Gab es Grevenbroicher in der französischen Fremdenlegion?

Ja, die gab es wirklich! Der Geschichtsverein Grevenbroich konnte bisher drei Personen ausmachen, die in den 1920er und 1930er Jahren in dieser bis heute mit sehr vielen Mythen beschriebenen Elitearmee dienten. Die Fremdenlegion oder auch „Légion étrangère“ wurde am 9. März 1831 durch König Louis Philippe von Frankreich ins Leben gerufen. Sie durfte per Dekret lediglich außerhalb von Europa, insbesondere in den Kolonialstaaten, eingesetzt werden. Bis heute besteht diese Einheit fast ausnahmslos aus Soldaten, die nicht Franzosen sind. Über 100 Jahre lang stellten Deutsche den größten Anteil der Legionäre.

Privatsammlung – Abzeichen der 13. Halbbrigade in Fremdenlegion

Seit jeher besteht der Mythos, dass sich deutsche Straftäter der Gerichtsbarkeit entziehen wollten und dies das Hauptmotiv für den Eintritt in die Fremdenlegion gewesen sei. Heutige Untersuchungen belegen jedoch, dass dies nicht richtig ist. Vielmehr führten eine schlechte Ausbildung, Arbeitslosigkeit und Armut die jungen Männer auf den Weg in die Legion.

Privatsammlung – Bandspange eines Offiziers oder Piloten in der Fremdenlegion

Vermutlich bedingt durch die sogenannte „Erbfeindschaft“ mit Frankreich hatte die Fremdenlegion in Deutschland kein gutes Ansehen. Immer wieder wurde von menschenunwürdigen Behandlungen und Strafen berichtet. Es wurden sogar Anti-Legionsvereine gegründet, um Deutsche vor dem Eintritt in die Fremdenlegion zu beschützen, und es wurde sehr viel „Aufklärungsarbeit“ geleistet, um insbesondere Schulabgänger davor zu warnen. So auch geschehen in Grevenbroich, wie folgendes Fundstück aus dem Stadtarchiv Grevenbroich zeigt.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1842

Aber nicht nur durch die Anwerbetätigkeit vieler Vereine „Ehemaliger Fremdenlegionäre“, sondern auch durch diese Aufklärungsarbeit wurden viele junge Männer erst auf die Fremdenlegion aufmerksam und sahen darin unter Umständen die Chance, ein „Abenteurerleben“ führen zu können.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1842
StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1840

1) Der Legionär Peter Baas
Peter Baas wurde am 3. November 1910 als Sohn des Güterbodenarbeiters (Arbeiter im Güterschuppen einer Bahnanlage) Joseph Baas und der Wilhelmine Wüst in Münchrath geboren. Vermutlich hat Peter lediglich eine kurze Nachricht im elterlichen Haus hinterlassen, wie die nachfolgende Suchanzeige der Eltern vom 28. August 1929 zeigt. In dieser wurde lediglich hinterlassen, dass er nach Hamburg will.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1747

Bereits am 16. September 1929 wurde die Suche nach Peter Baas eingestellt, da bekannt wurde, dass er in die französische Fremdenlegion eingetreten war. Über seine Dienstzeit, seine Einsatzorte und seine Rückkehr nach Deutschland oder ob die Eltern versucht haben, ihn aus der Fremdenlegion herauszuholen, ist leider nichts bekannt. Laut einem Randvermerk auf seiner Geburtsurkunde starb er 1949 im Alter von ca. 39 Jahren in Neuss. Nachfolgend der relativ nüchterne Beleg, dass die Suche nach ihm als erledigt angesehen werden konnte.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1747

2) Der Legionär Peter Bättgen
Peter Bättgen wurde am 14. Dezember 1907 in Frauwuellesheim im Kreis Düren geboren. Er heiratete am 23. April 1927 Elisabeth Hoffmann in Wevelinghoven und lebte danach auch noch dort. Seine „spannende“ Geschichte ist aus dem ausführlichen noch erhaltenen Schriftverkehr zwischen den Behörden sehr gut lesbar. Peter erschien am 20. April 1933 im Deutschen Generalkonsulat für Spanien in Barcelona. Dort stellte einen Antrag auf Heimschaffung über Genua, da er der Fremdenlegion entwichen sei und keine Mittel zur Heimreise besäße. Beigetreten war er der Fremdenlegion am 29. Oktober 1931.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719

Bereits am 24. April 1933 sendete der Bürgermeister Widmann ein Schreiben nach Spanien, in dem er die Angaben bestätigte und sowohl die Ausstellung eines Reisepasses als auch die Heimschaffung befürwortete.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719

Innerhalb der nächsten vier Wochen muss Peter Bättgen gemäß dem Düsseldorfer Polizeipräsidium wieder in Deutschland eingereist sein und sich auf den Weg zu seiner Ehefrau nach Wevelinghoven gemacht haben.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719
StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719

Ob Peter Bättgen wie oben beschrieben infolge von Arbeitslosigkeit freiwillig oder nur zur Vermeidung einer Haftstrafe (Verurteilung wegen Schmuggelns) der Fremdenlegion beigetreten ist, kann nur vermutet werden. Auffällig ist jedoch seine Flucht aus der Fremdenlegion Anfang 1933, nachdem am 20. Dezember 1932 allen Straftätern mit dem sogenannten „Schleicher-Amnestie-Gesetz“ die Straffreiheit bei politischen Straftaten sowie die Straffreiheit bei Straftaten aus wirtschaftlicher Not gewährt wurde. Zudem wurde er nach seiner Rückkehr weiterhin durch die Polizeibehörde überwacht. Was es mit dem Foto von Heinrich Dehlen im oben gezeigten Brief auf sich hatte, konnte bisher nicht geklärt werden, da weder das Foto noch ein weiterer Hinweis dazu im Archiv zu finden ist.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Nr. 1719

Peter Bättgen überlebte ebenfalls den Zweiten Weltkrieg. Seine Spuren verlieren sich Ende der 1950er Jahre als er ein zweites Mal heiratete.

