüber der damaligen Gaststätte „Haus Hubertus“ befand. Im Wendekreis der Straße befand sich jedes Jahr eine „Riesenrad“, welches für die Kinder der damaligen Zeit vermutlich gigantisch wirkte. Der nachfolgende Filmausschnitt zeigt einige Impressionen aus dem Jahr 1959. Die Begeisterung der Kinder ist jedem Gesicht anzusehen.

Der Geschichtsverein Grevenbroich bedankt sich herzlich bei allen Personen, die Fotos zur Verfügung gestellt und somit die Möglichkeit eröffnet haben, in schönen Erinnerungen über eine fast vergessene Zeit schwelgen zu können. Herzlichen Dank!

Wer noch weitere Bilder zur Verfügung stellen möchte, kann sich gerne an den Verfasser wenden oder diese direkt unter unserem Facebook-Beitrag posten.

Noch ein technischer Hinweis! Durch Anklicken können die Fotos in der maximalen Auflösung angesehen werden.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

Richard Aretz, Auswanderer und wohl der einzige Ehrenbürger von Grevenbroich?!

Eigentlich wollte der Geschichtsverein Grevenbroich an dieser Stelle einen Bericht über die vielen Grevenbroicher Auswanderer schreiben und deren Leben – soweit möglich – in ihrer neuen Heimat darstellen. Bei den Recherchen zu diesem Thema ist der Geschichtsverein jedoch auf eine sehr interessante und außergewöhnliche Person aufmerksam geworden, deren Biographie wir im Folgenden beschreiben möchten.

Wer war Richard Aretz?
Richard Aretz wurde am 14. Oktober 1860 als jüngstes Kind von insgesamt neun Kindern des Gerbers Heinrich Aretz (*1812, +1883) und der Johanna Ingelbach (*1816, +1881) in deren Behausung in Wevelinghoven geboren.

StA Grevenbroich, Amt Wevelinghoven, Geburtsregister Nr. 71/1860

Nur wenige Tage nach seinem 21. Geburtstag machte sich Richard in Richtung Hamburg auf und bestieg am 16. November 1881 das Dampfschiff „Buenos Aires“ der Hamburg-Südamerikanischen-Dampfschifffahrts-Gesellschaft mit dem Ziel La Plata. Im Deutschen Reich wurde die Volljährigkeit mit Wirkung vom 1. Januar 1876 einheitlich auf 21 Jahre festgesetzt, so dass dies der früheste Zeitpunkt einer Auswanderung ohne Eltern gewesen sein dürfte. Die Passagierliste enthält leider keine Angabe zur Unterbringung. Da weder er noch seine Familie über große Vermögen verfügt haben dürften, ist er vermutlich in einer der unteren Klassen gereist. Die bis in die 1870er Jahre verwendeten Segelschiffe benötigten für die Überfahrt nach Argentinien ungefähr 2 – 3 Monate. Mit Einführung von Dampfschiffen verringerte sich die Reise zwar erheblich, aber dennoch war Richard Aretz bei seiner ersten Überfahrt sicherlich noch vier Wochen unterwegs.

Über das Leben von Richard Aretz in den nächsten Jahren ist leider nichts zu finden. Ob er in dieser Zeit bereits in Argentinien Fuß fassen konnte oder sehr um das Überleben kämpfen musste, ist leider auch nicht bekannt. In dieser Zeit wird er seine Frau Emilia Fehling kennengelernt und geheiratet haben, da am 27. August 1888 ihre Tochter Enriqueta Juana geboren wurde. Emilia Fehling und ihre Eltern waren am 2. Oktober 1885 mit einem Dampfschiff von Hamburg nach Buenos Aires abgereist. In der Passagierliste wird Emilia Fehling noch als ledig aufgeführt. Die Heirat wird zwischen dieser Zeit und der Geburt der Tochter Enriqueta Juana geschlossen worden sein. Emilia Fehling wurde 25. Juni 1867 in Buenos Aires geboren. Die Eltern Felix und Enriqueta Fehling waren ebenfalls deutsche Auswanderer. Laut einem Protokoll zur Volkszählung 1869 war Felix Fehling Kutschenbauer (Fabricante de Carruajes) in Buenos Aires. Ob sich Felix Fehling bereits eine erfolgreiche Existenz in Argentinien aufgebaut hatte, von der Richard Aretz wohlmöglich durch seine Heirat mit der Tochter Emilia Fehling „profitieren“ konnte, kann nicht belegt werden.

Ancestry/Familysearch, Nationale Volkszählung, Argentinien, 1869

In den nächsten Jahren reiste Richard Aretz in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer wieder nach Deutschland, um vermutlich auch seiner Heimatstadt Wevelinghoven einen Besuch abzustatten. Inwieweit er auch geschäftliche Reisen nach Deutschland unternahm, kann hier nicht beurteilt werden, da keine Belege hierzu gefunden wurden. Die Stationen seines Lebens und sein Wirken insbesondere in Wevelinghoven werden nachfolgend chronologisch dargestellt. Hierbei ist zu beachten, dass die Reisedaten unvollständig sein können, da zurzeit im Wesentlichen nur die Passagierlisten der Abreisenden ausgehend von Hamburg oder Bremen in die weite Welt online recherchierbar sind.

Das Jahr 1893:
Am 21. Juni 1893 kam Richard Aretz in Liverpool an. Die dokumentierte Reise führte ihn von New York über Queenstown in Irland nach England. Und dann vermutlich weiter bis nach Deutschland. Hierzu benutzte er das Schiff „Majestic“ der White Star Dominion Line. Die Dominion Line wurde 1902 durch J. P. Morgan aufgekauft und 1904 dem IMMC-Schifffahrtstrust angeschlossen, zu der auch die White Star Line (spätere Erbauerin der Titanic) gehörte.

Das Jahr 1904:
Am 7. September 1904 verließ Richard Aretz (43) mit seiner Frau Emilia (36) und seiner Tochter Henriette (Deutsche Form von „Enriqueta“) (15) auf dem Dampfschiff „Cap Blanco“ Hamburg, um über Boulogne-sur-Mer, Southampton, Coruna, Vigo und Teneriffa nach La Plata in der Provinz Buenos Aires zu gelangen. In den Aufzeichnungen der Hamburger Passagierlisten wird Richard Aretz als Kaufmann bezeichnet. Ein wirtschaftlicher Erfolg und ein gesellschaftlicher Aufstieg müssen in dieser Zeit schon erfolgt sein, da er und seine Familie per 1. Klasse reiste.

Das Jahr 1909:
Am 20. September 1909 verließ Richard Aretz (48) mit seiner Frau Emilia (41) und seiner Tochter Henriette (20) auf dem Dampfschiff „König Wilhelm II.“ Hamburg, um über Boulogne, Southampton, Vigo, Leixoes, Lissabon und Rio de Janeiro nach La Plata zu gelangen. In dieser Passagierliste wird er als Fabrikant bezeichnet. Die Unterbringung erfolgte ebenfalls in der 1. Klasse.

Das Jahr 1914:
Am 6. Januar 1914 verließ Richard Aretz (53) mit seiner Frau Emilia (44) auf dem Dampfschiff „Cap Vilano“ wieder einmal Hamburg, um über Boulogne, Southampton, Vigo, Rio de Janeiro, Santos und Montevideo nach Buenos Aires überzusetzen. In den Aufzeichnungen wird er wieder als Kaufmann bezeichnet. Die Unterbringung erfolgte ebenfalls in der 1. Klasse.

Zu dieser Zeit wird er vermutlich auch in Wevelinghoven gewesen sein und mit Mitgliedern der evangelischen Kirchengemeinde über den Neubau einer Kirchenorgel gesprochen haben, denn am 9. Mai 1914 veröffentlicht die Westdeutsche Landeszeitung folgenden Artikel:

Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 108, Seite 3 vom 9. Mai 1914

„- Herr Richard Aretz aus Buenos-Aires, ein früherer Mitbürger, hat für den Neubau einer Kirchenorgel in seiner alten Heimat ein Geschenk von mehreren Tausend Mark gesandt. Durch die Stiftung des Herrn Robert Floeren ist der Baufond um 1000 Mk. erhöht worden. Durch eine Sammlung freiwilliger Beiträge gingen 2700 Mk. ein. Aus diesen Geldern soll nun ein neues, modernes Instrument beschafft werden.“

Das Jahr 1921:
Die nächste Reise kann nicht durch eine Passagierliste belegt werden. Jedoch muss sich der mittlerweile als Rentner bezeichnete Richard Aretz im Juni 1921 in Wevelinghoven aufgehalten haben.

Westdeutsche Landeszeitung, Nr. 146, Seite 3 vom 27. Juni 1921

„Wevelinghoven, 24. Juni. Der Rentner Richard Aretz zu Buenos-Aires in Argentinien, der zur Zeit in Deutschland weilt, machte der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde eine Stiftung im vorläufigen Betrage von 200.000 Mark, um seiner Heimatgemeinde die Erhaltung der durch die Zeitverhältnisse gefährdeten Pfarrstelle auch für die Zukunft zu ermöglichen. In einer aus diesem Anlaß am vergangenen Sonntag einberufenen zahlreich besuchten Versammlung wurde dem Geschenkgeber durch den Präses des Presbyteriums Herrn Pastor Dehnert und dem derzeitigen Kirchmeister L. Sinner namens der Gemeinde herzlichster Dank für seine hochherzige Tat ausgesprochen. In der Versammlung konnte sodann von dem Vorsitzenden noch bekanntgegeben werden, daß auch die zur Zeit für den gleichen Zweck in der Gemeinde stattfindende Sammlung bisher den Betrag von über 100.000 Mark ergeben hat.“ [Hinweis: Im Jahr 1921 war schon eine steigende Inflation zu verzeichnen, die dann 1923 in einer Hyperinflation endete.]

