Luftschiffe über Grevenbroich

Die Geschichte der Luftschifffahrt „spielte“ sich auch über Grevenbroich und ihren Stadtteilen ab. Heute sprechen wir in der Regel von Zeppelinen, die nach seinem Erfinder Ferdinand Adolph Heinrich August von Zeppelin (1838-1917) benannt sind. Allerdings gab es noch einen weiteren Luftschiffbauer namens August von Parseval (1861-1942), der die Epoche der Luftschifffahrt vorantrieb und prägte, aber heute weitestgehend vergessen ist.

Bereits im Jahr 1909 flog das erste Luftschiff über Grevenbroich und erregte damit sehr großes Aufsehen in unserer Region. Und dies war kein Luftschiff namens Zeppelin, sondern das Luftschiff „Parseval 3“, welches das erste lenkbare Luftschiff seiner Zeit war.

StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513

„Noithausen, den 31. Oktober 1909. Heute, 8.10 Uhr morgens überflog das erste lenkbare Luftschiff unseren Ort. Durch dasselbe wurde das ganze Dorf in Aufregung gebracht. Das Luftschiff flog in der Richtung Neuss – Jülich und hieß „Parseval 3“. Überall wurde dasselbe mit lautem Jubel begrüßt. In den nächsten Tagen manövrierten mehrmals die in Köln stationierten Reichsluftschiffe über Grevenbroich und dessen südlicher Umgebung.“

StA Grevenbroich, Schulchronik Gustorf, Sig. 329

„Ein lenkbares Luftschiff über hiesiger Gegend. Parsevall war von der Kölner Luftschiffhalle kam zwischen 2 ½ Uhr bis über Grevenbroich, wandte sich in elegantem Bogen und führ mit großer Schnelligkeit wieder zurück.“

(Anmerkung: Wer sich besonders für die Kölner Luftfahrt interessiert, empfehle ich die Webseite „http://www.luftfahrtarchiv-koeln.de“ zu besuchen, die großartige Fotos zeigt und die Luftfahrt allgemein beschreibt.)

Obwohl in den nächsten Jahren intensiv an Luftschiffen geforscht wurde und eine stete Verbesserung – auch im Hinblick auf die Nutzung im Ersten Weltkrieg – zu erkennen war, wurde in den Schulchroniken fast 20 Jahre lang nicht mehr davon berichtet. Erst im Oktober 1928 fanden Luftschiffe wieder Erwähnung, dies jedoch in gewaltigem Umfang.

So schreibt der Noithausener Schulchronist: „Am 15. Oktober 1928 fand aus Anlass der denkwürdigen Überfahrt des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ nach Amerika eine vaterländische Feier statt, wobei die Kinder auf die hohe nationale Bedeutung dieses Ereignisses hingewiesen, und die tapferen Ozeanbezwinger in gebührender Weise geehrt wurden. Die letzte Unterrichtsstunde war schulfrei.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Noithausen, Sig. 513)

Der Lehrer Brass schrieb dazu: „10. Oktober 28. Abflug des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ nach Amerika. Das ganze deutsche Volk verfolgt mit Stolz und Teilnahme den Flug des Luftschiffes nach Amerika. Zeitungen und Radio stehen ganz im Dienste der Berichterstattung. Nebenstehend: Bericht der „Kölnischen Volkszeitung“ über den Flug und die Ankunft in Amerika.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 42, Sig. 216)

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 43, Sig. 216

Gemäß der Anordnung von Herrn Kreisschulrat Scheuten, die in Elfgener Schulchronik erhalten geblieben ist, dürften nicht nur die Schulen Elfgen und Noithausen eine vaterländische Feier abgehalten haben und die letzte Schulstunde freigegeben haben, sondern alle Schulen im damaligen Kreis.

