Napoleonischer Soldat gründet Familie in Gustorf

Mein Vorfahre Peter Spindler

Bei der Suche nach seinen Vorfahren stößt man immer wieder an seine Grenzen. Im Allgemeinen bezeichnet der Genealoge – Forscher auf dem Gebiet der Genealogie, gemeinhin auch als Ahnen- oder Familienforscher bezeichnet – diese Grenzen als „tote Punkte“.

In Wikipedia werden „tote Punkte“ so definiert: „Als Toter Punkt wird in der Genealogie der Endpunkt einer Ahnenlinie bezeichnet, ab dem weitere Ahnen mit naheliegenden Methoden nicht ohne weiteres zu finden sind, aber begründete Hoffnung besteht, weitere Zusammenhänge aufzuklären.“

Vor vielen Jahren hatte ich einen solchen Punkt erreicht, als ich die Herkunft von Peter Spindler, den Vater meiner Vorfahrin Maria Magdalena Spindler aus Gindorf, nicht ermitteln konnte. Dies blieb viele Jahre so, bis ich mich im Arbeitskreis Familienforschung im Geschichtsverein Grevenbroich an der Verkartung von Kirchenbüchern aus Grevenbroich, Jüchen und Umgebung beteiligte. In zahlreichen Stunden erfassen Verkarter seit Jahren standesamtliche und Kirchenbucheinträge. Dadurch erhielt ich über das vom Arbeitskreismitglied Thomas Froitzheim entwickelte Programm Genius, welches alle Verkartungen der erfassten Orte aufnimmt, nun auf einmal Hinweise, die auf eine mögliche Herkunft von Peter Spindler hindeuteten.

Der Dom von Gustorf (erbaut 1872) im Jahr 1970.

© StA Grevenbroich, Nr. 17-GuKir-022

Verschiedene Informationen zum gesuchten Vorfahren, zu Ehepartnern, Kindern und auch Eltern erschlossen sich plötzlich. Der tote Punkt war überwunden.

Peter Spindler verstarb am 16.11.1840 in Gindorf 80-jährig und wurde am 20.11.1840 auf dem Friedhof in Gustorf beigesetzt. Er war dem Eintrag nach Witwer von Maria Magdalena Müller und stammte lt. Verkartung aus Rinzlingen. Einen Ort mit diesem Namen konnte ich jedoch nicht finden. Weitere Urkunden gaben hier weitere Hinweise, dass es sich möglicherweise um Rimlingen handeln könnte.

Mit Maria Magdalena hatte er – soweit ermittelbar – zwei Söhne und zwei Töchter, von denen jedoch drei entweder kurz nach der Geburt oder innerhalb des ersten Lebensjahres verstarben. Vorher war er mit Magdalena Schiffers verheiratet, mit der ebenfalls zwei Söhne und zwei Töchter hatte, von denen nach dem derzeitigen Forschungsstand nur die beiden Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Eine der beiden war meine Urururgroßmutter Maria Magdalena Spindler. Die Taufurkunde des ersten Sohnes der noch unehelich geboren und am 24.2.1797 in Gustorf getauft wurde, weist den Vater Peter Spendeler als französischen Soldaten aus.

Taufe von Johann Anton Schiffers, illegitimer Sohn von Magdalena Schiffers und Peter Spendeler einem “milite gallico” = französischen Soldat am 24. Februar 1797 im Kirchenbuch von Gustorf (zum vergrößern Bild anklicken)

Er gehörte also offensichtlich der Armee Napoleons an. Truppen Napoleons hatten am 2. Oktober 1794 bei Jülich über die Österreicher in der zweiten Schlacht von Aldenhoven, der sogenannten Schlacht an der Rur[1], gesiegt und am 4. Oktober 1794 marschierten napoleonische Revolutionstruppen hier ein und besetzten das Dycker Land[2], Grevenbroich sowie das ganze Erzbistum Köln auf der linksrheinischen Seite. Als Hauptquartier wurde das nahe Dyck gelegene Kloster St. Nikolaus ausgewählt.

Die Heiratsurkunde mit seiner zweiten Frau Maria Magdalena Müller vom 12.7.1814 in Gustorf gab als Geburtsort Rimling an, der kirchliche Heiratseintrag vom 11.11.1797 in Gustorf mit seiner ersten Frau Magdalena Schiffers bestätigte die Herkunftsangabe.