Velberter Zeitung, Nr. 145, Seite 2 vom 24. Juni 1921

„Wevelinghoven, 22. Juni. (Hochherzige Stiftung.) Der Rentner Richard Aretz aus Buenos Aires machte der evangelischen Kirchengemeinde eine Stiftung im vorläufigen Betrage von 200.000 Mark, um seiner Heimatgemeinde die Erhaltung der durch die Zeitverhältnisse gefährdeten Pfarrstelle auch für die Zukunft zu ermöglichen. Eine Sammlung für den gleichen Zweck ergab bisher den Beitrag von über 100.000 Mark.“

Im Stadtarchiv Grevenbroich ist ein Schriftstück erhalten geblieben, welches eine detaillierte Aufstellung aller Spender und den Spendengrund aufführt. Ob der in der Liste aufgeführte Wilhelm Aretz in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Richard Aretz stand, kann nicht beurteilt werden, da keine weiteren Informationen zu finden sind.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1869

Das Jahr 1922:
Richard Aretz unterstützte die Stadt Wevelinghoven vermutlich nicht nur in Form von Spenden etc., sondern auch in Form von Darlehen wie nachfolgender Beleg zeigt. Die Stadt Wevelinghoven war im März 1922 an dem an der Poststraße gelegenen Wohnhaus nebst Garten und Feld mit einer Größe von einem Kölner Morgen (ca. 3.000 m²) interessiert. Der Kaufpreis in Höhe von 200.000 M sollte nicht sofort ausgezahlt werden, sondern bis zur endgültigen Auszahlung mit 4% verzinst werden. Ob der Kauf zustande kam bzw. wie lange das Darlehen bestand, ist aus den Akten nicht zu ersehen.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 885

Das Jahr 1923:
Ob Richard Aretz im Jahr 1923 seine Heimatstadt Wevelinghoven bereiste, ist zurzeit unklar, denn es wurde weder ein Ein- bzw. Ausreisebeleg noch ein sonstiger Beleg hierzu gefunden. Jedoch wurde am 4. Juni 1923 durch den Stadtrat Wevelinghoven beschlossen, Herrn Richard Aretz das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Leider wurde der Beschluss nur relativ nüchtern in das Ratsprotokoll aufgenommen und keinerlei weitere Details erwähnt. Auch wurde nicht erwähnt, wann und in welcher Art und Weise die Verleihung der Ehrenbürgerschaft durch die Stadt Wevelinghoven vollzogen werden sollte. Gab es eine öffentliche Feier? Wurde ihm persönlich eine Urkunde übergeben? Dies bleibt zurzeit alles offen.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 153

„Außer der Tagesordnung beschließt Stadtverordneten-Versammlung einstimmig dem Herrn Richard Aretz mit Rücksicht auf seine in der Stadt Wevelinghoven geübte Wohltätigkeit das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.“

Herr Richard Aretz dürfte die einzige Person sein, der jemals auf dem Gebiet der heutigen Stadt Grevenbroich die Ehrenbürgerrechte verliehen wurden. Weder im Stadtarchiv Grevenbroich wurden Belege zu weiteren Personen gefunden noch konnten Mitglieder des derzeitigen Stadtrats bestätigen, dass in den letzten Jahrzehnten eine weitere Ehrenbürgerschaft verliehen wurde. [Anmerkung: Einige Wochen nach Erstellung dieses Beitrages wurde im Stadtarchiv Grevenbroich ein Beleg zu einem weiteren Ehrenbürger gefunden, über den der Geschichtsverein Grevenbroich in den nächsten Monaten auch berichten wird.] Dies dürfte an den sehr hohen Anforderungen als Voraussetzung liegen, was der Autor auch befürwortet. Regelungen hierzu sind in der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) zu finden:

„§ 34 (Fn 49) Ehrenbürgerrecht und Ehrenbezeichnung
(1) Die Gemeinde kann Persönlichkeiten, die sich um sie besonders verdient gemacht haben, das Ehrenbürgerrecht verleihen. Sie kann langjährigen Ratsmitgliedern, Bürgermeisterinnen oder Bürgermeistern und Ehrenbeamten nach ihrem Ausscheiden eine Ehrenbezeichnung verleihen.
(2) Beschlüsse über die Verleihung oder die Entziehung des Ehrenbürgerrechts und über die Entziehung einer Ehrenbezeichnung fasst der Rat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder.

Was „besonders verdient gemacht haben“ bedeutet, kann an dieser Stelle sicherlich offen bleiben und auch unterschiedlich gewertet werden, aber die vor einigen Jahren stattgefundene Diskussion um eine berühmte fiktive Person („Horst Schlämmer“) des öffentlichen Lebens, die den Namen Grevenbroich sicherlich in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz bekannt gemacht hat, dürfte als solches nicht ausreichen. Für eine so hohe Auszeichnung dürfen weder der Bekanntheitsgrad einer Person noch Parteiinteressen im Vordergrund stehen.

An dieser Stelle soll noch ein kurzer Überblick über die Zeit zwischen 1933 und 1946 dargestellt werden, um zu zeigen, wie man in der Nachkriegszeit mit während der NS-Zeit vergebenen Ehrenbürgertiteln umging.

Da im Jahr nach der Machtergreifung die Verleihung von Ehrenbürgerrechten an einzelne Personen überhand nahm, bedurfte es ab Oktober 1933 der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung durch den Preußischen Minister des Innern. Lediglich der Reichspräsident, der Führer und Reichskanzler sowie der Ministerpräsident waren von dieser Regelung ausgenommen.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 2226

Die Verleihung von Ehrenbürgerrechten an verdiente Offiziere und Soldaten erfolgte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen und bedurfte einer persönlichen Genehmigung durch Adolf Hitler.

StA Grevenbroich, Bestand Gustorf, Nr. 633

Im Jahr 1946 wurden die Städte durch das Hauptquartier der Militärregierung im Landkreis Grevenbroich-Neuss ersucht, die verliehenen Ehrenbürgerrechte an Nazis wieder zu entziehen. Sehr interessant ist der Vermerk, dass eine amtliche Entfernung der Namen aus den Ratsakten erfolgen soll. In welcher Weise dies zu erfolgen hat, ist leider nicht erläutert. Hat man nur einen Vermerk in die Akten geschrieben? Oder hat man die Akten tatsächlich vernichtet? Ist dies der Grund, warum man heute häufig vergeblich nach Hinweisen auf Ehrenbürgerrechte während der NS-Zeit sucht? Für Wevelinghoven wurde eine Fehlanzeige erstattet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass keine Verleihung einer Ehrenbürgerschaft in dieser Zeit erfolgte.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 321

Das Jahr 1924:
In diesem Jahr muss es den Wevelinghovenern vermutlich an allem gemangelt haben, denn wie die Neusser Zeitung im Februar berichtet, hat Richard Aretz eine Spende von 60 Zentnern Rinderfett für die Stadt Wevelinghoven überwiesen.

Neusser Zeitung, Nr. 43, Seite 3 vom 20. Februar 1924

Das Jahr 1927:
Am 1. Oktober 1927 verließ der – nun als – Ricardo Aretz (66) bezeichnete ehemalige Wevelinghovener Deutschland über den Hafen in Bremen. Er überquerte den Atlantik auf dem Schiff „Sierra Cordoba“ in der 1. Klasse. Eine Begleitperson wurde in der Passagierliste nicht gefunden. Die „Sierra Cordoba“ gehörte zur Norddeutschen Lloyd in Bremen. Als Berufsbezeichnung wurde Großgrundbesitzer aufgezeichnet.

Das Jahr 1928:
Nicht einmal ein Jahr später, am 8. September 1928, verließ Ricardo Aretz (67) wiederrum Bremen mit dem Ziel Buenos Aires. Er belegte eine Kabine der 1. Klasse auf dem Schiff „Sierra Morena“ der Norddeutschen Lloyd. Die Bezeichnungen Farmer und Besitzer wurden als Beruf aufgeführt.

Das Jahr 1929:
Auch im August 1929 war Richard Aretz in Wevelinghoven. Ob er Deutschland nochmals verlassen hat, kann zurzeit nicht belegt werden, da kein Eintrag in einer Passagierliste gefunden wurde. Im Stadtarchiv Grevenbroich wurde lediglich ein Antrag zur Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung um einen Monat gefunden.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719

„Sehr geehrter Herr Efferts, die Aufenthaltserlaubniß im Deutschen Reich möchte ich um einen Monat verlängert haben, da ich bei Prof. Dr. Oertel in Düsseldorf wegen Nasen-Operation in Behandlung bin & sich noch auf den ganzen Monat September ausdehnen dürfte. Prof. Oertel ist momentan auf Reisen & kommt vor dem 15. Sept. nicht zurück, er hat mich letzte Woche im Städt. Krankenhaus in Düsseldorf operiert. […]“

Das Jahr 1930:
Seine letzte Reise nach Deutschland – sofern er überhaupt nach September 1929 noch einmal ausgereiste – muss er spätestens im Herbst 1930 vorgenommen haben, wie nachfolgendes Fundstück aus dem Stadtarchiv Grevenbroich belegt. Die Stadt Wevelinghoven sendete ihm am 14. Oktober 1930 mit einem Telegramm die herzlichsten Glückwünsche zum 70. Geburtstag und zur baldigen Genesung in das Städtische Krankenhaus nach Frankfurt am Main.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 2226

Das Jahr 1931:
Richard Aretz kehrte nie wieder in seine neue Wahlheimat Argentinien zurück, denn er starb am 16. Januar 1931 um 4 Uhr morgens in Wevelinghoven. Angezeigt wurde der Todesfall von dem Praktischen Arzt Dr. Carlos Heuser, der sein Schwiegersohn war.

StA Grevenbroich, Amt Wevelinghoven, Sterberegister Nr. 3/1931

Wie sehr Richard Aretz in seiner Geburtsstadt geschätzt wurde, lässt sich an den vielen und auch großen Sterbeanzeigen in der Grevenbroicher Zeitung nachvollziehen.

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 8, Seite 3 vom 17. Januar 1931
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 8, Seite 4 vom 17. Januar 1931
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 10, Seite 4 vom 22. Januar 1931

Sein Grab befindet sich heute noch immer auf dem alten evangelischen Friedhof an der Zehntstraße in Wevelinghoven. Dieser Friedhof wurde im Jahr 2006 von den Mitgliedern der evangelischen Gemeinde in einen parkähnlichen Zustand versetzt, nachdem dort seit Anfang der 1990er Jahre niemand mehr beerdigt wurde. Das Grabmal wurde im Sommer 1932 von dem Steinbildhauer Julius Göbel aus Düsseldorf entworfen und errichtet. Die Pläne hierzu können im Stadtarchiv Grevenbroich eingesehen werden.

© Stefan Faßbender – Alter evangelischer Friedhof Wevelinghoven im Januar 2024

Nur wenige Wochen nach seinem Tod wurde endlich die neue Orgel der evangelischen Kirchengemeinde eingeweiht. Es hat also nahezu 17 Jahre von der ersten Spende im Jahr 1914 bis zur Umsetzung im Jahr 1931 gedauert. Die Gründe hierfür dürften sehr vielfältig gewesen sein: 1. Weltkrieg (1914 – 1918), Besetzung des Rheinlandes (1919 – 1926), Hyperinflation (1923) und Weltwirtschaftskrise (ab 1929). Durch diese Krisen gingen die Gelder vermutlich jedes Mal „verloren“.