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 44, Sig. 216

„1. November 1928. Rückkehr des Luftschiffes „Graf Zeppelin“. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist verhältnismäßig rasch und wohlbehalten aus Amerika nach Friedrichshafen zurückgekehrt. Soeben hörte ich am Radio die Empfangsfeierlichkeiten in Friedrichshafen. Nach vielen Begrüßungen und Glückwünschen nahm als Letzter Dr. Eckener das Wort. Er wies die Ehrungen zurück und wollte sie nur für seine Besatzung angebracht wissen. Er schilderte die großen Schwierigkeiten, besonders der Rückfahrt. Seine Ausführungen gipfelten in dem Urteil: „Der Ozean ist in der Luft noch nicht bezwungen. Es muss am Schiff, seiner Motorenstärke und seiner Stabilität noch viel verbessert werden, bis man einigermaßen Herr der Elemente und der Tücken ist.“ Der Empfang war äußerst klar und die Übertragung so gut, dass man die Feierstunde miterlebte.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 46f., Sig. 216)

Im Hinblick auf den verlorenen Ersten Weltkrieg und den damit verbundenen schweren Schicksalsjahren (z. B. Reparationszahlungen, Hungersnöte etc.) stellt die nachfolgende Abschrift aus der Elfgener Schulchronik die Einstellung der Deutschen, wohl in nicht nur in unserem Kreis, dar.

„28.8.29. Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ ist auf einer Weltreise. Die Fahrt geht durch Deutschland, Russland, Sibirien nach Japan. Von dort aus über den Stillen Ozean nach Nordamerika. Augenblicklich befindet er sich auf der Fahrt über die Vereinigten Staaten. Es ist eine Triumphfahrt deutschen Geistes und deutscher Arbeit. – Vor einigen Wochen holte sich die „Bremen“, ein neuer Dampfer des Norddeutschen Lloyd, das „blaue Band des Ozeans“ – Diese Leistungen deutscher Arbeit sind, die solche einzigen vaterländischen Symbole, in denen sich unser Volk zusammenfindet, – die uns blieben. Im Haag sitzen die Außenminister der „Sieger“ mit unseren Vertretern und können sich nicht einig werden über die Geldfragen. Alle fürchten, sie könnten zu kurz kommen. Wir haben bitterwenig zu sagen. Es ist doch hart, so ganz dem Siegerwillen ausgeliefert zu sein! – Aber Gott gibt uns den „Zeppelin“ und die „Bremen“, damit wir unseren Mut behalten.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 3, Seite 70)

Begründet im Wesen der NS-Zeit, blühte das Thema Luftschiffe insbesondere im Hinblick auf die Propaganda der NSDAP vollends wieder auf. Über jeden Flug eines Zeppelins wurde sowohl in Presse als auch im Radio berichtet. So blieb „glücklicherweise“ auch die Elfgener Schulchronik davon nicht „verschont“ und kann uns heute einen sehr guten Einblick in die damalige Zeit geben.

„29.3.1936. Nach der Frühmesse am Sonntag zog das Luftschiff L.Z. 127 „Graf Zeppelin“ von Rheydt [Heimatort von Goebbels] nach Aachen fliegend, am westlichen Himmel vorbei. Gegen 8 ½ Uhr hörte ich am Rundfunk die Unterhaltung zwischen L.Z. 129 „Hindenburg“ und dem Reichssender Köln. „Hindenburg“ meldete, dass es soeben Rheydt verlasse. Ich eilte zum Küchenfenster und sah den Riesen über Belmen blinken.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 217)

Weihnachtsbaumschmuck LZ 127 aus den 1930er. Sammlung André Rasch
Niederrheinische Volkszeitung Nr. 90 vom 30. März 1936
StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 110, Sig. 217

„31. März 1936. Dieser erste Flug des neuen Zeppelin L.Z. 129 „Hindenburg“ führte auch über Elfgen. Der Luftriese kam aus Richtung Grevenbroich und überquerte Elfgen in Richtung Otzenrath. Sehr deutlich waren Namen, Hakenkreuz und Flugkabinen zu erkennen, ebenso die Propeller. Die Leute eilten auf die Straße. Begeisterung und Stolz erfüllt uns ob dieses neuen Beweises deutscher Kraft und Tüchtigkeit.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 110, Sig. 217)

