Der Kirchenraub in Kapellen.

„Der Kirchenraub von Kapellen. Die Täter müssen orts- und sachkundig gewesen sein.“

So titelte ein Artikel einer unbekannten Zeitung am 9. Juni 1931, der in die Kapellener Schulchronik eingeklebt wurde.

Transkription des Artikels, der kaum noch zu lesen ist: Kapellen. Zu dem Einbruch in der hiesigen Pfarrkirche wird […] noch mitgeteilt: Es wird vermutet, dass sich der oder die Täter nach der nachmittägigen Sonntagsandacht in die Kirche haben einschließen lassen. Alle Personen, die am Sonntag, den 7. Juni, Fremde im Orte oder sonstige Verdächtige vermerkt haben, werden gebeten, ihre Wahrnehmungen möglichst sofort dem Bürgermeisteramt, Zimmer 4, mitzuteilen. Geheimhaltung der Namen der Auskunft gebenden wird zugesichert.
Der oder die Täter sind mit solcher Kenntnis der Dinge zu Werke gegangen, dass Ortskundigkeit angenommen werden muss. Insbesondere haben sie den Tabernakelschlüssel gefunden, obwohl derselbe an keinem leicht erkennbaren Orte aufbewahrt wurde. Der Kelch ist in der Sakristei entwendet worden. Dort waren auch die hl. Hostien zerstreut. Den Tabernakel dagegen haben die Diebe wieder verschlossen, nachdem sie die hl. Hostien in das Tabernakel gelegt hatten.
Wir noch hören, hat man gegen 1 Uhr des Nachts in der Kirche Licht gesehen, der Sache aber keine besondere Bedeutung beigemessen. Nach der Tat haben sich die Täter dadurch entfernt, dass sie den Riegel des Kirchentores von innen entfernten und die Tür aufdrückten. Die Polizei ist dabei, Nachforschungen anzustellen und verfolgt gewisse Spuren.
Wie wir noch erfahren, beträgt der Schaden für die Kirche etwa 8000 Mark. Nach Zeugenaussagen soll sich am Vorabend der Tat ein Motorradfahrer in Kapellen aufgehalten haben, der sich verdächtig machte. Andere haben eine verdächtige Person gesehen, die sich an der Kirche zu schaffen machte. Die Orts- und Landespolizei setzen ihre Untersuchung fort. Einige Personenbeschreibungen Verdächtiger liegen vor und Spuren werden verfolgt. Seit gestern Mittag arbeitet auch die Neusser Kriminalpolizei an der Aufdeckung der Täter mit.“

Der Lehrer schrieb folgende Ergänzungen in die Schulchronik Kapellen:

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366

Transkription des Textes: „In der Nacht vom 7. zum 8. Juni wurde in die hiesige Kirche eingebrochen. Der Dieb hatte sich abends in die Kirche eingeschlichen und sich dort einschließen lassen. Das war leicht möglich, weil die Kirche neu bemalt wurde und zu diesem Zwecke ein Gerüst aufgestellt war. Gestohlen wurde eine Monstranz aus dem Jahre 1610, ein Ciborium aus dem Jahre 1750, ein 2. Ciborium u. 1 Kelch.“

Danach folgt ein weiterer Zeitungsartikel über die Festnahme der Diebe.

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366


Transkription des Zeitungsartikels, der ebenfalls nur sehr schlecht zu lesen ist:
„Reuelose Kirchenräuber. Wie die Kapellener Kirchendiebe gefangen wurden. Kapellen. Wie wir von Düsseldorf erfahren, sind die Kirchenräuber von Kapellen ohne jedes Zeichen von Reue. Sie waren wohnungslos und trieben sich in Düsseldorf herum. Auf ihren Bettelfahrten sind sie schon früher in die hiesige Gegend gekommen und haben schon seit einiger Zeit vorgehabt, die hiesige Kirche zu berauben. Die Kirche ist der Bevölkerung bis abends zugänglich. Außerdem ist sie im Innern augenblicklich durch ein Gerüst sehr unübersichtlich gemacht, was ein Einschleichen und Verstecken sehr erleichterte.
Am Tage der Tat sind sie von Düsseldorf nach Kapellen gegangen, um ihre Absicht auszuführen. In einem Eisenbahnschachtloch bei Zweifaltern hätten sie ausgeruht, um gegen Abend zum Tatort zu gehen. Einer schlich sich ins Gotteshaus und versteckte sich im Treppenhaus zur Orgelbühne, während der andere draußen Schmiere stand. Nachdem der Küster die Kirche verschlossen hatte, begann der […]täter […] der Sakristei mit Einbrecherwerkzeugen seine Untat. Den Schlüssel zum Tabernakel hat er wieder in den Schrank gehi[…]. Gegen 10 Uhr verließ er die Kirche durch die Tür, die er aufbrach. Beide Täter kehrten wieder nach Düsseldorf zurück.
Die Polizei kam sofort auf ihre Spur, weil der Ältere der Verbrecher als „Fachmann“ bekannt ist. Er wurde auch sofort unter Polizeibeobachtung gestellt und es ergab sich, dass er die Kirchengegenstände bei einem gleichfalls bekannten Trödler verkaufen wollte. Bei der Vernehmung bezeichneten beide sofort das Versteck des gestohlenen Gutes. Nur noch ein Ziborium ist ganz erhalten, alles andere ist zertrümmert.
Der Unhold von Haupttäter hat sogar einen Teil der Hostien, darunter die große aus der Monstranz, mitgenommen und unterwegs gegessen.“

Ähnlich umschrieb das Rheinische Volksblatt die Festnahme der Kirchenräuber.

Rheinisches Volksblatt Nr. 135 vom 12. Juni 1931


Bereits am 3. September 1931 fand vor dem Mönchengladbacher Gericht die Verhandlung zu dem Kapellener Kirchenraub statt. Beide Täter wurden zu Zuchthausstrafen verurteilt.

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366


Ein identischer Zeitungsartikel ist in der Westdeutsche Landeszeitung Nr. 242 am 4. September zu finden, welcher lediglich eine andere Überschrift trägt. Nach dem Urteil gingen beide Täter in die Berufung, welche aber in einem Fiasko endete, da die große Strafkammer zur Überzeugung kam, dass beide Personen an der Tat beteiligt waren. Letztendlich verlängerten sich die Haftstrafen sogar, da durch die Berufung die erlittene Untersuchungshaft seit dem 3. September 1931 nicht auf die Haftstrafe angerechnet wurde.

Westdeutsche Landeszeitung Nr. 290 vom 22. Oktober 1931


Sämtliche Gegenstände wurden bei dem Raub zum Teil erheblich beschädigt. Die Pfarre beauftragte daher Franz Bell, die Gegenstände zu restaurieren und zerstückelte Gegenstände wieder zusammen zu setzen. „Als erstes wurde das sehr zerstampfte Ziborium dann in Arbeit gegeben. Trotz der Schwierigkeiten wurde es nach kurzer Zeit in solch tadellosem Zustand hergestellt, dass auch keine Spur mehr von einer Demolierung zu sehen war. Die Monstranz war in 22 Teile zerstückelt worden. Einige Teile fehlten vollständig. Es war eine mühsame Arbeit, die nur von fachkundiger Hand und nur mit Hingebung an die kirchliche Kunst geleistet werden konnte.“

StA Grevenbroich, Schulchronik Kapellen, Sig. 366

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert