Heute vor 75 Jahren wurde der Hemmerdener Helmut Sachs in Neustadt/Holstein befreit. Er war gerade erst 15 Jahre alt, seine gesamte Familie, seine Schwester Jenny, die Eltern Philipp und Henriette, waren im Holocaust ermordet worden. Ebenso wie Tanten und Onkel der Familien Theisebach, Aussen und Winter…
Hinter ihm lagen die Deportation in das Ghetto von Riga im Dezember 1941, das KZ Riga-Kaiserwald, das KZ Stutthof und ein Todesmarsch von dort in die Lübecker Bucht, zum Teil auch auf Kohlekähnen über See.
Noch als die Briten vor den Toren Neustadts standen und die Stadt Neustadt übergeben wurde, kam es wenige Stunden vor der Befreiung unter anderem durch den örtlichen Volkssturm, Marinekadetten der örtlichen Marineschule und SS-Bewachern zu einer „Jagd“ auf entflohene Stutthof-Häftlinge am Strand von Pelzerhaken…etwa 200 KZ-Insassen aus Stutthof wurden so noch kurz vor der Befreiung ermordet. Obwohl die Tätergruppen bekannt und zahlreiche Vorermittlungen stattfanden, wurde niemand zur Verantwortung gezogen. 2015 wurden die letzten Ermittlungen eingestellt.
Eigentlich sollten die Stutthof-Häftlinge auf den im Hafen von Neustadt liegenden Dampfer Athen verschifft und zu dem in der Neustädter Bucht auf Rede liegenden Dampfer Thielbeck bzw. Cap Arkona transportiert werden. Die Cap Arkona wurde noch am 3. Mai 1945 durch einen tödlichen Irrtum von der britischen Luftwaffe versenkt. Die Biten hatten nicht erkannt, dass es sich um ein “schwimmendes KZ-Schiff” mit 7000 wehrlosen Opfern handelte, fast alle Häftlinge kamen ums Leben.
Mehr Infos zu der Cap-Arkona Katastrophe und denn Vorgängen am 3. Mai 1945 in Neustadt gibt es hier…
Der Todesmarsch vom KZ Stutthof in die Lübecker Bucht war kein Einzelfall. Überall wälzten sich die Todesmärsche mit KZ-Häftlingen zurück ins Reich. Einen Überblick über die verschiedenen Märsche in der Lübecker Bucht gibt es hier…
Helmut Sachs lebte nach seiner Befreiung seit der Jahreswende 1945/46 für gut zwei Jahre in Hemmerden bei seiner Cousine Marianne Stern-Winter, ebenfalls Holocaustüberlebende aus Riga und Stutthof sowie einzige Überlebende ihrer Familie.
Nach Gründung des Staates Israel 1948 emigrierte Helmut Sachs für einige Jahre dorthin, bevor er Mitte der 1950er Jahre nach Hamburg zurückkehrte und dort bis zu seinem Tod 1981 lebte.
Derzeit gibt es einen Prozess gegen einen SS-Wachmann aus Stutthof vor dem Strafgericht in Hamburg. Er war nicht nur Aufseher im KZ, sondern begleitete auch die “Evakuierung” der KZ-Insasssen auf dem Seeweg nach Neustadt/Holstein. Der Angeklagte ist heute über 90 Jahre alt, das Verfahren läuft aber nach Jugendstrafrecht, da er zum Zeitpunkt der Taten minderjährig war.
Das Verfahren kommt spät, vielleicht zu spät. Aber: Mord verjährt nie…
Heute erinnert auch ein Museum und zahlreiche Friedhöfe und Denkmäler an die Ereignisse in Neustadt:
Beitrags-Foto: Muzeum Stutthof/Stutthof Museum Todesmarsch Stutthof-Neustadt Mai 1945 Einschiffung Kohlekahn.
Ein Gedanke zu „Befreiung von Helmut Sachs (15 Jahre) aus Hemmerden!“