Pater Michael Granderath – ein Bedburdycker war Lehrer von Heinrich Heine?

In der Totenzettelsammlung der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde fand ich zuletzt einen Totenzettel, der einen Verstorbenen betraf, der aus der Pfarre Bedburdyck stammte. Es handelte sich hierbei um Pater Granderath, der offensichtlich den Großteil seines Lebens in Düsseldorf verbrachte.


Totenzettel von Pater Granderath[1]

Nachfolgend ist der Text abgeschrieben: „Jesus, Maria, Joseph, Andreas! „Wohlan! du guter und getreuer Knecht! weil du über weniges treu gewesen bist, so will ich dich über Vieles setzen: gehe ein in die Freude deines Herrn.“ Matth. 25,23

Zu Düsseldorf den 12. April 1842, Morgens 5 Uhr starb nach 7tägigem Krankenlager in Folge eines Schlagflusses, mit den hl. Sakramenten versehen, in Gottes heiligen Willen ergeben, ruhig und sanft der Hochwürdige Pater Granderath, letztes Mitglied des ehemaligen Jesuiten-Collegiums hierselbst und Professor, früher Feiertagsprediger an der Kirche zum hl. Andreas, jetzt in der Andreas-Pfarrkirche Hof-Kapellan.

Er war geboren in der Pfarre Bedburg-Dyck bei Neuß im Jahre 1769, lebte 45 Jahre als Seelsorger in Düsseldorf, und sein priesterliches Wirken war gesegnet für Stadt und Umgegend. Er lebte und wirkte für die Welt: blieb selber aber unberührt von der Welt; bewahrte sich ein kindliches Gemüth und eine schöne Seele, – und war geliebt vor Gott und den Menschen. Unter Düsseldorfs Bewohnern, zunächst bei der Bürger-Sodalität, deren Präses er seit dem Jahre 1834 war, wird sein Andenken im Segen fortleben: seine Seele aber selig sein bei Gott. Darum lasset uns beten!“

Totenzettel dieser Art sind typisch für die Zeit. Dennoch dürften für den Leser einzelne Wörter des Textes Anlass zu Fragen, Ergänzungen oder Korrekturen geben.

Folgt man den Textzeilen von oben nach unten, so stößt man auf die Todesursache, die mit „an den Folgen eine Schlagflusses“ erwähnt wird. In Genwiki, einem Wörterbuch für Genealogen (Ahnenforscher), wird Schlagfluss auch als Stocken der Säfte, Schlaganfall oder Gehirnblutung bezeichnet.[2]

Pater Granderath wird nicht mit Vornamen genannt. Meine Recherchen ergaben aber, dass es sich dabei um Michael Granderath handelt, der am 1. Oktober 1769 als erstes Kind der Eheleute Albert Granderath und Maria Daners in der Pfarrkirche St. Martinus in Bedburdyck getauft wurde. Die Eltern hatten ein Jahr vorher am 4. November 1768 ebenfalls in Bedburdyck geheiratet. Der im Totenzettel angegebene Ort der Heimatpfarre Bedburg-Dyck ist fehlerhaft. Diese fehlerhafte Nennung taucht bis heute immer wieder einmal schriftlich aber auch in der Aussprache auf und führt häufig zur Verwechslung mit der Stadt Bedburg. Wenn auch Bedburg und Bedburdyck beide ihren Namen auf die sehr alte Bezeichnung „bedbur“ zurückzuführen ist, was nach heutigen Forschungsstand als „Bethaus“, Kapelle oder Kirche bedeutet, so schrieb sich der Ort Bedburdyck immer ohne „g“.

Michael Granderath war laut Totenzettel letztes Mitglied des Jesuiten-Kollegs in Düsseldorf. Klöster der Jesuiten wurden als Jesuiten-Kommunität bezeichnet. Ein Kolleg war demnach eine klösterliche Gemeinschaft mit Ausbildungseinrichtung.[3]

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde das westlich an die Kirche anschließende Jesuitenkolleg, das heutige Stadthaus, errichtet.[4]


Blick vom Mühlenplatz. Rechtes Gebäude: ehemaliges Jesuiten-Gymnasium, heute Stadthaus, Mühlenstraße. In der Bildmitte die Andreaskirche[5]