3) Der Legionär Heinrich Faßbender
Der Dreher Heinrich Faßbender wurde am 26. Februar 1905 als Sohn des Tagelöhners Conrad Hubert genannt Gerhard Faßbender und der Anna Maria Becker in Orken geboren. Seine „Geschichte“ beginnt am 11. April 1929 in Hamburg, wo er von der Hamburger Polizeibehörde aufgegriffen und verhaftet wurde. Im Grevenbroicher Stadtarchiv ist das Vernehmungsprotokoll der Hamburger Polizei vom 11. April 1929 erhalten geblieben. Danach war Heinrich im Mai 1928 freiwillig in die Fremdenlegion eingetreten. Seine Arbeitslosigkeit war der Grund seines Eintritts.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1840

Lesehilfe zu 8d):
„d) ist in der Verpflichtungserklärung ein Vermerk enthalten, wonach der Angeworbene bestätigt, in seiner Landessprache von dem Inhalte seiner Verpflichtung Kenntnis genommen zu haben.“

Am 17. Juni 1928 hatte er seine Verpflichtungserklärung in Metz abgegeben. Von dort ging es per Bahn nach Marseille. Dort bestieg er ein Schiff, welches ihn nach Oran brachte. Oran ist eine Küstenstadt im Westen von Algerien. Laut seinen Angaben desertierte er bereits neun Monate später. Er floh von Arzew, eine Hafenstadt in Algerien, die etwa 40 km von Oran entfernt liegt. Von dort reiste er zunächst mit dem englischen Dampfer „Holwood“ nach Leith, einem Stadtteil der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Seine weitere Reise führte ihn mit dem englischen Dampfer „Breslau“ nach Hamburg.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1840

Bereits am 13. April 1929 erreichte eine Anfrage die Ortspolizeibehörde in Elsen. Mit dieser wurde darum gebeten zu bestätigen, dass die von Heinrich angegebenen Daten stimmen und ob gegen ihn etwas vorliegt. Inwieweit man die Hamburger Polizeibehörde auf die enthaltenen Fehler aufmerksam machte, ist leider nicht dokumentiert. In der Anfrage wird mit dem 28. Februar 1905 ein falsches Geburtsdatum genannt. Ebenso wird nicht seine leibliche Mutter, sondern seine Stiefmutter genannt.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1841

Besonders beeindruckend sind die in der oben gezeigten Anfrage erhalten gebliebenen Fotos der Polizeibehörde Hamburg, die den nur 24jährigen Heinrich Faßbender zeigen.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1841

Zur Feststellung seiner Persönlichkeit war er vom 11. April 1929 bis zum 15. April 1929 in Polizeihaft, wie nachfolgende Bescheinigung zeigt. Da zwischen dem Eingang der Anfrage und der Entlassung nur zwei Tage lagen, ist davon auszugehen, dass die Polizeibehörde Elsen umgehend ein Telegramm mit der Bestätigung nach Hamburg sandte.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1840

Wie akribisch die Geschichte von Heinrich Faßbender festgehalten wurde und wem Meldung gemacht wurde, zeigt ein Brief an den Landrat in Grevenbroich, in dem auch darauf verwiesen wurde, dass man die Landeskriminalpolizeistelle in Düsseldorf informiert hatte.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1840

„[…] Gestern meldete sich beim hiesigen Meldebüro der Dreher Heinrich Faßbender, geboren am 26. Februar 1905 zu Orken, preuß. Staatsangehöriger, ledig, hier Elsen, Kaiserstr. 2, an. Faßbender ist als angeblicher Flüchtling aus der französischen Fremdenlegion am 11. d. Mts. in Hamburg auf dem englischen Dampfer „Breslau“ eingetroffen. Vom 11. bis 15. d. Mts. befand er sich zur Feststellung seiner Persönlichkeit in Polizeihaft in Hamburg. Die Polizeibehörde in Hamburg, Abteilung II, (Kriminal- und Staatspolizei) hat Faßbender nach seiner Angabe vernommen, weshalb hier von seiner nochmaligen Vernehmung abgesehen worden ist.
Dem Polizeipräsidenten (Landeskriminalpolizeistelle) in Düsseldorf habe ich von der Rückkehr des Faßbender Nachricht gegeben.“

Der Polizeipräsident in Düsseldorf forderte den Grevenbroicher Landrat mit Schreiben vom 10. Mai 1929 auf, den zurückgekehrten Heinrich Faßbender unter Beobachtung zu nehmen. Leider konnte nicht recherchiert werden, wie und wie lange diese Beobachtung erfolgte.

StA Grevenbroich, Bestand Elsen, Nr. 1841

Der mittlerweile als Eisendreher arbeitende Heinrich Faßbender heiratete am 8. Juli 1932 die Christine Thomaßen im Standesamt Grevenbroich. Damit endet seine Geschichte aber noch nicht, denn nur wenige Jahre später holte ihn der Militärdienst wieder ein.

Heinrich Faßbender war im 2. Weltkrieg Panzergrenadier in der 2. Kompanie des Grenadier Regiments 5. Er erlag seinen schweren Verwundungen durch einen Bauchschuss und starb am 22. Dezember 1942 um 5 Uhr im Feldlazarett in Tatewo (Ostfront). Sein Grab befindet sich auf dem Heldenfriedhof bei Schloss Tatewo.

StA Grevenbroich, Sammlung Grevenbroicher Kriegstote, Stefan Faßbender

Heinrich Faßbender ist einer der mehr als 2.000 Grevenbroicher Kriegstoten, zu denen seit Januar 2024 im Stadtarchiv Grevenbroich in einer Sammlung recherchiert werden kann.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

Grevenbroicher Karneval anno dazumal…

„Große carnevalistische Wallungen und ergötzliche Abendunterhaltung“ vor 165 Jahren in Grevenbroich!

Er war nicht nur Lehrer aus Überzeugung, sondern auch ein lebensbejahender Mensch und Karnevalist: Der Grevenbroicher jüdische Lehrer Jacob Goldstein (1824-1900) war Mitglied der Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 e.V. und bestritt in Grevenbroich beispielsweise mit dem Gesangverein „Liederkranz“ Grevenbroich Anfang der 1860 an Karnevalssonntsg und Rosenmontag eine abendfüllende musikalische Soiree mit anschließendem Maskenball.

Jacob Goldstein schrieb einen ausführlichen Bericht darüber, wie unser Vorsitzender Ulrich Herlitz bei seinen biographischen Recherchen zu Goldstein herausfand…

Jacob Goldsteins Todestag jährt sich 2025 im Mai zum 125. Mal.

…Goldsteins Vorbild machte auch nach seinem Tod Schule! So gehörte der Gustorfer Händler Moses Löwenthal dem Närrischer Sprötztrupp Gustorf an und war sogar Vizepräsident des Gustorfer Traditionsvereins!