Die Grevenbroicher Zeitung schrieb hierzu: „Orgelweihe in Wevelinghoven. Wevelinghoven, 25. März. Der lang gehegte Wunsch der evangelischen Gemeinde nach einer neuen Orgel ist nun Wirklichkeit geworden. In hochherziger Weise hat der kürzlich in Wevelinghoven verstorbene Ehrenbürger der Stadt, Herr Richard Aretz, der evang. Kirche eine neue Orgel geschenkt. […].“

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 37, Seite 2 vom 26. März 1931

Die Einweihung erfolgte am Palmsonntag unter freudiger Anteilnahme der ganzen Gemeinde. Wie nachstehender Zeitungsbericht zeigt, wurde Richard Aretz besonders geehrt.

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 41, Seite 2 vom 4. April 1931

„[…] Nach dem Festgottesdienst, in dem auch die Konfirmation der Kinder erfolgte, wurde seitens des Presbyteriums am Grabe des Stifters Herrn Richard Aretz ein Kranz niedergelegt. […] Während derselben wurde auch eine Gedenktafel für den Stifter an der Orgel angebracht. […].“

An der Einweihung der neuen Orgel hat die Familie von Richard Aretz nicht mehr teilgenommen. Dr. Carlos Heuser (Schwiegersohn), Henny Heuser geb. Aretz (Tochter) und Emilia Aretz geb. Fehling (Ehefrau) verließen Deutschland am 24. Februar 1931. Die Reise erfolgte per 1. Klasse auf dem Dampfschiff „Cap Arcona“ von Hamburg über Rio de Janeiro, Santos und Montevideo nach Buenos Aires.

Ob Emilia Aretz geb. Fehling jemals nach Deutschland und insbesondere nach Wevelinghoven zurückkehrte, bleibt zurzeit offen. Sie ist in keiner weiteren Passagierliste nach 1931 zu finden. Ein Sterbeort bzw. -datum konnte bisher nicht – zumindest mit einer Quelle belegbar – recherchiert werden. Mehrere im Internet gefundene Stammbäume weisen zwar den 29. Mai 1954 als Sterbedatum und Buenos Aires als Sterbeort aus, wirken jedoch auf einen erfahrenen Ahnen- und Familienforscher als hätte man von einander abgeschrieben bzw. die Daten einfach kopiert.

Über den Verbleib der übrigen Familienmitglieder konnten jedoch noch folgende Informationen zusammengetragen werden.

Sein Schwiegersohn Dr. Carlos Heuser wurde am 8. Februar 1878 in Buenos Aires geboren. Die UNC Health Sciences Library[1] schreibt über ihn: „1902 promovierte er an der Universidad Nacional de Buenos Aires und erhielt eine Goldmedaille für seine Diplomarbeit Radiologa. Seine Arbeit war die erste in Argentinien zum Thema Radiologie (Röntgenstrahlen wurde erst 1895 entdeckt). Nach seinem Medizinstudium reiste Heuser nach England, Frankreich, Holland und Deutschland, um Krankenhauspraktiken zu beobachten, wobei er sich insbesondere auf die Radiologie konzentrierte. Er war für viele Entwicklungen auf dem Gebiet der Radiologie verantwortlich. 1919 war er der erste, der ein Kontrastmittel (mit Wasser verdünntes Kaliumiodid) in den menschlichen Kreislauf einbrachte, damit es auf einer Röntgenaufnahme sichtbar war. Im Jahr 1921 war er der erste, der Lipidol einsetzte, um eine Röntgenaufnahme der Gebärmutterhöhle anzufertigen, die er zur Diagnose von Frühschwangerschaft und Unfruchtbarkeit verwendete. Er stellte auch eine Schutzmaske für Röntgenexperimente vor. Heuser war Autor mehrerer Bücher und Artikel zum Thema Radiologie. Für seine Leistungen erhielt er 1931 eine Goldmedaille der Radiological Society of North America und war Ehrenmitglied des American College of Radiology.“

Dr. Carlos Heuser


Dr. Carlos Heuser starb am 28. März 1934 im Alter von 56 Jahren in Buenos Aires, wie nachfolgende nach Wevelinghoven gesendete Trauerkarte zeigt.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 2226

Seine Tochter Henny Heuser geb. Aretz besuchte Deutschland zumindest im Jahr 1933 noch einmal. Gemäß der Passagierliste der „S.S. Bremen“ reisten sie und ihr Ehemann am 9. September 1933 von Bremen nach New York. Als endgültiges Reiseziel wurde dort wieder Buenos Aires angegeben.

Wann Henny Aretz starb konnte bisher nicht herausgefunden werden. Die letzten beiden Belege zu ihr stammen aus den Jahren 1947 und 1957. Danach reisten sie und ihr neuer Ehemann Bernard Eduard Schleich (*1894 in Wien) jeweils in Brasilien ein. Aufgrund der ausgestellten Einreisepapiere handelte es sich vermutlich lediglich um die Erfassung bei einer Durchreise in einem brasilianischen Hafen. Eine Wohnsitzverlegung konnte nicht recherchiert werden.

Ancestry, Einwanderungskarten 1900 – 1965, Rio de Janeiro, Brasilien

Henny war beim Tod von Carlos Heuser bereits 45 Jahre alt. Hatten sie Kinder oder keine Nachkommen? In ihrer zweiten Ehe wird sie wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen haben. Da bisher keine weiteren Nachkommen ermittelt werden konnten, endet die Geschichte der Familie von Richard Aretz „vorläufig“ mit ihr.

Neben der Orgel dürfte das heute noch auf der Oberstraße stehende Haus als Zeugnis vom Wirken des Richard Aretz in Wevelinghoven dienen. Obwohl Richard Aretz in Buenos Aires lebte, hatte er wohl bis zu seinem Tod noch einen „Zweitwohnsitz“ in Wevelinghoven, wie das Wevelinghovener Adressbuch zeigt. Da keine Unterlagen über Änderungen der Hausnummern gefunden wurden, ist zunächst davon auszugehen, dass es sich um das richtige Haus handelt.

© Jürgen Larisch – Ein Teilausschnitt des Hauses in den 1940er Jahren
© Stefan Faßbender – Das vermutliche Wohnhaus von Richard Aretz im Jahr 2024

Ein herzliches Dankeschön an Jürgen Larisch für das historische Foto der Oberstraße in Wevelinghoven.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

[1] https://hsl.lib.unc.edu/specialcollections/bios/heuser, Abruf am 1. Februar 2024

Flüchtender Einbrecher schießt auf seine Verfolger

Krimidrama in Bedburdyck, Gierath, Hahnerhof und Stessen aus dem Jahr 1933

 „Flüchtender Einbrecher schießt auf seine Verfolger – Nach aufregender Jagd gestellt – Weil er Ladehemmung hatte – In einer Nacht fünf Einbrüche begangen – Ins Untersuchungsgefängnis überführt – Grevenbroich, den 26. April.“

So beginnt die Schlagzeile zu einem Kriminalfall aus dem Jahr 1933. Über die Geschehnisse von damals wurde in der Neusser Zeitung in der Ausgabe vom 26. April ausführlich berichtet. Es folgt der Zeitungsbericht von damals, der weitestgehend für sich spricht und heute schon fast als Vorlage für eine „Tatort“-Folge im Fernsehen dienen könnte:

„Nach aufregender Jagd wurde am Montagmittag ein Verbrecher festgenommen, der in Bedburdyck und Gierath in der vorhergegangenen Nacht fünf Einbrüche verübt hatte. Auf der Flucht vor seinen Verfolgern beschoß er diese aus einer schweren Pistole, ohne aber glücklicherweise jemand zu verletzen.”

Wir erfahren dazu folgende Einzelheiten. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde in Bedburdyck und Gierath an fünf Stellen eingebrochen, und zwar in das Pastorat und eine Wirtschaft in Bedburdyck und in das Pastorat und in eine Wirtschaft und in ein Kolonialwarengeschäft in Gierath. In welcher Reihenfolge der Täter diese Einbrüche verübt hat, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. Jedenfalls wurde man zuerst beim Pastorat in Bedburdyck auf den Einbrecher aufmerksam.“

Pfarrhaus Bedburdyck um 1930[1]

 „Als der Pastor in der Nacht durch verdächtige Geräusche geweckt wurde, verständigte er sofort telephonisch den Bürgermeister von Bedburdyck. Dieser begab sich eilends zum Pastorat. Unterwegs an der Kirchentreppe bemerkte er eine dunkle Gestalt, die bei seinem Nahen die Flucht ergriff. Er rief mehrmals Halt und schoß, als die Gestalt keine Anstalten machte, stehen zu bleiben, in die Fluchtrichtung. Kurze Zeit darauf hörte er Rascheln in einer Hecke und schoß noch einmal. Die Schüsse müssen in der Dunkelheit aber fehlgegangen sein. Einige Anwohner sagten dann später aus, sie hätten drei Gestalten vorüberlaufen sehen. Im Pastorat stellte man fest, daß der Einbruch mißlungen war. Der oder die Täter hatten, als sie hörten, daß der Pastor erwacht war, von ihrem Vorhaben abgelassen und sind dann auf der Flucht vom Bürgermeister überrascht worden. Die Suche nach den Tätern – man nahm anfangs an, daß es sich um zwei Einbrecher handelte – führte in der Nacht zu keinem Ergebnis.”

Im Heustall überrascht
Am Montagmittag nun, gegen zwei Uhr, beobachtete ein Kind in dem Heustall der Gärtnerei S. in Stenen [Stessen] einen schlafenden, anscheinend betrunkenen Mann. Es benachrichtigte hiervon seine Angehörigen, die sogleich in den Heustall stiegen und den Mann herausholten. Da ihnen der Unbekannte irgendwie verdächtig vorkam, forderten sie ihn auf, mit zur Polizei zu gehen.”

Als man etwa zwanzig Schritte gegangen war, griff der Mann plötzlich in seine Tasche, riß eine Pistole heraus und rief: Hände hoch!
Er gab dann auch sogleich Schüsse ab und nur dem Umstand, daß die Männer sich sofort zu Boden warfen, haben sie es zu verdanken, daß sie nicht getroffen wurden. Auf den Lärm hin eilten nun sofort zahlreiche Leute herbei und nahmen mit den beiden Männern die Verfolgung des Burschen auf.”

Fortwährend gab dieser Schüsse aus seiner Pistole ab und wäre wahrscheinlich entkommen, wenn er nicht kurz hinter dem Hahner Hof eine Ladehemmung bekommen hätte. Die Verfolger, die vorher wegen des dauernden Schießens nicht recht an ihn herankommen konnten, hatten nun leichtes Spiel und stellten ihn. Nachdem sie zunächst ihrer Wut Luft gemacht und dem Burschen eine Tracht Prügel verabreicht hatten, brachten sie ihn nach Bedburdyck. Gegen drei Uhr wurde er von etwa zweihundert Leuten in die Polizeiverwaltung eingeliefert.”