Heiratseintrag von Peter Spendeler und Magdalena Schiffers vom 11. November 1797 im Kirchenbuch von Gustorf (zum vergrößern Bild anklicken)

Auch die Eltern Josef Spendeler und Anna Maria Cremer, letztere mit Wohnort in Rimling im Territorium Lothringen in der Diözese Metensis (Metz) werden genannt. Der Vater Josef Spendeler war zwei Jahre zuvor gestorben, wie sich bei weiterer Forschung herausstellen sollte. Weiterhin wird in der Urkunde geschrieben „facta prius a Satrapa in Liedberg figendi hic Domicilii venia“, was wohl frei übersetzt so viel bedeutet wie „vorher war er Verwalter auf der Festung Liedberg gewesen und hat dann hier Wohnsitz genommen“. Satrapa hat hier die Bedeutung von Statthalter, Amtmann oder Verwalter. Gustorf, Gindorf, die Güter Nanderath, Ingenfeld und Neuhöfchen sowie Gürath hatten bis zum Einmarsch der Franzosen zusammen mit Frimmersdorf den Dingstuhl Frimmersdorf im Amt Liedberg gebildet, welches zum Kurfürstentum Köln gehört hatte. Diese Verwaltung hielten die Franzosen noch bis 1798 bei. Daher könnte Peter Spendeler für die Verwaltung dieses räumlich von Liedberg getrennten Territoriums bis zur Neuordnung der Verwaltung und der Einrichtung von Bürgermeistereien um 1798 verantwortlich gewesen sein und dabei Magdalena Schiffers kennengelernt haben.

Auffällig war, wie sich im Laufe der Forschung herausstellen sollte, dass er zum Zeitpunkt der Heirat bereits fast 37 Jahre alt und Magdalena 34 Jahre alt war. Seine Lebenserfahrung könnte daher für eine höhere Funktion in der französischen Armee sprechen, denn einem jungen einfachen Soldaten würde man wohl kaum die Verwaltung eines so großen Verwaltungsbezirks anvertrauen.

Der Hinweis auf den Geburtsort Rimling in Lothringen ergab, dass es sich um das heutige rund 650 Einwohner zählende Dorf Rimling im Departement Moselle in der Region Grand Est in der Grenznähe zum heutigen Saarland, etwa 28 Kilometer südöstlich von Saarbrücken gelegen, handelte.

Eine wunderschöne Postkarte, die die Dorfstraße in Rimling darstellt, ist unter nachfolgendem Link zu finden. Aus rechtlichen Gründen darf diese hier nicht direkt abgebildet werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Rimling#/media/Datei:Rimling.jpg

Da für Rimling bereits Urkunden digital vorlagen, war eine Forschung deutlich leichter und es ließ sich feststellen, dass Peter Spendeler am 19.2.1761 in der dortigen Pfarrkirche als Sohn von Joseph Spindler und Regina Cremer getauft wurde.

Eine deutschsprachige Postkarte von Rimlingen in Lothringen mit Kirche, Dorfstraße und Pfarrhaus ist unter nachfolgendem Link zu finden. Aus rechtlichen Gründen darf auch diese hier nicht direkt abgebildet werden.

http://www.bitscherland.fr/Canton-de-Volmunster/Rimling/Images/Anciennes/rimling-vues-1905-1910.JPG

Weitere Tauf-, Heirats- und Sterbeeintragungen in Kirchenbüchern wurden gefunden und da diese wie die hiesigen in lateinischer Sprache verfasst wurden, waren sie leicht zu lesen.

Taufeintrag von Joseph Spindeler, Vater des französischen Soldaten in Gustorf, im Kirchenbuch Rimling (zum vergrößern Bild anklicken)

Zahlreiche Tauf-, Heirats- und Sterbeeintragungen wurden auf verschiedenen französischen genealogischen Seiten gefunden, so dass sich die Ahnenfolge bis zu den Urgroßeltern, in einem Fall sogar bis zu den Urururgroßeltern von Peter Spindeler bzw. Spendeler, also 6-fachen Urgroßeltern von mir, zurückverfolgen ließ. Die meisten Vorfahren ließen sich in der Nähe von Rimling sowohl auf französischer als auch auf deutscher Seite finden, so dass sich mein Stammbaum bei diesen Vorfahren teils bis um 1600 zurückverfolgen ließ. Die Spindler-Vorfahren stammten im Übrigen sogar ursprünglich aus Allmannsdorf bei Konstanz.

Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

[1] Rixen, Otzenrath – Ein Heimatbuch, 1969

[2] Janssen/Kirchhoff/Wiegelmann, Elfgen und Belmen – Zwei Dörfer im Grevenbroicher Braunkohlengebiet

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