Grevenbroich ist schuldenfrei!

Dank einer großzügigen Spende eines Grevenbroicher Bürgers in Höhe von 50.000.000.000 Mark könnte die Stadt Grevenbroich nun auch Düsseldorf oder Köln kaufen. Nicht ganz, aber dennoch sollte es mal wert sein, auf die Geldentwicklung in den 1920er Jahren zu schauen.

StA Grevenbroich, Sammlung Stadtarchiv Grevenbroich

Grund für die Hyperinflation 1923 in der Weimarer Republik waren die Spätfolgen des Ersten Weltkriegs. Der Staat war bankrott und druckte, um dennoch seine Schulden bezahlen zu können, immer mehr Geld. Wegen verspäteter Reparationszahlungen besetzten die Franzosen das Ruhrgebiet, was die Lage noch mehr verschärfte, da durch passiven Widerstand und Streik, keine Waren etc. mehr hergestellt wurden, die Löhne an die Streikenden aber weitergezahlt wurden.

Der Elfgener Schulchronist schreibt hierzu am 1. Oktober 1923 sehr kritisch: „Seit Januar ds. J. sind die alliierten Truppen (Frankreich und Belgien), die auf Grund des Friedensvertrags von Versailles das Rheinland besetzt halten, auch in das Ruhrgebiet einmarschiert. Das deutsche Volk hat dieses neue Attentat auf seine Freiheit auf Wunsch und Befehl der deutschen Regierung nur mit dem passiven Widerstand beantwortet. Die Folge der außerordentlichen Maßregel ist eine ungeheure Stockung im wirtschaftlichen Leben des Rheinlandes gewesen, so daß der sonst so lebhafte Verkehr auf den Eisenbahnen völlig lahmgelegt ist. Die Fabriken und alle anderen großen Betriebe sind vielfach wegen Mangel an Kohlen und Rohstoffen zur Stilllegung gekommen, infolgedessen die Zahl der Arbeits- resp. Erwerbslosen in den besetzten Gebieten zu einem gewaltigen Heere angewachsen ist. Für diese arbeitslosen Scharen ist seitens der deutschen Regierung die sogenannte „Ruhrhilfe“ eingerichtet worden, die einem jeden Arbeiter die Möglichkeit gebracht hat, daß er mit seiner Familie einigermaßen das Leben fristen kann. Was aber der Allgemeinheit diese Ruhrhilfe unsympathisch gemacht hat, ist der Umstand, daß wenig oder fast gar nicht mehr gearbeitet wird, daß die Arbeiter systematisch zu Faulenzern und Tagedieben gemacht worden sind. Durch die lange bis jetzt neun Monate andauernde Außerdienststellung der Arbeiterschaft, die staatlicherseits hohe Unterstützung bekommt für ihr Nichtstun, ist dem deutschen Volksgeiste unberechenbarer Schaden zugefügt worden, der in vielen Jahren kaum zu heilen sein wird. Nun wird, da man eingesehen hat, daß er nicht zum Ziele führt, der passive Widerstand eingestellt. Die geldliche Unterstützung der Arbeiter soll aufhören, alle sollen zur Arbeitsstätte zurückkehren oder neue Arbeitsgelegenheit suchen. Was wird das in der Zukunft geben, da die Preise für die Lebensbedürfnisse zu fabelhafter Höhe emporgestiegen sind. So kosten gegenwärtig ein Herrenanzug 10 Milliarden Mark, ein Paar Schuhe 5 Milliarden, ein Pfund ausländischer Speck 130 Millionen, hiesiger Speck 200 Millionen, ein Pfund Rindfleisch 100 Millionen, ein Pfund Tabak 200 Millionen, eine Zigarre bis 30 Millionen, ein Glas Bier 10 Millionen und so ähnlich ist es mit allen Waren. Für ein Liter Milch zahle ich 25 Millionen Mark und für ein Pfund Butter 150 Millionen. Das sind Preise, die vom gewöhnlichen Manne nicht zu erschwingen sind, und darum ist die Stimmung unter dem Volke eine gedrückte und teilweise eine erregte, die sich besonders gegen die deutsche Regierung richtet, weil sie es nicht verstanden hat, die Verhältnisse erträglich zu gestalten. Aber auch unter den Beamten, zu denen ja auch die Lehrer gehören, herrscht vielfach Unstimmigkeit. Zwar sind in den letzten Monaten die Gehälter kolossal gestiegen. Sie rechneten in der letzten Zeit nach Millionen; jetzt gibt’s für mich schon ein Monatsgehalt von 10 Milliarden Mark. Aber man empfängt sie ohne Befriedigung und Freude; die Knappheit der Waren und der unerschwingliche Preis derselben bedingen es, daß man für sein Geld wenig oder gar nichts bekommen kann. Wo und wie wird das enden?! (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 2, Sig. 215)

StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 2, Sig. 215

Ob man nun von einer „Überbezahlung“ von Lehrern sprechen kann, sei jedem Leser selbst überlassen. Allerdings war der Schulchronist Anfang 1924 froh darüber, nun wieder ein festes Gehalt von 200 Goldmark oder 200 Billionen Papiermark zu erhalten: „Endlich ist es unter den aufeinanderfolgenden Reichskanzlern Stresemann und Marx gelungen, unsere Papiermark einigermaßen zu stabilisieren, so daß jetzt eine Billion Papiermark gleich einer Goldmark gilt. Seit Januar 1924 erhalte ich an Monatsgehalt in runder Summe etwa 200 Goldmark oder 200 Billionen Papiermark.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elfgen, Band 2, Sig. 215)

Nachfolgend noch einige Abbildungen Grevenbroicher Firmen und der Gemeinde Hemmerden, die mangels Geldscheinen, die Löhne nicht mehr zahlen konnten und daher Gutscheine als Zahlungsmittel drucken ließen.

Aus einer Grevenbroicher Sammlung.
Aus einer Grevenbroicher Sammlung.
Aus einer Grevenbroicher Sammlung.
Aus einer Grevenbroicher Sammlung.

Zur Vertiefung dieses Themas empfehlen wir den Band Nr. 20 des Geschichtsvereins, welcher auf den Seiten 107 bis 114 den Beitrag von Dr. Friedrich Schmitz „Das Notgeld in Grevenbroich in den Jahren 1917 – 1924“ mit weiteren Abbildungen und Informationen darstellt.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

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