Karte zur Orientierung: Einbrüche in Gierath und Bedburdyck, der Heustall in Stessen und Verhaftung hinter dem Hahnerhof[2]

 „Das Verhör
Man begann hier sofort mit dem Verhör, in dessen Verlauf es sich als sicher herausstellte, daß die fünf Einbrüche auf das Konto des Festgenommenen kommen. Eine ganze Reihe Indizien sprachen dafür. Man fand nicht nur 250 Zigaretten bei ihm, die aus dem Geschäft in Gierath gestohlen worden waren, sondern auch eine Frankfurter Zeitung, deren abgerissene Ecken man am Pastorat gefunden hatte. Die abgebrochene Spitze eines Messers, das er bei sich trug, steckte im Fensterrahmen des Pastorats. Er gab denn auch schließlich zu, die Einbrüche begangen zu haben. Er heiße Paul Wagner, sei 1901 geboren und stammt aus Köln. Papiere führte er nicht bei sich, so daß die Angaben nicht sofort auf ihre Richtigkeit hin nachgeprüft werden konnten. Wahrscheinlich wird man ihnen aber mit Vorsicht begegnen müssen. Bei der Schußwaffe, die man bei ihm fand, handelt es sich um eine 7,65-Dreise-Pistole. Nach dem Verhör wurde der Einbrecher nach Grevenbroich gebracht und dem vernehmenden Richter vorgeführt. Am Dienstagnachmittag wurde er in das Untersuchungsgefängnis in Gladbach-Rheydt eingeliefert.“

Eine Dreyse-Pistole 1907, Kaliber 7,65mm – ein Stapelmagazin nahm 7 Patronen auf. [3]

Die erwähnte 7,65-Dreise-Pistole war eine automatische Pistole, die nach der Entwicklerfirma benannt im sächsischen Sömmerda entwickelt worden war. Ursprünglich von Johann Nikolaus von Dreyse (1787–1867) gegründet, wurde die Firma Dreyse 1901 an Rheinmetall verkauft. Der thüringische Ingenieur Heinrich Ehrhardt (1840–1928), der vorher u. a. bei Dreyse gearbeitet hatte, leitete den Bau des Rheinmetall-Werks in Düsseldorf und führte dieses bis 1920.[4]

Schließlich wird noch berichtet, dass der gefasste Einbrecher von rund 200 Leuten zur Polizei gebracht wurde. Bedenkt man, dass Bedburdyck im Jahr 1932 eine Einwohnerzahl von 592 Personen und Stessen 401 Personen umfasste[5], so war rund ein Fünftel der Bevölkerung der beiden Dörfer auf den Beinen.

Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

 

[1] Sammlung Michael Salmann
[2] https://www.bezreg-koeln.nrw.de/geobasis-nrw/tim-online (24.2.2024, 23.50 Uhr)
[3] Dreyse M1907 pistol with Prestoff Holster, https://de.wikipedia.org/wiki/Dreyse_Modell_1907 (24.2.2024, 23.17 Uhr)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinmetall (24.2.2024, 22.56 Uhr)
[5] Einwohneradressbuch für den Kreis Grevenbroich-Neuß, 1932

Schloß Dyck 1945 – Ein Schloß wird zum Kunstschutz-Depot

Kunstschätze aus den Central Collections Points in München und Marburg sowie weiteren Depots werden ins Rheinland gebracht.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges brachte ein Ende der Kämpfe und auch ein Ende der Luftangriffe, aber auch die Frage, wie es weitergehen würde. Kam der Ehemann, Bruder oder Vater zurück? Wie sollte es weitergehen? Wie kam man an das Lebensnotwendige? Das Überleben stand an erster Stelle. Doch auch andere Dinge mussten organisiert werden.

Die englische Militärregierung beispielsweise hatte in Schloß Dyck in der Zeit von 1945 bis etwa 1950 Kunstschätze gelagert. Ob sich darunter ein Rubens oder vielleicht sogar ein echter Rembrandt befanden, versuchte der damalige Jüchener Archivar Thomas Wolf 2001 zu ermitteln. Dies konnte allerdings nicht eindeutig nachgewiesen werden, weil die Listen des Kunstdepots nicht auffindbar waren. Fest stand jedoch, dass im Kunstdepot Millionenwerte untergebracht waren. Warum die Wahl auf Schloss Dyck fiel, kann nur vermutet werden. Wahrscheinlich spielte sowohl die zentrale Lage zwischen den Städten Mönchengladbach, Köln und Düsseldorf als auch die Unversehrtheit des Schlosses eine Rolle. Außer dem Südwestflügel, der durch eine Bombe und einen Blindgänger bei einem Angriff am 20. Mai 1943 erheblichen Schaden genommen hatte, war das übrige Schloss im Krieg kaum beschädigt worden. In den Großstädten sah die Lage anders aus.

Die Rückführungen der Kulturgüter nach Kriegsende waren ein komplexer Prozess, der mehrere Jahre andauerte. Grund dafür waren zum einen die teils zerstörten oder stark beschädigten Museen und Privathäuser, welche vor der Auslagerung Objekte beherbergten, zum anderen bürokratische Hürden.[1]

Schon mit den Invasionsplänen von 1943 war die Suche nach Kunstwerken und deren Sicherung durch die amerikanischen Truppen vorbereitet worden. Die Amerikaner hatten sogar innerhalb des Hauptquartiers der alliierten Invasionstruppen eine Abteilung für den Kulturgüterschutz eingerichtet. Die Abteilung MFAA (Monuments, Fine Arts and Archives), ein freier Stab von wenigen Offizieren im niederen Rang ohne eine Truppenzugehörigkeit, sollte die Kunstwerke aufspüren und schützen. Da noch keine Sammellager existierten, gaben sie die Kunstwerke zunächst in lokale Sicherung.

Im Herbst 1944 hatten die ersten Offiziere, die der sich langsam von Frankreich nach Osten verschiebenden alliierten Frontlinie folgten, deutschen Boden erreicht. Die amerikanischen Offiziere George Leslie Stout und Walker Hancock erhielten bei ihrem Aufenthalt im kriegszerstörten Aachen Kenntnis von einem großen Kunstgutlager in einem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Siegen. Bei ihrer Besichtigung des Hainer Stollens Anfang April 1945 entdeckten die beiden Offiziere in einem separaten und bewachten Raum fast 600 Gemälde, hunderte Plastiken und weitere Objekte, die durch die vorherrschende hohe Luftfeuchtigkeit schon durch Schimmel angegriffen waren. Zur Sicherung der Kunstwerke beschlossen Stout und Hancock, diese so schnell wie möglich zu evakuieren. Weil ihnen dies jedoch aufgrund des noch anhaltenden Kriegsgeschehens nicht sofort möglich war, setzten sie ihre Inspektionsreise fort.

Nach einer Zwischenstation in Marburg trennten sich ihre Wege. Während Stout nach Süden weiterfuhr, wandte sich Hancock nach Osten und entdeckte am 29. April 1945 in einem Kalibergwerk in Bernterode neben Kunstwerken die preußischen Kronjuwelen, die Militärstandartensammlung sowie die Sarkophage Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelms I., des ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner Frau Gertrud. Um den Bestand nicht als politische Trophäe in die Hände der Sowjetunion fallen zu lassen, in deren Besatzungszone sich das Bergwerk befand, ordnete die amerikanische Militärregierung die sofortige Evakuierung an. Als letzte Maßnahme transferierte man die vier Sarkophage aus dem Bernteroder Depot in der geheimen „Operation Bodysnatch“ in die Marburger Elisabethkirche, während die Militärstandarten als politische Beute nach Amerika gingen.[2]

Im Mai 1945 richtete Walker Hancock in Marburg die erste Kunstsammelstelle der Nachkriegszeit in Deutschland, den Marburg Central Collecting Point, auch Marburg Central Art Collecting Point genannt, ein.

Walker Hancock in den 1960er Jahren[3]

Diese Kunstsammelstelle richtete die US-Militärregierung in der Universitätsstadt Marburg ein, um die vor und während des Zweiten Weltkriegs aus Museen, Bibliotheken, Archiven, Schlössern usw. geraubten oder evakuierten Kunstgüter zusammenzutragen und den rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben. Die Sammelstelle existierte zwischen Mai 1945 und Mitte August 1946.[4]

Transportfahrzeuge der alliierten Truppen im Innenhof des Staatsarchivs Marburg.

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Bereits am 9. Mai 1945 kamen die ersten Objekte aus dem Depot Bernterode in Marburg an und der Central Collecting Point nahm seine offizielle Tätigkeit auf. Ausschlaggebend für die Wahl der mittelhessischen Universitätsstadt waren mehrere Faktoren: So lag Marburg in der amerikanischen Besatzungszone, verhältnismäßig nah an weiteren mittlerweile bekannten Depots im mitteldeutschen Raum und wies nur geringe Kriegsschäden auf. Schon im April 1945 hatte Hancock zudem auf seiner Inspektionstour durch Hessen und Thüringen in der Stadt drei für diese Zwecke geeignete Gebäude registriert: Das Gebäude der Universität, das Marburger Schloss sowie das erst 1938 eingeweihte Staatsarchiv. Dort richtete Hancock nach seiner Rückkehr unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation sein Büro ein.[5]

Alliierte Sammelstellen (Rauten) und größere Kulturgüter-Depots der amerikanischen (dunkelgrau), britischen (hellgrau) und französischen (grau) [6]

Wichtigstes Ziel der Amerikaner im Collecting Point war die Restitution (Wiederherstellung von Eigentumsverhältnissen an Kunstwerken) der zusammengetragenen Bestände, bei denen sie vorrangig Raubgut vermuteten. Deshalb kamen Kunstschutz-Vertreter wie der Belgier Raymond Lemaire, die Amerikanerin Edith Standen und die Französin Rose Valland nach Marburg und sichteten die Kunstwerke auf Verdachtsfälle. Doch im Gegensatz zu den Erwartungen, überall in Deutschland auf geraubte Objekte zu stoßen, traten in Marburg scheinbar nur wenige derartige Objekte zutage. Insgesamt circa 200 Werke, darunter der Schatz der Kathedrale von Metz, gelangten aus verschiedenen Depots nach Marburg und konnten den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden oder wurden zur weiteren Untersuchung nach Wiesbaden verbracht. In Marburg konnte jedoch aufgrund Personal- und Zeitmangels keine aktive Provenienzrecherche betrieben werden, so dass eventuell von Museen oder Privatpersonen während des Nationalsozialismus zu Unrecht erworbene Objekte unentdeckt blieben.

Der größte Teil der über 4.000 Kunstobjekte, mehr als 14.000 Bücher und 17.500 Regalmeter Aktenmaterial stammte wohl aus deutschen Museen, Kirchen, Archiven oder Privatsammlungen, darunter aus verschiedenen Berliner und rheinländischen Kollektionen, wie aus dem Essener Museum Folkwang, der Kunsthalle Düsseldorf usw.