Anzeigen Liederkranz und Bericht Jacob Goldstein in den Februarausgaben des Grevenbroicher Kreisblattes – nachzulesen im Zeitungsportal NRW


 

 

Weihnachten anno dazumal…

…so feierten die Grevenbroicher Weihnachten 1926!
Grevenbroicehr Zeitung – Ausgabe vom 24. Dezember 2024 (nachkoloriert)

Natürlich wurde Weihnachten auch in Grevenbroich zu Hause, im Kreis der Familie, gefeiert. Ein Hauch der Goldenen Zwanziger lag in der Luft, das hoffnungsvolle Gesicht der Weimarer Republik war ein wenig aus dem Schatten der Nachkriegszeit getreten. Auch wenn der Erste Weltkrieg und seine Folgen immer noch nachwirkten: Oft herrschte noch Wohnungsnot in der Stadt, Heizen war immer noch ein Problem und manch eine Familie war darum bemüht, Ihren Kindern in diesen Tagen eine wenn auch noch so kleine Freude zu bereiten. Da das Weihnachtsfest oft die einzige Gelegenheit war, wo sich die gesamte Familie traf, boten die Festtage vielen Paaren die Möglichkeit, ihre Verlobung im Kreis ihrer Lieben bekannt zu geben…

Ein Blick in die Grevenbroicher Zeitung aus dem Jahr 1926 und vor allem den Dezemberausgaben zeigt uns dies.

Viele Kinder und Eltern drückten sich die Scheiben am jüdischen Kaufhaus Bachrach platt und bestaunten die angebotenen Kinderspielsachen wie Kindereisenbahn, Schaukelpferd, Puppen oder Trommel.

Das Traditionshaus Friedrich Hömberg am Marktplatz bot seine Weihnachtsangebote ebenfalls in großflächigen Anzeigen an.

Es herrschte das Bedürfnis einer ganzen Generation, die den Krieg erlebt hatte, jahrelange Entbehrungen der Nachkriegszeit, harte Jahre der Inflation in fröhlicher, sorglos stimmender Gemeinsamkeit ein bisschen vergessen zu machen und befreit das Weihnachtsfest zu feiern. Jahrtausendfeier der Rheinlande und Befreiung von der belgischen Besatzung waren DIE Themen des Jahres gewesen.

Die Grevenbroicher konnten sich jedenfalls wieder einen Weihnachtsbaum auf dem Tisch leisten. Christbaumschmuck gab es bei W. Sommer Nachfahren zu kaufen. Kuchen und Torten gab es natürlich besonders zu Weihnachten in den Cafés wie Deden, Schall, der Dampfbäckerei Bremer oder Poser.

Natürlich wurde auch zuhause eifrig gebacken, da Butter noch teuer und rar war, sorgte in vielen Haushalten die gute Margarine von „Rama“ dafür, dass Kuchen am Gabentisch genossen werden konnte. Vor den Festtagen gab es zwei verkaufsoffene Sonntage, die aber nicht ganz so rege besucht wurden wie erhofft, spielte doch das Wetter nicht mit und war erst Anfang Dezember eine überaus erfolgreiche „Werbewoche“ des Grevenbroicher Handels zu Ende gegangen.

Solidarität im Verein

Vereine spielten im Alltag der Grevenbroicher vor allem als Ort zwischenmenschlicher Solidarität eine wichtige Rolle. Besonders beliebt war die Weihnachtsfeier des BSV Grevenbroich. Hier fand man gesellschaftlichen Anschluss und Anerkennung. Auf der Weihnachtsfeier des 1920 von vielen Vereinen und ehemaligen Schützen neugegründeten Bürger-Schützenvereins stellte der Vereinspräsident Jean Plum ein weihnachtliches Programm zusammen.

Sie fand im Saal des Vereinslokals „Hotel Lersch“, auch genannt „Zur Traube“, statt. Plum hatte seine Töchter gewinnen können, in einem „Melodram“ das deutsche Weihnachtslied „Stille Nacht“ vorzutragen, es folgte ein von Kindern der Vereinsmitglieder vorgetragenes Weihnachtsspiel „Am Eigelstein“. Höhepunkt und heiß ersehnt war zum Abschluss des offiziellen Teils vor allem die große Weihnachtsverlosung. Je nach Los sorgte sie für „hochbeglückte“, oder aber „zerknitterte“ Mienen. Den Abschluss bildeten frohe Stunden der Geselligkeit und Tanz „nach neuesten oder veralterten Tanzmoden“, musikalisch gestaltet durch die Kreisfeuerwehrkapelle Skibba.

Traditionelle Formen

In den Vereinen wurde Weihnachten meist in herkömmlicher Weise gefeiert. In den großen Sälen der zahlreichen Gaststätten der Stadt wurde oft und gerne gefeiert. Alleine in der Innenstadt gab es sage und schreibe 15 Gaststätten. In Zeiten, in denen noch Wohnungsnot herrschte, Wohnungen oft klein und selbst die guten Stuben manchesmal nicht geheizt waren, sorgten die Lokale mit ihren Sälen für Abwechslung, Unterhaltung und Zerstreuung vom harten Alltag. Allerdings hatte sich die Wirtevereinigung in diesem Jahr abgesprochen, zu Weihnachten und am ersten Feiertag geschlossen zu bleiben, ihr Motto: „Auch wir wollen Weihnachten in unseren Familien feiern!“

Drei nicht der Vereinigung angehörende Wirte öffneten allerdings ihre Türen, unter anderem auch das Gasthaus von Joseph Portz. Sie wollten Weihnachten „wie üblich mit ihren Gästen“ feiern…

Es gab in Zeiten, in denen es außer der Zeitung und wenigen Radios kein Fernsehen, kaum Fernsprecher, sprich Telefone, gab, eine rege Vereinslandschaft. Neben dem Bürgerschützenverein gab es auch den Fußballclub von 1911, aus dem der TUS hervorging, außerdem den Männergesangverein, die freiwillige Feuerwehr, das DRK oder den Schwimmverein, der die Badeanstalt an der Erft im Sommer rege nutzte. Auch ein Motorsportclub hatte sich gegründet. Aber auch das Vereinswesen stand immer noch zu einem großen Teil unter den Vorzeichen der Nachkriegszeit. Es gab mit Marineverein, Artillerieverein, Gardeverein, Kriegerverein und dem Bund der Kriegsbeschädigten zahlreiche Kameraden- und Ehemaligenvereine, hatte der Versailler Friedensvertrag doch das Reichsheer drastisch auf 100.000 Mann reduziert.

