Jeder, der sich schon einmal auf die Suche nach Spuren seiner Vorfahren gemacht hat, wird irgendwann in alte Kirchenbücher schauen, um seine Ahnenreihe zu vervollständigen. Gelegentlich wird er dabei auch auf Randvermerke, wie z. B. „Nottaufe“ oder „Nottaufe durch Hebamme“ stoßen.
Verkürzte Transkription: „[…] in großer Todesgefahr im Haus der Hebamme Clara Wintzen getauft, am 14. des Monats Februar zur Kirche gebracht, wo ich selbst das heilige Sakrament und Gebete angewendet habe […]“
Was haben diese Randvermerke nun zu bedeuten? Die Nottaufe oder auch „Taufe in der Not“ genannt, ist in vielen Religionen und Konfessionen erlaubt. Normalerweise dürfen Taufen nur von einem Geistlichen vorgenommen werden. Besteht jedoch Lebensgefahr für einen Täufling, dürfen diese Nottaufen auch von einem Laien vorgenommen werden. Zwar unterscheiden sich die Regelungen zur Nottaufe in den verschiedenen Konfessionen, aber grundsätzlich ist sie durchzuführen, wenn ein Geistlicher nicht mehr rechtzeitig herbeigeholt werden kann.
Die EKD schreibt hierzu: „Wenn ein Ungetaufter sehr krank ist und zu sterben droht, wird eine Nottaufe vorgenommen. Die Taufe kann jeder Christ und jede Christin ausführen.“ Die katholische Kirche geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie ausführt: „Diese Taufe kann von jedem Katholiken und sogar von jedem Menschen guten Willens, immer, überall und ohne Einschränkung gespendet werden.“
Seit Jahrhunderten übernehmen die Hebammen die Aufgaben eines Taufspenders, wenn Kinder bei der Geburt bereits in Lebensgefahr schweben und kein Geistlicher rechtzeitig hinzugerufen werden kann.
Da es sich bei einer Taufe um ein Sakrament handelt, sind die wesentlichen Bestandteile (Taufformel und Wasser) zu berücksichtigen. Während der Taufe soll dreimal etwas Wasser über die Stirn des Täuflings gegossen werden und dabei die Formel „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ gesprochen werden. Da diese Taufen seit Jahrhunderten als gültig anerkannt werden, werden sie auch in den Kirchenbüchern erfasst. Oft wurden Nottaufen auch nur im Sterberegister der jeweiligen Kirche vermerkt, wenn der Täufling tatsächlich während der Geburt oder noch im Mutterleib verstarb.
Wie war aber nun zu verfahren, wenn das ungeborene Kind für die taufenden Hände der Hebamme noch nicht sicher erreichbar war? Hierzu entdeckte der Autor im Deutschen Hygiene Museum in Dresden eine sogenannte Taufspritze, die ihm und auch vielen anderen Ahnenforschern bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekannt war.
Bereits das Reformkonzil im Jahr 1310 in Trier schrieb den Hebammen vor, dem sterbenden Kind Wasser über den Kopf zu gießen und somit eine Nottaufe vorzunehmen. Die erstmalige Erwähnung einer Taufspritze lässt sich bereits im Jahr 1480 in Brixen/Südtirol finden. Zur Taufe war zwar kein geweihtes Wasser notwendig, allerdings sollte es zumindest von reiner Güte sein. Inwieweit sauberes Wasser zu dieser Zeit überhaupt verfügbar war, lässt sich heute nur noch erahnen. Des Weiteren stellt sich hier die Frage, wie viele Mütter, die eine Nottaufe im Mutterleib über sich ergehen lassen mussten, anschließend wegen nur bedingt sauberen Wassers an möglichen Infektionen starben.
Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023
Hallo Stefan,
ich bin beeindruckt von Deinem Bericht über die Geschichte der Nottaufe und die Rolle der Hebammen. Du hast viele interessante Fakten und Quellen aus verschiedenen Zeiten zusammengetragen. Ich finde es spannend, wie Du die Taufspritze als ein historisches Objekt beschreibst, dass die Praxis der Nottaufe im Mutterleib veranschaulicht. Du hast auch eine wichtige Frage aufgeworfen, wie die hygienischen Bedingungen die Gesundheit der Mütter und Kinder beeinflusst haben. Eine Frage, die ich mir beim Lesen im Zusammenhang mit der Taufspritze stelle, was haben die Mütter dabei nur empfunden. Ich danke Dir für deinen informativen und anregenden Bericht. 😊