Nachdem sich herauskristallisiert hatte, dass das Staatsarchiv nicht die notwendige Kapazität für die Lagerung der noch zu erwartenden Lieferungen besaß und die Separierung der Objekte an verschiedenen Standorten in Hessen (in den Collecting Points in Marburg und Wiesbaden, dem Offenbach Archival Depot und dem Depot Bad Wildungen) aus Sicherheits- und Personalgründen nicht ratsam schien, entschieden sich die für Hessen zuständigen Offiziere für eine Zusammenlegung der Kunstsammelstellen in Wiesbaden. Ab dem Frühjahr 1946 transferierte man daher Objekte aus Marburg in das Museum Wiesbaden, in welchem die US-Militärregierung unter dem Kunstschutz-Offizier Walter Farmer eine weitere Kunstsammelstelle eingerichtet hatte und welches eine größere Lagerfläche bot. Parallel verbrachte man diejenigen Objekte nach Düsseldorf und in das Schloss Dyck, die die Amerikaner widerrechtlich aus der britischen Besatzungszone evakuiert hatten. Dies betraf vor allem die Objekte aus dem Siegener Erzbergwerk.[7] Kunstwerke, die zunächst nicht in die zerstörten rheinischen Museen in der britischen Besatzungszone zurückkehren konnten, wurden in das von den Briten eingerichtete Kunstdepot auf Schloß Dyck überführt.[8]

Vorher war das rechtsrheinische Siegen für die Amerikaner schnell zu einem ersten Sammellager mit Besichtigungsbetrieb geworden.[9]

Vermauertes Mundloch des Hainer Stollens in Siegen[10]

Hier hatte das nationalsozialistische Regime im Osthang des Siegbergs, einen jahrhundertealten, später ausgebauten Eisenerzstollen von 1944 bis 1945 dafür benutzt, um wichtige Kunstschätze, unter anderem aus rheinischen Kirchen und Museen vor Kriegseinwirkungen zu schützen.[11] Eine Kunstausstellung für die amerikanischen Soldaten wurde im Stollen eingerichtet, wie Filmaufnahmen der amerikanischen Wochenschau belegen.

Ein US-Soldat mit der Krone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. In seiner rechten Hand: Das Reichszepter. In der Linken: Der Reichsapfel. Zwischen seinen Oberschenkeln hält der junge Offizier auch noch das Schwert des Kaisers, dessen prächtiger goldener Griff ihm bis zum Brustkorb ragt. [12]

Aus Siegen erfolgte am 26. Mai 1945 beispielsweise die Rückführung des Aachener Domschatzes, zu dem auch der Karlsschrein mit den Gebeinen Karls des Großen gehörte[13], nach Aachen. Eingelagerte Gemälde und andere Bestände gelangten dann Anfang Juni in die Zentrale Sammelstelle in Marburg.[14]

Mitarbeiter beim Verladen der Kunstwerke aus dem Depot Siegen.
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Auch auf Schloss Homburg gab es ein Depot. Reste von hier gelagerten rheinischen Kunstschätzen wurden im Sommer/Herbst 1945 von den Engländern zur weiteren Rückführung nach Schloss Dyck gebracht.[15] Auch aus dem Central Collection Point München kamen Werke nach Dyck.[16] So befanden sich darunter auch Werke von Lucas Cranach d. Ä. und dem flämischen Maler Jan van Eyck.

Liste von Kunstwerken, die von München nach Schloß Dyck geschickt wurden[17]

Ebenfalls sollen Kunstschätze auch aus den Schlössern Canstein, Alme, Rheydt und Adolfsburg nach Dyck gebracht worden sein.[18] Ein Kunstwerk, welches zeitweise auf Schloß Dyck gelagert wurde, ist die über 1000 Jahre alte „Goldene Madonna“ aus dem Essener Domschatz die aus dem ehemaligen Erzbergwerk bei Siegen über Marburg hierhin kam.[19] Auch Kunstschätze aus Kölner Museen sollen hier temporär gelagert worden sein.[20]

Ein weiteres Depot hatte sich in Warstein befunden. So berichtete Carl Wilkes[21] am 20. Oktober 1945 an Theodor Wildeman[22]: „In der vergangenen Woche habe ich auf Weisung der [britischen] Militärregierung die mir anvertrauten Bergungsgüter restlos aus Warstein nach Schloss Dyck verbracht.“ Das Bergungsgut galt nicht als beschlagnahmt, sondern unterstand lediglich der Aufsicht der Besatzungsbehörde. Diese war grundsätzlich damit einverstanden, die verschiedenen geborgenen Gegenstände ihren Eigentümern (Kirchen, Städten und Privateigentümern) zurückzugeben, sofern eine sachgemäße Unterbringung der Gegenstände gewährleistet war. Konnte für eine solche nicht gesorgt werden, so sollten die Kunstgegenstände unter sachgemäßer Aufsicht und Pflege in einem der Sammeldepots (Schloss Dyck, Schloss Hugenpoet [bei Essen]) untergebracht und vorläufig für den Eigentümer aufbewahrt werden.[23]

Neben den Amerikanern und Franzosen hatten auch die Briten für ihre Besatzungszone ein zentrales Kunstgutlager eingerichtet. Dieses wurde durch Erlass der britischen Militärregierung als Zonal Fine Arts Repository am 28. August 1945 in Celle gegründet. Das Kunstgutlager Schloss Celle war von 1945 bis 1958 das zentrale Kunstgutlager in der britischen Besatzungszone. Hierher gelangten alle auf dem Gebiet der britischen Besatzungszone in den Grenzen der Demarkationslinie vom 30. Juni 1945 beschlagnahmten verschleppten Kunstgegenstände. Am 29. November 1949 übernahm das Land Niedersachsen die Verantwortung für das Kunstgutlager. Neben dem Central Collection Point für die britische Zone in Celle wurden unter anderem in Düsseldorf und auf Schloß Dyck Kunstgüter-Depots eingerichtet. Neben Beständen aus Berlin und Mecklenburg-Schwerin beherbergte Schloss Celle zudem eine kleine Restitutionsabteilung, aus der insgesamt 112 Gemälde an deren ursprüngliche Eigentümer zurückgegeben wurden. In Celle spielte Restitution jedoch im Gegensatz zu Schloss Dyck, das vorwiegend für die Unterbringung von Raubkunst bestimmt worden war, eine eher untergeordnete Rolle.[24]

Der Leiter des Sammeldepots auf Schloß Dyck war von 1945 bis 1948 der Kunsthistoriker Karl vom Rath[25] Vom Rath hatte Kunstgeschichte, Germanistik, Philosophie und Psychologie in Köln, Berlin und Bonn studiert, 1938 folgte die Promotion. 1941/42 erhielt er ein Stipendium am Deutschen Kunsthistorischen Institut in Florenz. 1942 war er Assistent am Deutschen Kunsthistorischen Institut in Paris. Nach seiner Zeit im Depot Dyck arbeitete er als Kulturreferent und Regierungsrat im Kultusministerium von Schleswig-Holstein. Ende September 1950 wurde er von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zum Kulturdezernenten gewählt. Diesen Stadtratsposten hatte er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Magistrat 1970 inne.[26]

Zu den Kunstgütern, die eine Zeit lang auf Schloß Dyck gelagert wurden, gehörte auch der Essener Domschatz. Die zum Domschatz zählende Goldene Madonna wird auf die Zeit um 980 datiert und ist die älteste vollplastische Skulptur nördlich der Alpen und die älteste erhaltene Marienfigur. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Goldene Madonna mit dem übrigen Domschatz zunächst nach Warstein und dann auf die Albrechtsburg in Meißen evakuiert. Von dort war auch sie nach Siegen gebracht worden, wo auch der Kölner Domschatz mit dem Gerokreuz, der Siegburger Kirchenschatz mit dem Annoschrein, dem Schatz der Xantener Stiftskirche und die Kirchenschätze aus Elten und Vreden versteckt worden waren. Bei Kriegsende gelangte alles über Marburg in das Kunstdepot Schloss Dyck. Von Schloß Dyck aus wurden mehrere Ausstellungen wie z.B. 1947 in der Kölner Universität, aber auch im benachbarten Ausland bestückt. Von April bis Juni 1949 war die Goldene Madonna das Glanzstück einer Ausstellung in Brüssel, die danach bis Oktober noch in Amsterdam gezeigt wurde. Im Anschluss kehrte die Skulptur nach Essen zurück, zunächst, bis die kriegszerstörte Schatzkammer der Münsterkirche wieder aufgebaut war, in einen Tresor der Stadtsparkasse. Seitdem hat sie die Stadt nicht mehr verlassen.[27]

Die Goldene Madonna aus dem Essener Domschatz[28]

Nach dem Krieg wurde auch der Kunsthändler Adolf Wüster (1888-1973), der schon vor dem ersten Weltkrieg begonnen hatte, ein französisch-deutsches Kunsthandelsnetzwerk aufzubauen[29], über den Verbleib von Kunstwerken befragt. Er berichtete aus seiner Erinnerung über Kunstwerke, die er insbesondere während seines langjährigen Aufenthalts erworben und die über das Museum Düsseldorf nach Schloß Dyck gebracht worden sein sollen.[30]

Liste von Adolf Wüster über auf Schloß Dyck gelagerte Kunstgegenstände[31]

Darunter soll sich ein Landschaftsbild von Sisley, ein Seebild von E. Boudin, eine Landschaft mit einem Jungen von Courbet, ein Bild mit zwei jungen Mädchen von Roeslein, ein Pastell von Degas, ein Gemälde eines jungen Mädchens mit Handarbeit von Liotard in Pastell, ein Pastell von zwei Schwestern von Renoir, ein Blumenbildnis von de Heem, ein Landschaftsgemälde von Everdingen und ein musizierendes Mädchen von Kraus befunden haben.[32]

Von den Kunstwerken, die sich darüber hinaus auf Schloß Dyck befunden haben sollen, konnten einzelne Werke identifiziert werden. Dazu gehörte ein Portrait einer stickenden Frau in Pastell mit einer Größe von 65cm x 50cm des Malers Liotard, welches unter anderem mit der Nummer Dyck 435 versehen war.