Der mit dem Kürzel “L” beschriftete Leserbrief stammte vermutlich vom jüdischen Kantor und Lehrer der Grevenbroicher Synagogengemeinde Alexander Löwenstein, der selbst hochdekorierter Frontkämpfer war.

Im Sommer hatte sich auch eine Ortsgruppe des Frontkämpferbundes „Stahlhelm“ gegründet. Dies stieß jedoch auf Widerstand, lehnte dieser doch die Weimarer Republik ebenso wie jüdische Mitglieder ab. So gründete sich bald darauf in Grevenbroich die Ortsgruppe des republikanischen „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ und die zahlreichen jüdischen Frontkämpfer aus Grevenbroich protestierten und wurden im „Bund Jüdischer Frontsoldaten“ Mitglied! Noch spielten die Nationalsozialisten vor Ort keine Rolle, aber der Kampf um die Republik wurde mit unnachgiebiger Härte auch in Grevenbroich geführt. In den Dezembertagen des Jahres 1926 herrschte jedoch ein gewisser „Weihnachtsfrieden“. Da gab es bei den Weihnachtsfeiern keine Unterschiede zwischen militärisch ausgerichteten, anti-demokratischen, bürgerlichen oder sozialistischen Vereinen. Aber es gab auch Vereine, die Nichtmitgliedern den Zutritt zur Weihnachtsfeier ausdrücklich verwehrten. Die Lustbarkeitssteuer, die auf jede Eintrittskarte erhoben wurde, ärgerte jedoch ohne Unterschied die Kassenwarte, denn sie schmälerte Einnahmen, die zur Finanzierung des Vereinsjahres dringend gebraucht wurden.

An den Weihnachtsfeiertagen selbst gab es eine Fülle von Freizeitangeboten: vor allem die beiden Grevenbroicher Kinos, das „Lichtspielhaus“ auf der Breitestraße 21 und die „Lichtspiele“ im Rheinischen Hof boten Vergnügen. Kassenschlager waren zum Beispiel der neue „Blockbuster“ von Buster Keaton, Regina Ralli oder Reginald Deny. Die Veranstaltungen wurden vielfach als „Amerikanisierung“ des Alltags kritisiert, hatte sich doch nicht nur in den Gaststätten mit der Jazz-Musik neue Unterhaltungsangebote etabliert. Sie waren aber auch geeignet, immer noch stark ausgeprägte Klassengegensätze zu überwinden, denn ihre Besucher sangen dieselben Schlager, die sie in den neuen Medien Kino und Radio kennenlernten. Ein wichtiges Argument für den Besuch des Silvesterballs waren deshalb auch „garantiert erstklassige Schlager“.

Die Kirchen

Für die überwiegend christliche Bevölkerung waren die Weihnachtsgottesdienste natürlich der Höhepunkt des Festes. In der evangelischen Kirche ebenso wie der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul wurden Gottesdienste abgehalten. Die Christmette in St. Peter und Paul wurde durch den Pfarrchor „Cäcilia“ mit seinem neuen Knabenchor „in prächtiger Weise mit wirkungsvoller Orgelbegleitung“ gestaltet und trug so dazu bei, „die Weihnachtsstimmung zu mehren und die Herzen empfänglich zu machen für der Weihnacht Gnade und Zauber“, wie die Zeitung berichtete. In der Synagoge Grevenbroichs auf der Kölnerstraße 26 wurde natürlich kein Weihnachten gefeiert, aber am 8. Dezember war das Lichterfest Chanukka zu Ende gegangen…

Im Alltag zurück

Ein Bericht im Lokalteil holte die Leser des „Grevenbroicher Zeitung“ aber wieder in den harten Alltag zurück:

das Wohlfahrtsamt Grevenbroichs hatte mit der städtischen Wohlfahrtskommission „mit einer Reihe Damen der Stadt“ zu Spenden für arme Mitbürger aufgerufen und die „Armen und Hilfsbedürftigen“ dank des „in unserer Stadt herrschenden Opfersinns aller Schichten“ „praktische und schöne Gegenstände“ sowie Briketts, Braunkohlen und Koks ausgegeben. Ebenfalls Geldgeschenke für diejenigen, die sich ein Weihnachtsfest aus eigenen Mitteln nicht leisten konnten…

Ulrich Herlitz/Vorsitzender Geschichtsverein
Eine einzigartige Quelle bieten digital zugängliche Geschichtsquellen. Darunter auch die Online-Ausgabe der Grevenbroicher Zeitung aus dem Jahr 1926, die in diesem Jahr online gegangen ist. Der Geschichtsverein Grevenbroich hat das Online-Portal zeit.punkt NRW und das dazugehörige Zeitungs-Projekt vorgestellt, aus dem auch die hier abgebildeten Anzeigen stammen! 

Das Titelbild ist eine mittels KI kolorierte Anzeige aus der Weihnachtsausgabe der Grevenbroicher Zeitung vom 24. Dezember 1926.

Die Adventszeit im Jahr 1944

Auch wenn die Adventszeit 2024 von vielen Konflikten in der Welt geprägt war, nutzten viele Menschen diese Zeit, um sich auf das Wesentliche zu besinnen. Im Vordergrund stand Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und sich auf die Feiertrage vorzubereiten. Ein Teil dieser besonderen Zeit der Vorfreude und Besinnung waren auch die damit verbundenen Bräuche, wie das Singen von Weihnachtsliedern und das Backen von Plätzchen, insbesondere dann, wenn noch kleine Kinder zum Haushalt gehörten.

Im Gegensatz dazu war die Adventszeit im Jahr 1944 eine besonders schwierige und belastende Zeit, geprägt von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs. In vielen Teilen Europas litten die Menschen unter den Folgen von Krieg, Hunger und Zerstörung. In Deutschland und anderen von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten war die Stimmung oft von Angst und Unsicherheit geprägt.

Trotz der widrigen Umstände versuchten viele Menschen, die Traditionen der Adventszeit aufrechtzuerhalten, um ein wenig Hoffnung und Licht in ihren Alltag zu bringen. Adventskränze, Kerzen und Weihnachtsmärkte waren in vielen Städten zu finden, auch wenn sie oft von den Schrecken des Krieges überschattet wurden. Die Adventszeit 1944 war also eine Zeit des Wartens und der Besinnung, aber auch eine Zeit, in der der Wunsch nach Frieden und Normalität besonders stark ausgeprägt war.