„7.5.36.„Zeppeline“ überfliegen Elfgen. Heute Nacht, 1 Uhr überflog das Luftschiff „Hindenburg“ auf seiner ersten Nordatlantikfahrt unseren Ort. Soeben, 21 Uhr kehrte der „Graf Zeppelin“, hell erleuchtet, aus Südamerika zurück.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 114, Sig. 217)

„17.5.36. Zweite Nordatlantikfahrt des „Hindenburg“. Es ist Sonntagmorgen, 7 Uhr. Die Leute eilen zur Frühmesse. Da nähert sich das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“, mit leichtem Gebrumme aus der Richtung Gustorf kommend und überfliegt, silbern glänzend, in majestätischem Fluge unsere Kirche. Er kommt von Frankfurt a. M. und macht seine zweite Fahrt über den Nordatlantik. Es scheint, dass die Fahrten stets über unsere Gegend führen. Das freut uns sehr. Der Anblick des herrlichen Luftschiffes erfreut immer wieder. Stolze Freude ist es, die alle erfüllt ob dieser prachtvollen deutschen Leistung.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 115, Sig. 217)

„25.5.36. L.Z. 129 „Hindenburg“. kam um 22.30, von Frankfurt kommend und nach Südamerika fahrend, hell erleuchtet, über Elfgen daher. Immer wieder verlassen wir in Zeppelinbegeisterung die Ruhelager und können die Freude nicht fassen, dass unser Dorf in der Fahrtroute des stolzen Luftschiffes liegt.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 117, Sig. 217)

„Sept. 36. Das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“ passiert auf seinen Amerikafahrten immer wieder unseren Ort.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 125, Sig. 217)

Wie kritisch man mit Berichten aus den 1930er Jahren umgehen sollte, zeigt nachfolgender Eintrag. Über jeden Überflug eines Zeppelins wurde voller Begeisterung geschrieben und dieser entsprechend auch in Schulchroniken oder Presse festgehalten. Über das tragische Unglück des Absturzes in Lakehurst wurde jedoch in der Schulchronik nur in einem Nebensatz in Klammern berichtet (Hervorhebungen erfolgten durch den Autor dieses Beitrages).

„3.5.37. Das Zeppelinluftschiff „Hindenburg“ kam gegen ½ 10 Uhr abends auf seiner ersten diesjährigen Nordatlantikfahrt wieder hellerleuchtet über unseren Ort. (Verbrannte bei der Landung in Lakehurst am 6.5.37) (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 4, Seite 147, Sig. 217)

Annener Zeitung Nr. 105 vom 8. Mai 1937
Bochumer Anzeiger Nr. 106 vom 8. Mai 1937

Nach dem Absturz der „Hindenburg“ wurde im September 1938 das Schwesterschiff, die LZ 130, auf den Namen „Graf Zeppelin“ getauft und in Betrieb genommen. Die Fotos wurden vermutlich im Kreis Neuss aufgenommen, da sie aus dem Fotoalbum eines Meerbuscher Bürgers stammen.

LZ 130 „Graf Zeppelin“ um 1938/1939. Sammlung André Rasch
LZ 130 „Graf Zeppelin“ um 1938/1939. Sammlung André Rasch

Ein herzliches und großes DANKESCHÖN an André Rasch, der dem Geschichtsverein die Abbildungen der Luftschiffe und des Weihnachtsschmucks für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat und ihn dadurch enorm bereichert hat.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

 

2 Gedanken zu „Luftschiffe über Grevenbroich“

  1. Hallo
    Mein Vater, Theo Bremer,
    Jahrgang 1932, erzählte zu Lebzeiten, dass seine Eltern ihn extra geweckt hatten, als das Luftschiff damals über Allrath flog. Es ging wohl tiefer, warf Postsäcke ab, und drehte nach Westen. So seine Erzählung.
    mfg
    Arnd Bremer

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