Portrait einer stickenden Frau in Pastell des Malers Liotard[33]

 Das Bild wurde von den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf für 500.000 Franc oder 25.000 Reichsmark erworben. Anfang Oktober 1949 wurde es von Düsseldorf nach Frankreich zurückgebracht. Heute befindet sich das Bild im Louvre in Paris. Ein weiteres Gemälde eines unbekannten Malers mit der Darstellung einer Vase mit Blumen auf einem Sockel trägt auf der Rückseite ein Etikett mit der Aufschrift in Tinte: „A. de Wüster“. Dieses Gemälde wurde ebenfalls auf Schloss Dyck gelagert und dort unter der Nummer 983 registriert. Am 5. Oktober 1950 wurde es mit der fünften Lieferung von Düsseldorf nach Frankreich in die Zentrale der künstlerischen Bergungskommission zurückgeführt. 1951 wurde es der Abteilung für Gemälde im Louvre zugeführt und kam 1957 ins Museum für Kunst und Archäologie des Périgord in Périgueux. [34] 

Vase mit Blumen auf einem Sockel – unbekannter Maler[35]

Ein anderes Gemälde, welches Thomas Couture (1815-1879) zugeordnet wird, wurde am 13. Februar 1941 für das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Wuppertal-Elberfeld bei Victor Aubry in Paris für 50.000 Franc erworben.  

Vase mit Pfingstrosen – von Thomas Couture[36]

Das Gemälde wurde während des deutschen Zusammenbruchs nach Schloss Dyck und im Mai 1945 in den Central Collecting Point Wiesbaden transportiert. Im August 1948 wurde es nach Frankreich zurückgeführt. 1950 der Gemäldeabteilung des Louvre-Museums zugeschrieben, wurde das Gemälde 1953 im Museum von Montauban deponiert und schließlich 1986 an das Musée d’Orsay in Paris überstellt.[37] 

Zeichnung eines Frauenkopfes – Adolph Menzel[38]

Die Zeichnung eines Frauenkopfes von Adolph Menzel erscheint auf der “Liste der in Frankreich von den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf erworbenen Kunstwerke” mit dem Vermerk: “Verkauft für einen Wert von 20.000 Francs von Renand”. Die Zeichnung wurde vermutlich nach 1941 von der Spedition Schenker aus Paris an das Düsseldorfer Museum geschickt. Am 22. September 1948 wurde es aus Düsseldorf von der Spedition Schenker nach Frankreich zurückgebracht und war Teil einer Serie von Zeichnungen, die mit der Bezeichnung “Schloss Dyck” (Château de Dyck, Central Collecting Point de Düsseldorf) gekennzeichnet war. 1951 wurde es dem Louvre-Museum, Kabinett der Zeichnungen, zugewiesen und 1986 in die Obhut des Musée d’ Orsay gegeben.[39] 

Adriaen van de Venne, Selbstportrait, ca. 1615-1618[40]

Welche kuriosen Wege Kunstwerke zurücklegten, wird am Beispiel des Selbstportraits von Adriaen van de Venne deutlich. Besitzer des Selbstportraits waren unter anderem Leopold II., König von Belgien bis 1909, die Galerie Franz Kleinberger in Paris ab 1910, die das Bild für 3.000 Franc an Adolphe Schloß verkaufte. Das Bild ging weiter an die Ehefrau von Adolphe Schloß und ihre Kinder. Vom 19. bis 20. August 1938 wurde das Bild nach Château de Chambon verlegt, wo es von der SS und der französischen Gestapo beschlagnahmt und am 16. April 1943 von den französischen Vichy-Behörden übernommen wurde. Nach verschiedenen Transporten durch Frankreich gelangte das Bild schließlich am 2. Dezember 1943 in den Führerbau München. Aus dem Führerbau wurde das Werk von Unbekannten gestohlen. Vom 29. bis 30. April 1945 wurde es im Alten Botanischen Garten in München versteckt. Etwa 1945-1946 wurde das Gemälde von Ulrich Toepser entdeckt und nach Barntrup in Nordrhein-Westfalen verlegt. Von britischen Beamten wurde es am 27. Dezember 1946 nach Schloss Dyck bei Bedburdyck gebracht. Am 14. August 1947 wurde es an den Central Collecting Point in München übergeben und am 21. Januar 1948 an die Schloß-Erben übertragen. 1951 wurde es in Paris für 340.000 Franc an die Galerie Hoogendijk in Amsterdam versteigert, ging nach 1952 in eine Privatsammlung in die USA, war danach von 2010 bis 2021 in einer anderen Privatsammlung in den USA und wurde schließlich mit Unterstützung der VriendenLoterij der Rembrandt Association und Herrn H.B. van der Ven erworben.[41] Heute befindet sich das Kunstwerk im Kunstmuseum Mauritshuis in Den Haag.

Zahlreiche vormals auf Schloss Dyck deponierte Kunstgüter sind auf der Seite „https://www.pop.culture.gouv.fr/“ des französischen Kultusministeriums dokumentiert.

Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

[1] Heyer/de Peyronnet-Dryden, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz, 2022, S. 449
[2] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Munich_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 9.58 Uhr)
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Walker_Hancock (21.1.2024, 19.09 Uhr)
[4] https://www.wikiwand.com/de/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.00 Uhr)
[5] https://www.wikiwand.com/de/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.00 Uhr)
[6] Heyer/de Peyronnet-Dryden, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz, 2022, S. 531
[7] https://www.wikiwand.com/de/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.00 Uhr)
[8] Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland: Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, S. 463, Verlag Böhlau, Köln, 2020
[9] https://www.wikiwand.com/de/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.00 Uhr)
[10] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.45 Uhr)
[11] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Siegen_Hainer-Huette_Stollenmundloch_1.jpg#mw-jump-to-license (12.3.2023, 00.49 Uhr)
[12] https://www.karl-heupel.de/dokuwiki/lib/exe/fetch.php?cache=&media=grubenlampen:karbidlampen:schweisfurth:hainer_stolln:hainer_stolln_us_soldat.jpg (21.1.2024, 19.38 Uhr)
[13] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Siegen_Hainer-Huette_Stollenmundloch_1.jpg#mw-jump-to-license (12.3.2023, 00.49 Uhr)
[14] https://www.wikiwand.com/de/Marburg_Central_Collecting_Point (12.3.2023, 00.00 Uhr)
[15] Kulturgutschutz in Europa und im Rheinland: Franziskus Graf Wolff Metternich und der Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, S. 445, Verlag Böhlau, Köln, 2020
[16] https://www.archivportal-d.de/item/W4JO3C7PA277GAZBXQGFDL6ETM7UDDEW (9.8.2022, 21.14 Uhr)
[17] Bundesarchiv, B 323-542-0021
[18] Heyer/de Peyronnet-Dryden, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz, 2022
[19] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Goldene_Madonna (9.8.2022, 21.24 Uhr)
[20] https://rp-online.de/nrw/staedte/neuss/den-schloss-geheimnissen-auf-der-spur_aid-18415907 (29.4.2023, 16.12 Uhr)
[21] Dt. Archivar (* 21. April 1895 in Nickenich; † 2. November 1954 in Düsseldorf); https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Wilkes (21.1.2024, 15 Uhr)
[22] Dt. Architekt, deutscher Baubeamter und Denkmalpfleger (* 17. Oktober 1885 in Bonn; † 25. Juni 1962 ebd.); während der letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs, als der Provinzialkonservator Franz Graf Wolff-Metternich Kriegsdienst in Frankreich leistete, organisierte Wildeman den Schutz der rheinischen Kulturdenkmäler und die sichere Einlagerung des beweglichen Kulturguts; https://de.m.wikipedia.org/wiki/Theodor_Wildeman (21.1.2024, 14.50 Uhr)
[23] Heyer/de Peyronnet-Dryden, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz, 2022, S. 449
[24] https://www.academia.edu/38406532/Neue_Forschungen_zum_Kunstgutlager_Schloss_Celle_pdf (21.1.2024, 21.56 Uhr)
[25] Heyer/de Peyronnet-Dryden, „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ Ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz, 2022
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_vom_Rath (21.1.2024, 20.50 Uhr)
[27] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Goldene_Madonna (12.3.2023, 10.06 Uhr)
[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Madonna (21.1.2024, 20.58 Uhr)
[29] Anna-Jo Weier (29/11/2021) – WÜSTER Adolf (DE) – http://agorha.inha.fr/detail/168; https://agorha.inha.fr/detail/168 (12.3.2023, 18.04 Uhr)
[30] www.fold3.com/image/269948027 (12.3.2023, 11.35 Uhr)
[31] https://www.fold3.com/image/269947720 (12.3.2023, 11.34 Uhr)
[32] www.fold3.com/image/269948027 (12.3.2023, 11.35 Uhr)
[33] Sammlung Rose Valland (MNR-Jeu de Paume), Referenz REC00128, https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/REC00128?mainSearch=%22Schlo%C3%9F%20Dyck%22&last_view=%22list%22&idQuery=%223fb771-e725-f688-2e61-d403f18575e%22 (11.3.2023, 14.16 Uhr)
[34] https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/MNR00737 (12.3.2023, 17.20 Uhr)
[35] https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/MNR00737 (12.3.2023, 17.20 Uhr)
[36] https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Fichier:Mus%C3%A9e_Ingres-Bourdelle_-_Vase_de_pivoines_-_Thomas_Couture_MID_53-2-1_-_JocondeMNR00175.jpg (11.3.2023, 18.39 Uhr)
[37] https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/MNR00175 (12.3.2023, 17.06 Uhr)
[38] https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/REC00083?mainSearch=%22Schlo%C3%9F%20Dyck%22&last_view=%22list%22&idQuery=%223fb771-e725-f688-2e61-d403f18575e%22 (11.3.2023, 14.20 Uhr)
[39] https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/mnr/REC00083?mainSearch=%22Schlo%C3%9F%20Dyck%22&last_view=%22list%22&idQuery=%223fb771-e725-f688-2e61-d403f18575e%22 (11.3.2023, 14.20 Uhr)
[40] https://www.mauritshuis.nl/de/sammlung-entdecken/kollektion/1227-self-portrait-c-1615-1618/ (11.3.2023, 19.26 Uhr)
[41] https://www.mauritshuis.nl/de/sammlung-entdecken/kollektion/1227-self-portrait-c-1615-1618/ (11.3.2023, 19.26 Uhr)

Pater Michael Granderath – ein Bedburdycker war Lehrer von Heinrich Heine?

In der Totenzettelsammlung der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde fand ich zuletzt einen Totenzettel, der einen Verstorbenen betraf, der aus der Pfarre Bedburdyck stammte. Es handelte sich hierbei um Pater Granderath, der offensichtlich den Großteil seines Lebens in Düsseldorf verbrachte.


Totenzettel von Pater Granderath[1]

Nachfolgend ist der Text abgeschrieben: „Jesus, Maria, Joseph, Andreas! „Wohlan! du guter und getreuer Knecht! weil du über weniges treu gewesen bist, so will ich dich über Vieles setzen: gehe ein in die Freude deines Herrn.“ Matth. 25,23

Zu Düsseldorf den 12. April 1842, Morgens 5 Uhr starb nach 7tägigem Krankenlager in Folge eines Schlagflusses, mit den hl. Sakramenten versehen, in Gottes heiligen Willen ergeben, ruhig und sanft der Hochwürdige Pater Granderath, letztes Mitglied des ehemaligen Jesuiten-Collegiums hierselbst und Professor, früher Feiertagsprediger an der Kirche zum hl. Andreas, jetzt in der Andreas-Pfarrkirche Hof-Kapellan.