Wie mag es wohl Josef Kratz in der Adventszeit 1944 ergangen sein? Er hatte am 21.11.1935 Cilly (Cäcilia Margarete) Schmitz aus Grevenbroich geheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder, Hanns Joachim und Marlene, hervor.

© Anne Kiefer: Cilly Schmitz und Josef Kratz vermutlich bei ihrer Verlobung im Jahr 1934.

Obwohl in allen Urkunden der Wohnsitz mit Zeppelinstraße (heute Orkener Straße) in Grevenbroich angegeben wurde, lebte er mit seiner Familie zu dieser Zeit in Friedberg/Hessen. Er arbeitete in einem städtischen Wehrmachtsdepot (Wartturm Kaserne) von Friedberg.

Wartturm Kaserne (Ray Barracks) im Jahr 1950 – gemeinfreies Bild

Friedberg war wie Grevenbroich und viele andere Städte in Deutschland, von den verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs betroffen. Zu dieser Zeit fanden in vielen Regionen Luftangriffe statt, die Zerstörung und Leid mit sich brachten. Friedberg erlebte während des Krieges mehrere Bombenangriffe, die sowohl zivile als auch militärische Ziele ins Visier nahmen.

Friedberg in Hessen erlebte bis März 1945 insgesamt drei schwere Luftangriffe, der zweite fand am 4. Dezember 1944 statt. Auf den Stadtteil Fauerbach und das Bahngelände fielen vier Bombenteppiche, bei denen 90 Friedberger starben. Da die Bomben aus 9.000 Meter Höhe abgeworfen wurden und dadurch tief ins Erdreich eindrangen, schützte kein Kellerraum vor dem Unheil. 119 Bomber der USAAF griffen den strategisch wichtigen Rangierbahnhof in Friedberg an. Die abgeworfene Bombenlast von rund 330 Tonnen richtete enorme Schäden an.

Luftaufnahme während des Bombenabwurfes am 4. Dezember 1944 – gemeinfreies Bild
Zerstörungen am Rangierbahnhof im Frühjahr 1945 – gemeinfreies Bild

Die Ereignisse dieses und der nachfolgenden Tage wurden in mehreren Briefen von Josef Kratz an seine Familie festgehalten und geben uns heute einen seltenen und dramatischen Einblick in jene Zeit. Für uns stellen sie aber auch ein Mahnmal dar, warum Kriege verachtet und unterbunden werden müssen.

Ein Brief vom 11. Dezember 1944 von Josef Kratz an die Großeltern von Hanns Joachim und Marlene:

© Anne Kiefer: Brief vom 11. Dezember 1944 – Seite 1
© Anne Kiefer: Brief vom 11. Dezember 1944 – Seite 2
© Anne Kiefer: Cilly Kratz mit Hanns Joachim (8 Jahre) im rechten Arm und Marlene (4 Jahre) im linken Arm.
© Anne Kiefer: Brief vom 11. Dezember 1944 – Seite 3

Cilly Kratz starb im Alter von nur 32 Jahren durch den Fliegerangriff wie aus dem nachfolgenden Auszug der Sterbeurkunde ersichtlich ist.

Quelle: Auszug Sterberegister Friedberg, Nr. 61/1945

„Die Cäcilia Margarete Kratz, geborene Schmitz, katholisch, wohnhaft in Grevenbroich, Zeppelinstraße 86, ist am 4. Dezember 1944 zwischen 13 – 14 Uhr in Friedberg durch feindlichen Fliegerangriff gefallen. Die Verstorbene war geboren am 22. Dezember 1911 in Grevenbroich.“

© Anne Kiefer: Cilly Kratz, geb. Schmitz in jüngeren Jahren.

Hanns Joachim Kratz, geboren am 18. November 1936, wurde nur acht Jahre alt. Seine Schwester Marlene, geb. am 28. Februar 1940, wurde noch keine fünf Jahre alt.

© Anne Kiefer: Hanns Joachim Kratz
© Anne Kiefer: Marlene Kratz
© Anne Kiefer: Marlene und Hanns Joachim Kratz

Wie den weiteren Unterlagen zu entnehmen ist, ließ sich Josef Kratz in der Zeit danach nicht beurlauben, sondern ging seinem Dienst pflichtgemäß nach. „[…] Ich weiss, dass ich Euch vieles zu sagen habe, was man brieflich nicht kann, [Anmerkung: Vermutlich auch der allgemeinen Zensur geschuldet.] aber dennoch habe ich bis heute noch keinen Urlaub beantragt, weil ich mit bestem Willen noch nicht kann. Ich bin seelisch so krank, dass ich es nicht übers Herz bringe, heute schon zu Euch zu kommen, denn ich muss ja ohne Cilly und meine lieben Kinder kommen. Ich hoffe, dass Du mich als Mutter verstehst. Ich kann im Augenblick noch keinen Tag vergehen lassen, ohne meine Liebsten auf dem Friedhof zu besuchen. Es hat mir eine Wunde geschlagen, die nie zuheilen kann, ich bin auch heute noch nicht soweit, dass ich das alles fassen kann. […]“

Obwohl Josef Kratz den Kessel von Stalingrad überlebte, war er nicht davor geschützt, weiteres Unheil von sich und seiner Familie abzuwenden. Eine „Geschichte“, die viele Familien in der NS-Diktatur erleiden mussten.

Josef Kratz überlebte zwar den Zweiten Weltkrieg, starb aber am 4. Oktober 1945 in Sore in französischer Gefangenschaft an einer Krankheit. Sein Grab befindet sich heute auf der Kriegsgräberstätte Berneuil, etwa 100 km nördlich von Bordeaux. Auf dem 1967 eingeweihten Friedhof ruhen die Überreste von mehr als 8.300 deutschen Soldaten. Seine Grabanlage befindet sich in Block 6, Reihe 10, Grab 441.