Die Schule war im Jahr 1621 auf den Jesuitenorden übertragen worden und wurde ein Jesuitenkolleg. Der Unterricht war nach den einheitlichen Schulplänen der Jesuiten mit täglich bis zu zwölf Stunden überwiegend kontrolliertem Lernen und Beten gestaltet. Auf ein achtjähriges Grundstudium, ähnlich der heutigen Gymnasialausbildung, folgte ein sechsjähriges Fachstudium, bestehend aus einem zweijährigen Philosophie- und einem vierjährigen Theologiestudium. Die Unterrichtssprache war Latein; auch Theateraufführungen fanden in lateinischer Sprache statt. Weitere Fächer waren Philosophie, Mathematik, Rhetorik, Poesie, Grammatik, Geographie, Arithmetik und Heraldik. Das Griechische wurde in Grundzügen vermittelt.[6]


Mahn- und Gedenkstätte Landeshauptstadt Düsseldorf, Mühlenstraße 29, Düsseldorf-Altstadt, im März 2016 – ehemaliges Jesuitenkolleg[7]

Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurde anstelle der Schließung des Düsseldorfer Jesuitenkollegs dessen Änderung in ein „Kurfürstliches Gymnasium“ beantragt. Die ehemaligen Jesuiten stellten weiterhin das Lehrpersonal; statt des Faches Latein wurde nun Deutsch Pflichtfach in allen Klassen. Dritte Fremdsprache wurde die „Hofsprache“ Französisch.[8]

1814 wurde die Gesellschaft Jesu (Jesuitenorden) von Papst Pius VII. wieder zugelassen.[9] Wo Pater Granderath in den Jesuitenorden eintrat, ist nicht überliefert, allerdings scheint er der letzte Vertreter der ehemaligen jesuitischen Lehrerschaft, des Jesuiten-Kollegiums in Düsseldorf, gewesen zu sein.

Einer der berühmtesten Schüler des Gymnasiums war der spätere Dichter und Schriftsteller Heinrich Heine (1797–1856), der die Schule von 1807 bis 1814 besuchte und vor der Reifeprüfung auf eine Handelsschule wechselte.[10] Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Pater Granderath auch Lehrer von Heinrich Heine gewesen ist.

Bei der „Bürger-Sodalität“ genannten Vereinigung, deren Präses Michael Granderath seit 1834 gewesen war, scheint es sich um die katholische Laienbruderschaft, die Marianische Bürgersodalität der Andreas-Pfarre, gehandelt zu haben.

Nach dem Tode von Pater Granderath beschloss die St.-Andreas-Pfarrgemeinde, ihm und seinen drei Vorgängern auf dem Friedhof in Düsseldorf-Golzheim ein Grabmal zu setzen. Die Finanzierung wurde realisiert durch eine Kunstausstellung in der Kunstakademie, an der sich viele Düsseldorfer Maler beteiligten. Die vier letzten Jesuiten hatten ein hohes Ansehen in der katholischen Bevölkerung. Ihre Begräbnisse wurden daher mit großem Aufwand begangen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dort auch die Pfarrer der Andreas-Gemeinde bestattet.[11]

 Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024

[1] https://www.wgff-tz.de/details.php?id=217879 (8.2.2024, 19.23 Uhr)
[2] https://wiki.genealogy.net/Schlagflu%C3%9F (16.10.2023, 19.57 Uhr)
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten-Kommunit%C3%A4t (16.10.2023, 20.32 Uhr)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/St._Andreas_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 20.57 Uhr)
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Stadthaus_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 21.05 Uhr); Guntram Fischer: Düsseldorf und seine Rechtsakademie, Triltsch Verlag, Düsseldorf 1983, ISBN 3-7998-0024-7, S. 33
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Stadthaus_(D%C3%BCsseldorf) (29.2.2024, 20.24 Uhr)
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Mahn-_und_Gedenkst%C3%A4tte_D%C3%BCsseldorf (8.2.2024, 19.42 Uhr), Fotograf Kürschner), lizenzfrei
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6rres-Gymnasium_(D%C3%BCsseldorf) (29.2.2024, 20.34 Uhr)
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten (29.2.2024, 20.29 Uhr)
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6rres-Gymnasium_(D%C3%BCsseldorf) (16.10.2023, 20.51 Uhr)
[11] http://www.postmortal.de/Duesseldorf/D-Golzheim/GolzheimPlan/JesuitenGrab/jesuitengrab.html (17.10.2023, 7.04 Uhr)

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