Er war geboren in der Pfarre Bedburg-Dyck bei Neuß im Jahre 1769, lebte 45 Jahre als Seelsorger in Düsseldorf, und sein priesterliches Wirken war gesegnet für Stadt und Umgegend. Er lebte und wirkte für die Welt: blieb selber aber unberührt von der Welt; bewahrte sich ein kindliches Gemüth und eine schöne Seele, – und war geliebt vor Gott und den Menschen. Unter Düsseldorfs Bewohnern, zunächst bei der Bürger-Sodalität, deren Präses er seit dem Jahre 1834 war, wird sein Andenken im Segen fortleben: seine Seele aber selig sein bei Gott. Darum lasset uns beten!“

Totenzettel dieser Art sind typisch für die Zeit. Dennoch dürften für den Leser einzelne Wörter des Textes Anlass zu Fragen, Ergänzungen oder Korrekturen geben.

Folgt man den Textzeilen von oben nach unten, so stößt man auf die Todesursache, die mit „an den Folgen eine Schlagflusses“ erwähnt wird. In Genwiki, einem Wörterbuch für Genealogen (Ahnenforscher), wird Schlagfluss auch als Stocken der Säfte, Schlaganfall oder Gehirnblutung bezeichnet.[2]

Pater Granderath wird nicht mit Vornamen genannt. Meine Recherchen ergaben aber, dass es sich dabei um Michael Granderath handelt, der am 1. Oktober 1769 als erstes Kind der Eheleute Albert Granderath und Maria Daners in der Pfarrkirche St. Martinus in Bedburdyck getauft wurde. Die Eltern hatten ein Jahr vorher am 4. November 1768 ebenfalls in Bedburdyck geheiratet. Der im Totenzettel angegebene Ort der Heimatpfarre Bedburg-Dyck ist fehlerhaft. Diese fehlerhafte Nennung taucht bis heute immer wieder einmal schriftlich aber auch in der Aussprache auf und führt häufig zur Verwechslung mit der Stadt Bedburg. Wenn auch Bedburg und Bedburdyck beide ihren Namen auf die sehr alte Bezeichnung „bedbur“ zurückzuführen ist, was nach heutigen Forschungsstand als „Bethaus“, Kapelle oder Kirche bedeutet, so schrieb sich der Ort Bedburdyck immer ohne „g“.

Michael Granderath war laut Totenzettel letztes Mitglied des Jesuiten-Kollegs in Düsseldorf. Klöster der Jesuiten wurden als Jesuiten-Kommunität bezeichnet. Ein Kolleg war demnach eine klösterliche Gemeinschaft mit Ausbildungseinrichtung.[3]

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde das westlich an die Kirche anschließende Jesuitenkolleg, das heutige Stadthaus, errichtet.[4]


Blick vom Mühlenplatz. Rechtes Gebäude: ehemaliges Jesuiten-Gymnasium, heute Stadthaus, Mühlenstraße. In der Bildmitte die Andreaskirche[5]

Die Schule war im Jahr 1621 auf den Jesuitenorden übertragen worden und wurde ein Jesuitenkolleg. Der Unterricht war nach den einheitlichen Schulplänen der Jesuiten mit täglich bis zu zwölf Stunden überwiegend kontrolliertem Lernen und Beten gestaltet. Auf ein achtjähriges Grundstudium, ähnlich der heutigen Gymnasialausbildung, folgte ein sechsjähriges Fachstudium, bestehend aus einem zweijährigen Philosophie- und einem vierjährigen Theologiestudium. Die Unterrichtssprache war Latein; auch Theateraufführungen fanden in lateinischer Sprache statt. Weitere Fächer waren Philosophie, Mathematik, Rhetorik, Poesie, Grammatik, Geographie, Arithmetik und Heraldik. Das Griechische wurde in Grundzügen vermittelt.[6]


Mahn- und Gedenkstätte Landeshauptstadt Düsseldorf, Mühlenstraße 29, Düsseldorf-Altstadt, im März 2016 – ehemaliges Jesuitenkolleg[7]

Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurde anstelle der Schließung des Düsseldorfer Jesuitenkollegs dessen Änderung in ein „Kurfürstliches Gymnasium“ beantragt. Die ehemaligen Jesuiten stellten weiterhin das Lehrpersonal; statt des Faches Latein wurde nun Deutsch Pflichtfach in allen Klassen. Dritte Fremdsprache wurde die „Hofsprache“ Französisch.[8]

1814 wurde die Gesellschaft Jesu (Jesuitenorden) von Papst Pius VII. wieder zugelassen.[9] Wo Pater Granderath in den Jesuitenorden eintrat, ist nicht überliefert, allerdings scheint er der letzte Vertreter der ehemaligen jesuitischen Lehrerschaft, des Jesuiten-Kollegiums in Düsseldorf, gewesen zu sein.

Einer der berühmtesten Schüler des Gymnasiums war der spätere Dichter und Schriftsteller Heinrich Heine (1797–1856), der die Schule von 1807 bis 1814 besuchte und vor der Reifeprüfung auf eine Handelsschule wechselte.[10] Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Pater Granderath auch Lehrer von Heinrich Heine gewesen ist.

Bei der „Bürger-Sodalität“ genannten Vereinigung, deren Präses Michael Granderath seit 1834 gewesen war, scheint es sich um die katholische Laienbruderschaft, die Marianische Bürgersodalität der Andreas-Pfarre, gehandelt zu haben.

Nach dem Tode von Pater Granderath beschloss die St.-Andreas-Pfarrgemeinde, ihm und seinen drei Vorgängern auf dem Friedhof in Düsseldorf-Golzheim ein Grabmal zu setzen. Die Finanzierung wurde realisiert durch eine Kunstausstellung in der Kunstakademie, an der sich viele Düsseldorfer Maler beteiligten. Die vier letzten Jesuiten hatten ein hohes Ansehen in der katholischen Bevölkerung. Ihre Begräbnisse wurden daher mit großem Aufwand begangen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dort auch die Pfarrer der Andreas-Gemeinde bestattet.[11]

 Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

[1] https://www.wgff-tz.de/details.php?id=217879 (8.2.2024, 19.23 Uhr)
[2] https://wiki.genealogy.net/Schlagflu%C3%9F (16.10.2023, 19.57 Uhr)
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten-Kommunit%C3%A4t (16.10.2023, 20.32 Uhr)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/St._Andreas_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 20.57 Uhr)
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Stadthaus_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 21.05 Uhr); Guntram Fischer: Düsseldorf und seine Rechtsakademie, Triltsch Verlag, Düsseldorf 1983, ISBN 3-7998-0024-7, S. 33
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Stadthaus_(D%C3%BCsseldorf) (29.2.2024, 20.24 Uhr)
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Mahn-_und_Gedenkst%C3%A4tte_D%C3%BCsseldorf (8.2.2024, 19.42 Uhr), Fotograf Kürschner), lizenzfrei
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6rres-Gymnasium_(D%C3%BCsseldorf) (29.2.2024, 20.34 Uhr)
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten (29.2.2024, 20.29 Uhr)
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6rres-Gymnasium_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 20.51 Uhr)
[11] http://www.postmortal.de/Duesseldorf/D-Golzheim/GolzheimPlan/JesuitenGrab/jesuitengrab.html (17.10.2023, 7.04 Uhr)

Der Humorist Josef Göllner

Heute möchte der Geschichtsverein Grevenbroich über eine wahre Showgröße der 1920er Jahre aus Grevenbroich berichten. Die Idee zu diesem Bericht entstand durch den regelmäßigen und wertvollen Austausch über historische Fotos zwischen dem Fotosammler Jürgen Larisch und dem Familien- und Heimatforscher Stefan Faßbender. Es ist erstaunlich, wie oft sich die eigentlich sehr unterschiedlichen Interessensgebiete der beiden Personen überschneiden bzw. ergänzen und gegenseitig Hilfe gegeben werden kann. So gelangte Jürgen Larisch an diverse Autogrammkarten eines Humoristen und Komikers aus Wevelinghoven, ohne etwas über diese Person zu wissen. Nach einem kurzen Austausch konnte Stefan Faßbender mit Hilfe der vereinseigenen Datenbank „Genius“ sehr schnell die Lebensdaten herausfinden, die Autogrammkarten um weitere Informationen ergänzen und der vorliegende Beitrag entstand.

Nun aber zu unserer bisher einzig bekannten Grevenbroicher Showgröße der Vorkriegszeit. Heute würde man einen Humoristen als Unterhaltungskünstler, Kabarettist, Comedian, Komiker etc. bezeichnen.

 Wer war der Humorist Josef Göllner?

© Jürgen Larisch – Vorderseite Autogrammkarte Josef Göllner um 1918

Josef Göllner wurde am 30. Oktober 1886 als unehelicher Sohn des Tagelöhners Franz Johann Göllner (*07.05.1863 in Schmechten, heute ein Stadtteil von Brakel im Kreis Höxter, †26.06.1919 in Wevelinghoven) und der Dienstmagd Anna Maria Cremer (*23.02.1865 in Allrath, †28.05.1935 in Wevelinghoven) in Vanikum bei Rommerskirchen geboren. Erst durch Heirat seiner Eltern am 6. Mai 1887 wurde er legitimiert (Eintritt eines unehelichen Kindes in die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes).

StA Rommerskirchen, Geburtsregister Rommerskirchen, Nr. 57/1886

Für die Zeit bis Ende 1925 sind leider zurzeit keine Belege zu seiner Tätigkeit als Künstler und Humorist zu finden. Allerdings muss er bereits zur Zeit des 1. Weltkrieges als solcher unterwegs gewesen sein, wie die Rückseite der oben dargestellten Autogrammkarte zeigt. Ob er als Soldat oder zur „Truppenbelustigung“ an der Front war, konnte bisher nicht herausgefunden werden.

© Jürgen Larisch – Rückseite Autogrammkarte Josef Göllner um 1918

„Zum Anden[ken] an unsere Propeller Satire (Kino) dein Kamerad Jos. Göllner. Im Lazarett 26/9.18.“

Für die Zeit zwischen 1925 und 1939 konnten unzählige Zeitungsartikel und -anzeigen über Veranstaltungen von ihm gefunden werden, von denen nachfolgend einige dargestellt werden. Er muss im gesamten Rheinland aufgetreten sein, da Artikel und Anzeigen z. B. in Mönchengladbach, Bedburg, Königshoven, Grevenbroich, im Bergischen Land und in Opladen gefunden wurden.