© Anne Kiefer: Josef Kratz (Passfoto für seinen Wehrmachtsführerschein)
© Anne Kiefer: Totenzettel von Josef Kratz

Die Bilder, Briefe und sonstigen Dokumente wurden zur Verfügung gestellt von Anne Kiefer geb. Cames, Tochter von Margarete Cames geb. Schmitz, Schwester von Cilly Kratz geb. Schmitz, sofern nichts anderes angegeben ist. Die vorliegenden Informationen wurden durch eigene Recherchen des „Netzwerkes Grevenbroicher Kriegstote“ ergänzt und vervollständigt.

Das Netzwerk Grevenbroicher Kriegstote möchte mit dem Schicksal dieser Grevenbroicher Familie an die Schrecken des Krieges erinnern und deutlich machen, wie wertvoll eine friedliche Adventszeit und ein friedliches Weihnachtsfest im Kreise der Familie ist.

Wir wünschen allen Menschen friedliche und besinnliche Festtage.

“Wiederentdeckter” Pfarrpatron St. Hubertus in Grevenbroich

Zum Patronatstag fand eine Hubertusmesse zu Ehren des Heiligen Hubertus in der Pfarrkirche „Peter und Paul“. Hubertus hat seit 1854 das zweite Patrozinium in der Stadtmitte-Kirche inne…

Den Schluss-Segen spendete Pfarrer Meik Schirpenbach mit der pfarreigenen Reliquie des Heiligen Hubertus, deren Authentizität durch den Kölner Generalvikar Joannes Antonius Fredericus Baudri bestätigt wurde. Daraufhin wurde durch päpstliches Dekret des damaligen Papstes Pius am 4. August 1854 den Gläubigen von Grevenbroich ein vollkommener Ablass am Fest des Heilligen Hubertus beziehungsweise an dem Sonntag, der auf den 3. November folgt, gewährt.

GVZ 7.11.1925

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst in beeindruckender Weise vom Korps der Jagdhornbläser Zons unter der Leitung von Erich Segschneider. 

Und auch der BSV Grevenbroich beteiligte sich anlässlich des 175-jährigen Vereins-Jubiläums mit Regimentsstandarte und einer Abordnung und BSV-Königspaar, ebenso wie eine Fahnenabordnung des Jägerzuges St. Hubertus, der in diesem Jahr seinen 125 Gründungstag feiert.


Ulrich Herlitz, Vorsitzender des Geschichtsvereins, hatte die Geschichte des Pfarrpatroziniums des Hl. Hubertus recherchiert und die Reliquie nebst Hubertusfahne wieder in Erinnerung gerufen sowie die Hubertusmesse im Zuge des BSV-Jubiläums und des Patronatsfestes angeregt.

Bericht zu St. Hubertus von Ulrich Herlitz in der
2024 10 Wir hier in GV Hubertus Artikel UH

Bericht in der RP/NGZ vom 7.11.2024 – Christian Kandzorra
“Heiliger Hubertus ist “wiederentdeckter” Pfarrpatron der City-Pfarrkirche”

Bericht in Erftkurier online vom 15.11.2024 – Gerhard Müller
Grevenbroich: Die Reliquie des heiligen Hubertus

Fotonachweis: Ulrich Herlitz/2024 & Jutta Wosnitza/BSV-Gruppenbild

 

175 Jahre – BSV Grevenbroich 1849 e. V. (Teil 4)

Der heutige Kurzbeitrag zum 175. Jubiläum zeigt abschließend noch einige Momentaufnahmen aus den 1930er bzw. 1950er Jahren sowie zwei Filme um 1960 und aus 1969.

Schützenumzug im Jahr 1934, © Stefan Faßbender

Dieses Foto wurde beim Schützenfest 1934 aufgenommen und zeigt bereits die dunklen Boten der nachfolgenden Jahre. Der Name des Jägerzuges konnte bisher nicht geklärt werden. Lediglich die zweite Person von links ist bekannt, da es sich um meinen Großvater Wilhelm Faßbender handelt. Wer also einen Hinweis auf die Identität der Personen oder des Jägerzuges hat, kann sich gerne beim Autor oder dem Geschichtsverein Grevenbroich melden.

Viel interessanter dürfte jedoch das Haus hinter der Musikkapelle sein. Es handelt sich um das Haus der jüdischen Familie Alfred Heinemann. Vermutlich handelt es sich um das einzige noch existierende Foto, welches das Haus vor der Deportation der Familie und dem Zweiten Weltkrieg zeigt. In den oberen Fenstern ist vermutlich die Familie Heinemann zu sehen. Das Foto wurde vor einigen Jahren schon einmal veröffentlicht und gelangte so in die USA an Nachkommen des Max Heinemann. Das Geschäft wurde im Jahr 1934 vom Sohn Alfred Heinemann und seiner Frau Frieda Levy geführt. Alfred Heinemann war begeisterter Schütze. Nach dem Ersten Weltkrieg marschierte er im Zug „Süd-West“ mit und hielt zusammen mit seinen Zugkameraden die belgischen Besatzungstruppen in Atem, weil Name und Uniformen des Zuges auf die ehemaligen und im Zuge des Versailler Friedensvertrages beendeten Kolonialisierungsbestrebungen Deutschlands in Süd-West-Afrika anspielten. Sogar seine Heirat fand Kirmessonntag 1923 statt. In seiner Heiratsanzeige nahm er einen Hinweis auf den schützenfestlichen Termin auf. Die Eheleute sowie die beiden Kinder Margot Heinemann (*1925) und Ernst Heinemann (*1928) wurden 1941 deportiert und 1942 in Lodz ermordet. Heute erinnern vier Stolpersteine auf der Breite Straße an die Familie Heinemann.

Fackelbau um 1950, © Stefan Faßbender

Bei den Jungen handelt es sich um die Brüder Christian Faßbender (rechts) und Reinhold Faßbender (links). Der Junge in der Mitte ist leider unbekannt. Aus Familienerzählungen ist bekannt, dass die beiden Brüder diese „Fackel“ für den Grevenbroicher Festumzug in Eigenregie bauten und dort auch vorführten. Welchen Jäger- bzw. Schützenzug sie begleiteten, ist leider nicht bekannt.

Vermutlich 1948 oder 1949 aufgenommen, © Stefan Faßbender

Obwohl auf dem Foto die Standarte der „Scheibenschützen Grevenbroich 1848 e. V.“ zu sehen ist, ist zurzeit unklar, ob es sich bei allen Personen um Mitglieder des Zuges handelt oder ob es sich um ein „zufälliges“ Treffen beim Schützenfest handelt. Die Uniformen der Herren links bzw. rechts unterscheiden sich erheblich von der des Fahnenträgers in der Mitte. Lediglich mein Großvater (2. Person von rechts) und mein Onkel (3. Person von rechts) sind bekannt. Vielleicht kann auch hier jemand helfen?

