Sicherlich erinnern sich noch viele an diese Nacht als morgens um 3.20 Uhr Gläser und Tassen in den Schränken klirrten oder sogar die Betten in Wohnungen und Häusern wackelten.
Es war das stärkste Beben seit 1756 im Rheinland und hatte im deutsch-niederländischen Grenzgebiet eine Stärke von 5,9 auf der Richterskala. Das Epizentrum lag in den Niederlanden, ca. 4 km südwestlich von Roermond. Das Beben wurde in einer Tiefe von 18 Kilometern ausgelöst. Mehr als 30 Personen wurden – hauptsächlich durch herabfallende Schornsteine und Dachziegel – verletzt. Der geschätzte Sachschaden im Rheinland wurde auf etwa 150 Millionen DM beziffert. Im Raum Heinsberg wurden mehr als 150 Häuser beschädigt. Einige davon waren so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. In Köln stürzte sogar eine Kreuzblume vom Dom. Da die Niederrheinische Bucht eines der aktivsten Erdbebengebiete Mitteleuropas ist, tritt im langfristigen Mittel etwa alle 150 Jahre ein solches Beben auf.[1]
Mit diesem kurzen Beitrag möchte der Geschichtsverein Grevenbroich aufzeigen, dass es auch schon früher Erdbeben in Grevenbroich und den angrenzenden Regionen gab, welche das Leben der Grevenbroicher Bürger beeinflusst und vermutlich auch große Ängste hervorgerufen haben.
Unser Mitglied Stefan Faßbender, Familien- und Heimatforscher im Arbeitskreis Familienforschung, stieß im Jahr 2021 bei der Transkription aller Elfgener Schulchroniken von 1873 bis 1950 auf verschiedene Einträge, die dies belegen, da sie ansonsten wohl keine Erwähnung in den vorgenannten Schulchroniken gefunden hätten. Die Erdbeben werden in chronologischer Folge dargestellt.
- Das Erdbeben vom 24. Juni 1877:
„Juni 24. Zwischen 8 u. 9 Uhr morgens Erdbeben in der Rheinprovinz. Hier erzitterten alle Gegenstände mächtig; in Aachen sind mehrere Schornsteine u. Giebelwände eingestürzt.“[2]
Gemäß dem Deutsche GeoForschungsZentrum in Potsdam fand das Erdbeben im Raum Herzogenrath (nördlich von Aachen) statt und hatte eine Magnitude von 5,3 auf der Richterskala.[3] Weitere Informationen über andere Schäden oder gar Tote sind nicht zu finden.
- Das Erdbeben vom 26. August 1878:
„Aug. 26. Erdbeben. Die Erschütterung war sehr heftig und dauerte fast 20 Sekunden. Die Schulkinder, die sich wie auf Commando von ihren Sitzen erhoben hatten, konnten sich kaum auf den Beinen halten. In heller Angst verließen Lehrer und Schüler die Säle. – An meiner Dienstwohnung stürzte der Kamin theilweise ein. – Die Stöße wiederholten sich nachher noch mehrere Male.“[4]
Gemäß dem Deutsche GeoForschungsZentrum in Potsdam fand das Erdbeben im Raum Tollhausen bei Elsdorf (westlich von Köln) statt und hatte eine Magnitude von 5,9 auf der Richterskala.[5] Wie in Herzogenrath am 24. Juni 1877 waren bei diesem Beben in vielen Regionen rund um Tollhausen zahlreiche Gebäude von Mauerrissen, Giebeleinstürzen und Kaminschäden betroffen. Außerdem war mindestens ein Todesopfer zu beklagen.
„Dieses Beben hatte eine makroseismische Reichweite von etwa 300 Kilometer. […] Viele Schornsteine stürzten damals in Aachen ab; in der Kreuzkirche fiel eine Figur vom Altare. In Köln schlug die kleine Glocke des Domes mehrmals an. In der St. Gereonskirche schwankten die Pfeiler so stark, daß die Gläubigen von Schrecken erfüllt hinauseilten. Von herabstürzenden Kaminen wurden in Köln damals mehrere Personen verletzt und eine getötet.“[6]
- Das Erdbeben vom 10. Juli 1931:
„Erdbeben in Elfgen 10.7.1931
Gegen 18 Uhr verspürte man in Elfgen Erdstöße. Es war, als ob ein schwerer Lastwagen vorbeiführe. Ich befand mich auf einem Spaziergang und habe nichts wahrgenommen. Von den 43 Kindern meiner Klasse nahmen 4 das Beben wahr. Die Berichte dieser Kinder habe ich pflichtgemäß an die Erdbebenwarte Aachen gesandt.“[7]
In der Elfgener Schulchronik ist ein Aufsatz von Dr. Th. Kappes im Originaldruck enthalten, der nachfolgend in Teilen wörtlich zitiert wird.
„Am 10. Juli 1931 gegen 18 Uhr wurde ein großer Teil der Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln durch ein Erdbeben erschüttert. Über dieses Beben erhielt die Aachener Erdbebenwarte insgesamt 150 Mitteilungen aus 115 Orten. Die Ausdehnung des zusammenhängenden Schüttergebietes beträgt danach, wie die hier beigegebene Karte zeigt, in südwestnordöstlicher Richtung und in der senkrecht hierzu stehenden Richtung rund 90 Kilometer.
Nennenswerter Schaden ist nirgendwo entstanden. Als größte Schütterwirkung wurde die Bebenstärke 5 beobachtet. Eine Zone dieser Bebenstärke bilden die Ort Bedburg, Glesch und Elsdorf. In Bedburg fiel ein Beobachter von einem Stuhl. In Glesch liefen die Ortsbewohner erschreckt auf die Straße. In Elsdorf hörte ein Beobachter starkes Donnern und verspürte zugleich einen gewaltigen Stoß, so daß das Haus erzitterte. Die Wände krachten, und Kalk rieselte ab. Bei anderen Bewohnern schwankten die Schränke. In einem Zwinger liefen die Hunde wie toll umher und heulten furchtbar. […]
Innerhalb der Zone 4,5 ist noch Dormagen mit der Stärke 5 erschüttert worden. In der Schulklasse des Schulgebäudes bröckelte der Verputz ab. Auf dem Speicher fielen eine leere Flasche und ein Blumentopf um. In einem Neubau wurde eine Bodensenkung von etwa ein Zentimeter verursacht, so daß das Schloß der Haustür vollständig versagte.“[8]
Auf der nachfolgenden Karte, die ebenfalls aus „Das Beben vom 10.7.1931 von Dr. Th. Kappes, Sonderdruck aus dem Politischen Tagesblatt vom 29. August 1931“ entnommen wurde, sind die einzelnen Erdbebenzonen rund um Grevenbroich sehr gut zu erkennen.
- Das Erdbeben vom 21. November 1932:
„Ein Erdbeben 21.11.32
wurde diese Nacht um 38 Minuten nach 12 Uhr verspürt. Viele Bewohner wurden aus mitternächtigem Schlafe geweckt. Möbel gerieten ins Wanken. Porzellan klirrte im Schranke. Es waren 2 Stöße von einer Gesamtdauer v. 5 – 6 Sekunden.“[9]
In der Elfgener Schulchronik ist ein Aufsatz von Otto Koentges im Originaldruck enthalten, der nachfolgend in Teilen wörtlich zitiert wird.
„Erdbeben vom 21. November 1932. Den Erderschütterungen, die im Rheinland am 1.4. und 10.7.1931 gespürt wurden, folgte erst wieder am 21. Nov. 1932 um 0 Uhr 38 Minuten ein ohne Instrumente bemerkbares mittelstarkes Erdbeben. Es weckte einen großen Teil der Bevölkerung der Rheinprovinz aus dem Schlafe.