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 148, Seite 2 vom 15.12.1925

„- Gastspiel. Das am vergangenen Sonntag in der Restauration Winand Breuer veranstaltete Gastspiel des rheinischen Humoristen Jos. Göllner war gut besucht. Die meist neuzeitlichen Darbietungen fanden ungeteilten Beifall. […] Kurz, den Besuchern war es vergönnt, die Alltagssorgen für einige Stunden zu vergessen.“

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 13, Seite 4 vom 30.01.1926
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 28, Seite 7 vom 06.03.1926
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 118, Seite 3 vom 02.10.1926

Der in der Anzeige genannte Begriff „Typendarsteller“ deutet auf einen Imitator hin.

Der Erft-Bote, Nr. 39, Seite 4 vom 02.04.1927
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 13, Seite 2 vom 31.01.1928

„[…] Büttenreden und humoristische Vorträge, die von dem bekannten, ausgezeichneten rheinischen Humoristen Göllner aus Wevelinghoven in glänzender Weise gehalten und durch hervorragende Mimik gewürzt wurden, […]“

Der Erft-Bote, Nr. 23, Seite 4 vom 22.02.1930
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 65, Seite 12 vom 31.05.1930
Opladener Zeitung, Nr. 208, Seite 4 vom 06.09.1930
Der Erft-Bote, Nr. 106, Seite 12 vom 05.09.1931
Grevenbroicher Zeitung, Nr. 10, Seite 2 vom 22.01.1931

„[…] Und dann kam die Kanone. Herr Humorist Göllner, ebenfalls ein Kind unserer Stadt, wartete in bunter Folge, mit Charaktervorträgen auf. Unermüdlich und mit seltener Begabung, verstand er es meisterhaft, immer wieder auf die Lachmuskeln seiner Zuhörer, unerhört einzuwirken und selbst den allergrößten Pessimisten zu stärkstem Applaus anzuregen. […]

Grevenbroicher Zeitung, Nr. 12, Seite 2 vom 27.01.1931

„[…] wurde Josef Göllner der Auftrag gegeben, mit seinen Scherzen und Couplets (= Ein Couplet ist ein mehrstrophiges witzig-zweideutiges, politisches oder satirisches Lied mit markantem Refrain) die Festversammlung zu erfreuen und zu unterhalten. Josef Göllner, ein Humorist von Format, verstand es auch glänzend, sich die Herzen der dankbaren Zuhörerschar im Sturme zu erorbern. Immer aufs neue entfesselte er wahre Lachstürme, wenn er, begabt mit ausdrucksvollstem Mienenspiel, seine „Sachen“ zum Vortrag brachte. […]“

Der letzte gefundene Zeitungsartikel stammt aus dem Februar 1939 über einen Kameradschaftsabend in Kirdorf-Blerichen. Leider sind über die Zeit des Zweiten Weltkriegs keine Informationen zu finden. „[…] Im zweiten Teile des Abends kamen Humor und Frohsinn so recht zur Geltung. Ganz besonders trugen hierzu der Berufshumorist Josef Göllner und sein Begleiter am Klavier, Pet. Fabry, bei.“ […]“

Der Erft-Bote, Nr. 42, Seite 3 vom 28.02.1939

Der Humorist Josef Göllner starb am 24. Februar 1958 um 6.45 Uhr im alter von 71 Jahren im Krankenhaus von Wevelinghoven. Er war nicht verheiratet und hinterließ vermutlich auch keine Kinder. Allerdings gibt es Hinweise auf Geschwister von Josef Göllner, die ebenfalls in Wevelinghoven ansässig waren.

StA Grevenbroich, Sterberegister Wevelinghoven, Nr. 14/1958

Jürgen Larisch und Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

Ein Brief von Rudolf Heß an eine unverheiratete Mutter

In den Akten des Bestandes Wevelinghoven wurde von Cornelia Schulte, Mitarbeiterin im Stadtarchiv Grevenbroich, nachfolgender Brief gefunden. Da dieser Brief weder den Namen der Mutter trägt noch handschriftlich von Heß unterschrieben wurde, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Musterbrief an alle unverheirateten Mütter handelt, deren Verlobte im Krieg gefallen waren. Dieser Musterbrief muss bereits aus der Zeit vor 1941 stammen, da Rudolf Heß am 10. Mai 1941 nach einem bis heute nicht eindeutig begründbaren Flug nach Großbritannien dort gefangen genommen wurde.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1770
© Stadtarchiv Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1770

Der Brief zeigt in perfider Weise wie gedanklich mit dem Gut „Menschen“ während der NS-Zeit umgegangen wurde. Der Geschichtsverein Grevenbroich möchte daher in diesem Kurzbeitrag, das eheliche Instrument der nachträglichen Ehe (auch Leichen- bzw. Totentrauung genannt) darstellen. Die Ferntrauung, die Totenscheidung oder der Umgang mit Personen in Mischehen (Arier/Juden) werden hierbei absichtlich außen vorgelassen, da dies den Rahmen dieses Artikels „sprengen“ würde.

Da die Ferntrauung (Ehemann war zum Zeitpunkt der Eheschließung im Felde) nicht die Fälle abdeckte, in denen die Soldaten nicht mehr zur Niederschrift ihres Willens vor dem Bataillonskommandeur erscheinen konnten, da sie bereits gefallen waren, fehlte ein rechtliches Instrument, auch diejenigen Frauen sozial abzusichern und uneheliche Kinder zu legitimieren, deren Männer bzw. Väter als „Helden des Vaterlandes“ an der Front umgekommen waren.

Anfangs wurden Anträge zur Genehmigung einer nachträglichen und auch wirksamen Eheschließung unmittelbar und direkt von Adolf Hitler begutachtet und wohl als „Gnadenakt“ genehmigt. Da die Zahl der gefallenen Soldaten im Laufe des Krieges immer mehr zunahm, war dies durch Einzelfallregelungen nicht mehr zu bewältigen. Schätzungen gehen von ca. 25.000 Anträgen aus, die an das Reichsministerium des Innern gerichtet wurden. (1)

Aus diesem Grund unterschrieben Adolf Hitler, Hans Heinrich Lammers (Chef der Reichskanzlei) und Wilhelm Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht) am 06. November 1941 einen entsprechenden Geheimerlass, der dieses Problem übergreifend und effektiv lösen sollte. Da eine Veröffentlichung der Anordnung zu unterbleiben hatte und verboten wurde, ist es dem Autor bisher nicht gelungen eine Abschrift dieses Erlasses einsehen zu können. Der Erlass wurde nach Internetrecherche wohl lediglich einmal mit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 1947 abgedruckt. Leider ist auch dieses Urteil nicht zugänglich.

Mit dieser Ermächtigung wurde es dem Reichsminister Frick ermöglicht, die nachträgliche Eheschließung von Frauen mit gefallenen oder im Felde verstorbenen Angehörigen der Wehrmacht anzuordnen, wenn die ernstliche Eheschließungsabsicht erwiesen war und bis zum Tode bestanden hatte.

Am 25. März 1942 gab das Reichsinnenministerium den Wortlaut der Ermächtigung innerhalb der Verwaltung bekannt. (2) Da dieser Geheimerlass nun doch nicht so geheim war wie gewollt, verbreitete sich unter der Bevölkerung schnell der Begriff der „Leichentrauung. Trotzdem wurden die Standesämter erst am 15. Juni 1943 – noch immer vertraulich – vom Reichsminister des Innern (Wilhelm Frick) über die Existenz des Geheimerlasses und die Richtlinien zur Bearbeitung solcher Anträge informiert.

Dokumentiert wurden nachträgliche Ehen (Leichen- bzw. Toten-Ehen) im Standesamt wie folgt. Die Namen der Betroffenen wurden geschwärzt, auch wenn die Urkunden mittlerweile öffentlich zugänglich sind und von jedem eingesehen werden können.

© Stadtarchiv Grevenbroich, Sterberegister Grevenbroich, Nr. 80/1942
© Stadtarchiv Grevenbroich, Heiratsregister Gustorf, Nr. 23/1942

Transkription der Heiratsurkunde als Fließtext:

„Gustorf, den 25. November 1942. Die Kontoristin Anna XXXX, katholisch, geboren am 19. Januar 1924 in Orken (Standesamt Elsen jetzt Grevenbroich Nr. 8), wohnhaft in Gindorf, Göringstraße erschien heute vor dem unterzeichneten Standesbeamten zum Zwecke der nachträglichen Eheschließung mit dem am 24. Mai 1942 verstorbenen Obergefreiten Robert Franz Walter XXXX, evangelisch, geboren am 11. Mai 1919 in Neumühle (Standesamt Heerwegen Nr. 20), wohnhaft gewesen in Neumühle.

Der Standesbeamte fragte die erschienene Verlobte, ob sie nachträglich die Ehe mit dem verstorbenen Robert Franz Walter XXXX eingehen wolle. Die Verlobte bejahte die Frage. Der Standesbeamte sprach im Namen des Reiches und auf Anordnung des vom Führer hierzu besonders ermächtigten Reichsministers des Innern aus, daß die Ehe hiermit nachträglich geschlossen werde, daß Anna XXXX geborene XXXX demnach die rechtmäßig verbundene Ehefrau des am 24. Mai 1942 verstorbenen Robert Franz Walter XXXX geworden sei und zwar nachträglich mit Wirkung von dem Tage ab, der dem Sterbetag des Ehemannes vorausgegangen ist.“

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

(1) Cornelia Essner und Edouard Conte: „Fernehe“, „Leichentrauung und Toten-Scheidung“, Metamorphosen des Eherechts im Dritten Reich, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 44 (1996), Heft 2, S. 201 – 227, S. 214

 (2) Cornelia Essner und Edouard Conte: „Fernehe“, „Leichentrauung und Toten-Scheidung“, Metamorphosen des Eherechts im Dritten Reich, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. Jahrgang 44 (1996), Heft 2, S. 201 – 227, S. 213

VHS-Kurs „Familien- und Ahnenforschung für Einsteiger“

Der Arbeitskreis Familienforschung im Geschichtsverein Grevenbroich bedankt sich bei allen Teilnehmern des gestrigen Kurses und der VHS Grevenbroich, die uns den gemeinsamen Abend ermöglicht hat.

Foto: (c) Stefan Faßbender

Der in zwei Teilen aufgeteilte Kurs gab einen kurzen Einblick in die Ahnenforschung allgemein sowie in die Möglichkeiten einer Recherche im Internet. Trotz einer zeitlichen Überziehung konnten alle Themen leider nur kurz angeschnitten werden. Wir hoffen jedoch, dass sowohl alle Einsteiger*innen als auch die erfahrenen Familienforscher*innen viel mitnehmen konnten.

Heinz Otto Schnier und Stefan Faßbender bedanken sich für das „gespannte“ Interesse und den regen Austausch zu einem sehr spannenden Bereich der Geschichtsforschung…