Unbekannter Zug in den 1950er Jahren auf der Breite Straße, © Stefan Faßbender

Obwohl dieses Foto recht unscharf ist, wurde es hier abgebildet, um die große Schar von Schaulustigen, die sich den Festumzug auf der Breite Straße anschauten, zu zeigen. Links neben dem Geschäftshaus von Lorenz Rütten ist die Gaststätte „Brendgen“ noch in ihrem ursprünglichen Zustand zu erkennen, bevor sie umgebaut wurde und Anfang der 1990er Jahre einem Neubau weichen musste.

Vermutlich aus den 1950er Jahren, © Stefan Faßbender

Bei diesem Foto handelt es sich um den Jägerzug „Waldhorn“, der im Jahr 1948 gegründet wurde und sich bereits am 14. Juli 1958 wieder auflöste. Weitere Informationen und Bilder konnten trotz intensiver Recherche bisher nicht gefunden werden. Die Mitglieder dieses Jägerzuges sind uns ebenfalls nicht bekannt. Interessant wäre es auch zu wissen, wo dieses Foto in Grevenbroich aufgenommen wurde. Die sehr markante Häuserfront konnte bisher keiner Straße in Grevenbroich zugeordnet werden. Vielleicht hat jemand eine Idee?

Zum Abschluss unserer Kurzreihe zum 175. Jubiläum des Bürgerschützenvereins Grevenbroich 1849 e. V. folgen noch zwei kurze Filme von zwei Schützenfesten in Grevenbroich.

Der folgende Film wurde um 1960 aufgenommen und zeigt kurze Teile der Zugabnahme auf der Bahnstraße und des Festumzuges.

© Filmarchiv Stefan Faßbender

Der zweite Film wurde 1969 aufgenommen und zeigt den Abmarsch zum Festumzug zur Innenstadt und in einem kurzen Teil den Festumzug auf der Kölner Straße. Dieser zeigt auch den Schützenkönig Ludwig Hermanns vom Jägerzug „Jröne Jonge“.

© Filmarchiv Stefan Faßbender

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

175 Jahre – BSV Grevenbroich 1849 e. V. (Teil 3)

Der heutige Kurzbeitrag stellt den Jägerzug Waidmannsheil 1950 dar.

Dieser wurde am 17. September 1950 auf dem Hof des Bierverlages Wilhelm Faßbender auf der Lindenstraße von 13 Männern gegründet. Da mein Großvater und vermutlich auch meine drei Onkel und andere Verwandte Gründungsmitglieder waren bzw. sehr viele Aktivitäten auf dem Hofe meines Großvaters stattfanden, liegen mir unzählige Fotos vor, von denen einige hier gezeigt werden sollen. Da die Gaststätte Lindenhof erst Mitte der 1950er Jahre eröffnet wurde, fanden die ersten Vereinsaktivitäten in einer zur „Festhalle“ umgebauten Lagerhalle statt.

Das älteste gefundene Foto zeigt vermutlich die erste Standarte des Jägerzuges Waidmannsheil 1950. Wie man erkennen kann, vermutlich der damaligen Zeit geschuldet, eine ganz einfache Fahne mit dem Schriftzug „Jägerzug Waidmannsheil, 1950, Grevenbroich“. Fahnenträger war „Onkel Matthes“, der eigentlich nicht zur Familie gehörte, aber niemand weiß mehr, wie er mit richtigem Namen hieß.

Vermutlich 1950 oder 1951 – „Onkel Matthes“ als Fahnenträger, © Stefan Faßbender
Vermutlich 1950 oder 1951 – Flötenspieler und Trommler des Jägerzuges, © Stefan Faßbender

Das nächste Foto zeigt den Abmarsch zum Festumzug in die Grevenbroicher Innenstadt. Im Hintergrund ist der Bahnübergang Lindenstraße zu erkennen. Damals waren entsprechend ihres Namens auch noch viele Linden auf der Lindenstraße vorhanden. Zum Jägerzug Waidmannsheil 1950 gehörten auch zwei Trommler sowie zwei Flötenspieler, die den Jägerzug stets begleiteten. Links ist der Weg nach Barrenstein zu erkennen.

Vermutlich 1951 – Abmarsch zum Festumzug, © Stefan Faßbender

Die nachfolgenden Fotos stammen sämtlich aus den frühen 1950er Jahren. Ein konkretes Jahr kann jedoch nicht festgemacht werden, da keinerlei Angaben vermerkt wurden. Die Darstellung erfolgt daher unsortiert.

1950er Jahre – Im Hintergrund das Erftwerk, © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Im „Vereinslokal“, © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Wilhelm Faßbender als Zugführer in der Innenstadt, © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Wer kann helfen, wo das Foto aufgenommen wurde? © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Im Hintergrund das Haus Portz, © Stefan Faßbender

Auf dem nachfolgenden Foto ist im Hintergrund die Bäckerei und Konditorei Willy Helfenstein auf der Kölner Straße zu erkennen. Da die Bäckerei im Zweiten Weltkrieg ausgebombt wurde, betrieben die Eheleute Willy und Gertrud Helfenstein ihren Betrieb in den ersten Nachkriegsjahren in einer Holzbaracke, welche auch als Schlaf- und Wohnraum diente. Erst 1953 wurde die Baracke durch einen Neubau ersetzt. Das Foto dürfte daher aus dem Jahr 1951 oder 1952 stammen.

1950er Jahre – Auf der Breite Straße, © Stefan Faßbender

Wer sammelte wohl die meisten Herzen? Anscheinend hatten die jungen Männer eine große Schar von Verehrerinnen?! Rechts ist Gründungsmitglied Walter Porsch zu sehen, der über Jahrzehnte Fahnenträger und bis zu seinem Tode 2015 aktives Mitglied im Jägerzug sowie im BSV Grevenbroich war.

1950er Jahre – Auf dem Festplatz, © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Hier die neue Standarte, im Hintergrund Buckau-Wolf, © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Beim Zugkönigschießen. Der Vogel hing wohl ziemlich hoch?! © Stefan Faßbender
1950er Jahre – Beim Zugkönigschießen, © Stefan Faßbender

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

175 Jahre – BSV Grevenbroich 1849 e. V. (Teil 2)

Der heutige Kurzbeitrag stellt den Jägerzug Edelweiss dar. Allerdings warfen die gefundenen Fotos und das Filmmaterial sehr viele Fragen auf und der Geschichtsverein Grevenbroich ist auf eure Hilfe angewiesen!