Das Schüttergebiet dieses Erdbebens erstreckt sich, so weit bekannt geworden ist, über Holland, Belgien, Luxemburg, die Rheinprovinz, Westfalen und Teile von Hannover. Der Erdbebenwarte Aachen gingen aus 281 Orten der Rheinprovinz insgesamt 477 Mitteilungen über dieses Beben zu. Vorstehende Karte zeigt die Orte gleicher Bebenstärke. Sie enthält nur Orte, aus denen der Erdbebenwarte Nachrichten zugegangen sind. Sie wurde ohne Benutzung einer geologischen Karte entworfen. […]
In der Rheinprovinz ist die größte Bebenstärke 6 in den Orten Hüls in der Nähe von Krefeld, und in Lobberich, östlich Kaldenkirchen beobachtet worden. In Lobberich blieb eine Wanduhr stehen. Aus dem Küchenschrank stürzten Teller zu Boden. Kinder fielen aus den Betten; viele Leute liefen erschreckt mangelhaft bekleidet ins Freie.
In Hüls fiel ein Kleiderschrank um und von einem Balkon löste sich eine große Verzierung mit dem Verputz und fiel auf die Straße. Ein Glasballon mit 50 Liter Wein kippte um und zerbrach. […]
Das vorliegende Erdbeben ist seit 1926 das heftigste gewesen. Doch ist, wie bei jenem, nirgendwo bedeutenderer Schaden entstanden. Die Dauer der Erschütterungswirkungen wird zwischen wenigen Sekunden und drei Minuten angegeben.“[10]
Auf der nachfolgenden Karte, die ebenfalls aus „Erdbeben vom 21. November 1932 von Otto Koentges, Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Erdbebenwarte Aachen, Ort des Abdruckes unbekannt“ entnommen wurde, sind die einzelnen Erdbebenzonen rund um Grevenbroich sehr gut zu erkennen.
Der Geschichtsverein Grevenbroich bedankt sich beim Stadtarchiv Grevenbroich für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrages, der sicherlich auch für den Geschichtsverein etwas Ungewöhnliches in seiner Art des Themas darstellt.
[1] Geologischer Dienst NRW, https://web.archive.org/web/20131029194510/http://www.gd.nrw.de/zip/ l_yroer.pdf, Abruf am 11. Juni 2022 um 14.55 Uhr
[2] Stefan Faßbender, Transkription der Elfgener Schulchronik 1873 – 1897, StA Grevenbroich, Best GV 12 Schulchroniken Nr. 214
[3] https://www.gfz-potsdam.de/sektion/erdbebengefaehrdung-und-dynamische-risiken/themen/hintergrund informationen-erdbeben/seismizitaet-in-deutschland, Abruf am 11. Juni 2022 um 15.54 Uhr
[4] Stefan Faßbender, Transkription der Elfgener Schulchronik 1873 – 1897, StA Grevenbroich, Best GV 12 Schulchroniken Nr. 214
[5] https://www.gfz-potsdam.de/sektion/erdbebengefaehrdung-und-dynamische-risiken/themen/hintergrund informationen-erdbeben/seismizitaet-in-deutschland, Abruf am 11. Juni 2022 um 16.16 Uhr
[6] Das Beben vom 10.7.1931 von Dr. Th. Kappes, Sonderdruck aus dem Politischen Tagesblatt vom 29. August 1931, Aachener Zeitung, Aachen.
[7] Stefan Faßbender, Transkription der Elfgener Schulchronik 1927 – 1933, StA Grevenbroich, Best GV 12 Schulchroniken Nr. 216
[8] Das Beben vom 10.7.1931 von Dr. Th. Kappes, Sonderdruck aus dem Politischen Tagesblatt vom 29. August 1931, Aachener Zeitung, Aachen.
[9] Stefan Faßbender, Transkription der Elfgener Schulchronik 1927 – 1933, StA Grevenbroich, Best GV 12 Schulchroniken Nr. 216
[10] Erdbeben vom 21. November 1932 von Otto Koentges, Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Erdbebenwarte Aachen. Ort des Abdruckes ist unbekannt.
https://m.facebook.com/groups/345388769191870/permalink/1394062754324461/
Hier befindet sich eine Schulchronik aus Königshoven mit Hinweisen zum Thema Erdbeben…
Sehr guter Artikel, es war mir bisher nicht bewußt, dass die Erde in unserer Gegend so häufig “gewackelt” hat. Die einfügten Augenzeugenkommentare aus den Chroniken bringen dem Leser dieses Thema noch näher. Vielen Dank für diese umfassende Darstellung.