Vermutlich in den 1950er Jahren – Im Vereinslokal Lindenhof, © Stefan Faßbender
Vermutlich in den 1960er Jahren – Vor dem Vereinslokal, © Stefan Faßbender

© Filmarchiv Stefan Faßbender

Laut den Fotos und dem Filmmaterial handelt es sich eindeutig um den Jägerzug Edelweiss. Die Aufnahmen stammen eindeutig aus den späten 1950er bzw. frühen 1960er Jahren. Laut einem Zeitzeugen wurde der Zug u. a. von einigen jungen Männer aus der Südstadt gegründet, die dann beim Grevenbroicher Schützenfest mitmarschiert sind und ihr Vereinslokal im Lindenhof auf der Lindenstraße hatten.

In dem hervorragenden Festbuch „150 Jahre Bürgerschützenverein 1849 Grevenbroich e. V.“ aus dem Jahr 1999 ist dieser Jägerzug jedoch nicht zu finden. Es gibt lediglich einen Jägerzug Edelweiss, der im Jahr 1974 gegründet wurde. Diese Angabe passt jedoch nicht zu den oben gezeigten Aufnahmen!

© BSV Grevenbroich
© BSV Grevenbroich
© BSV Grevenbroich

Wer kann uns helfen, dieses Rätsel zu klären? Erkennt jemand die Personen auf dem Foto- bzw. Filmmaterial? Nachfolgend noch einmal ein Foto zweier Brüder, die Mitglieder im Jägerzug waren. Man beachte die Glasvitrine im Hintergrund: Zigarren und Zigaretten. Damals noch ein Paradies für Raucher.

1950er Jahre – In der Gaststätte Lindenhof, © Stefan Faßbender

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

175 Jahre – BSV Grevenbroich 1849 e. V. (Teil 1)

In diesem Jahr feiert der BSV Grevenbroich 1849 e. V. sein 175-jähriges Bestehen. Hierzu hat der Bürgerschützenverein in den letzten Monaten viele Fotos und Beiträge veröffentlicht und sehr interessante Einblicke in seine lange Geschichte aufgezeigt.

Der Geschichtsverein Grevenbroich möchte sich nun in die lange Schlange der Gratulanten einreihen und dieses einmalige Jubiläum mit vier Kurzbeiträgen würdigen. Unser Heimatforscher Stefan Faßbender hat hierzu ein wenig sowohl in seinem Foto- als auch in seinem Filmarchiv „gewühlt“ und einige beeindruckende Zeitzeugnisse zusammengestellt. Seid also gespannt auf die nächsten Tage.

Der heutige Beitrag stellt in Kurzform den Jägerzug Wildschütz dar.

Der Jägerzug Wildschütz wurde im August 1968 von einigen Freunden in der Gaststätte Lindenhof gegründet und bestand bis Anfang der 2000er Jahre. Bereits im ersten Jahr nach der Gründung wurde eine Standarte angeschafft. Diese wurde im Kloster Kreitz von den Ordensschwestern in Handarbeit erstellt und konnte bereits im Jahr 1969 beim ersten Festumzug gezeigt werden. 

1969 – Mit dem ersten Zugkönig Wilhelm Josef Faßbender, © Stefan Faßbender

Der erste Kirchgang am Kirmessonntag 1969 wurde damals tatsächlich filmisch festgehalten. Der nachfolgende kurze Film zeigt den Marsch vom Vereinslokal über die Lindenstraße in Richtung Innenstadt und wieder zurück. Begleitet wurde der Jägerzug Wildschütz vom Tambourcorps Oekoven. 

© Filmarchiv Stefan Faßbender

Die beiden nachfolgenden Fotos zeigen vermutlich die Rückkehr von der Gefallenenehrung am Kriegerdenkmal auf der Bahnstraße. Auf dem unteren Foto ist rechts das altehrwürdige Kino „Resi“ zu erkennen. An jenem Tag lief der Film „Wir, die Trottel vom 12. Revier.“. (Anmerkung: Dieser Film wurde bereits 1966 produziert. Ob es eine Erstvorführung oder Wiederholung war, konnte bisher nicht geklärt werden.)

1969 – Breite Straße mit dem Tambourcorps Oekoven, © Stefan Faßbender
1969 – Breite Straße mit dem Kino „Resi“, © Stefan Faßbender
1969 – Im Hintergrund das Erasmus-Gymnasium, © Stefan Faßbender
1969 – Leider unscharf, aber das Buckau-Wolf Gelände ist gut zu erkennen, © Stefan Faßbender
Anfang der 1970er Jahre – Breite Straße mit dem Kino „Resi“, © Stefan Faßbender
Anfang der 1970er Jahre – Breite Straße mit den Geschäften „Over“ und „Krahnen“, © Stefan Faßbender
Anfang der 1970er Jahre – Auf der Kölner Straße, © Stefan Faßbender
Anfang der 1970er Jahre – Auf der Breite Straße, © Stefan Faßbender

Mittlerweile etwas in die Jahre gekommen, zeigen die nachfolgenden Fotos das Vereinslokal „Lindenhof“ und die Zugmitglieder bei ihrem alljährlichen Königsehrenabend. Damals noch eine farbenfrohe Welt.

Mitte der 1970er Jahre – Das Vereinslokal „Lindenhof“, © Stefan Faßbender
Mitte der 1970er Jahre – Das Vereinslokal „Lindenhof“, © Stefan Faßbender
Mitte der 1970er Jahre – Festumzug in Höhe Ständehaus auf der Lindenstraße, © Stefan Faßbender
Mitte der 1980er Jahre – Festumzug in Höhe Buckau-Wolf, © Stefan Faßbender

Die Fahne des Jägerzuges Wildschütz wurde nach dessen Auflösung an das Archiv des BSV Grevenbroich 1849 e. V. übergeben und befindet sich heute im Schützenzimmer des Alten Schlosses.

© Stefan Faßbender
© Stefan Faßbender

Von den damaligen Mitgliedern des Jägerzuges „Wildschütz“ leben heute nur noch wenige Mitglieder.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024