(Längst vergessene) Bahnübergänge in Grevenbroich – Teil 1

Der heutige Beitrag richtet sich vorrangig an die Generation 1990+, die mehr als nur ein verändertes Bild ihrer Heimatstadt vorfinden als jene Generationen, die zuvor aufgewachsen sind. Natürlich dürfen sich aber auch die Älteren an den Bildern und dem Text erfreuen und viele Erinnerungen wachrufen lassen. Früher sagte man: „In Grevenbroich kann man keinen Banküberfall ausführen, da Grevenbroich innerhalb von Minuten durch die Schließung der Bahnübergänge absolut abgeriegelt wäre. Hier kommt niemand mehr rein oder raus!“. Dies galt allerdings nur – eingeschränkt – bis Ende der 1970er Jahre, da es eine „Fluchtmöglichkeit“ über Wevelinghoven gab. Dort allerdings nur, wenn man sich gut auskannte, denn eine Umfahrung von Wevelinghoven über die K 10 (Bau Ende der 1970er Jahre) und L 361 (Bau Ende der 1980er Jahre) war erst nach Fertigstellung dieser Straßen möglich.

Bis zur Mitte der 1990er Jahre mussten sich Autofahrer, Fahrradfahrer und auch Fußgänger in Geduld üben, wenn sie die Innenstadt besuchen bzw. verlassen wollten. Obwohl die Verkehrsbelastung in diesem Jahrzehnt sicherlich nicht so hoch war wie heute, hatte jeder das Gefühl, ständig und immer vor irgendeinem Bahnübergang zu stehen. Gerade zu den Stoßzeiten war jeder der großen Bahnübergänge auf der Lindenstraße, Rheydter Straße und Auf der Schanze eine Geduldsprobe für jeden Grevenbroicher.

Dieter Schlangen schrieb 1997 hierzu: „Nachdem die Todeskurve an der Unterführung Düsseldorfer Straße entschärft und die Brücke im Jahre 1990 durch einen Neubau ersetzt worden war, setzten die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung der Stadt Grevenbroich auf die Beseitigung der schienengleichen Übergänge B 59, Rheydter Straße und Auf der Schanze. Am 5. Dezember 1991 z. B. – es war ein normaler Wochentag – musste die Bahnschranke in 24 Stunden 145-mal geschlossen werden. Im Schnitt blieb der Bahnübergang Rheydter Straße pro Stunde für 20 Minuten geschlossen, in der Rush-Hour gar 30 Minuten. Die Folge war zwangsläufig lange Fahrzeugschlangen, wartende und ihren Unmut äußernde Fußgänger und Radfahrer.“ (Dieter Schlangen, Die eiserne Bahn, Grevenbroich-Elsen, 1997, S. 235)

Die nachfolgenden Karten aus den verschiedenen Jahrzehnten zeigen sowohl die Bahnstrecken (gelb = Mönchengladbach – Köln; rot = Neuss – Düren), die vier nicht mehr vorhandenen Bahnübergänge (blaue Punkte) und das Straßenbild rund um die Stadt Grevenbroich. [Hinweis: Die ursprüngliche Strecke Neuss – Düren gibt es heute nicht mehr. Der Personenverkehr auf dem 21 km langen Abschnitt zwischen Düren und Bedburg wurde 1995 eingestellt. In den Jahren 1996 und 1997 wurde dieser Abschnitt stillgelegt und wegen des Tagebaus Hambach abgebaut.] Alle Bilder dieser Beitragsreihe lassen sich in einem separaten Fenster öffnen und entsprechend vergrößern.

© Stefan Faßbender – Gesamtübersicht nach einer Karte um 1940, erstellt mit tim-online.nrw.de
© Stefan Faßbender – Gesamtübersicht nach einer Karte um 1990, erstellt mit tim-online.nrw.de
© Stefan Faßbender – Gesamtübersicht nach einer Karte um 2023, erstellt mit tim-online.nrw.de
  1. Bahnübergang Rheydter Straße:

Beginnen möchte ich mit dem größten und ältesten Bahnübergang auf der Rheydter Straße. Dieser Bahnübergang prägte mehr als 100 Jahre das Leben zwischen Elsen und der Grevenbroicher Innenstadt. Der Bahnübergang und der Bahnhof lagen über Jahrzehnte auf dem Gebiet der damals noch selbstständigen Gemeinde Elsen. Erst mit der Eingemeindung des Bahnhofviertels zum 1. Juli 1898 gelangte Grevenbroich in den Besitz eines Bahnhofes mit dem dazugehörigen Bahnübergang. In der Elsener Schulchronik ist dazu folgender Absatz zu finden: „Mit dem 1. Juli ist endlich die lang schwebende Eingemeindungs-Angelegenheit zum Abschluss gekommen. Darnach gehört fortan zu Grevenbroich: die Elsener Mühle, der Bahnhof, soweit das Eigentum der Eisenbahn reicht, ferner alle Häuser zwischen Grevenbroich und dem Übergang der Eisenbahn. Grevenbroich hat der Gemeinde Elsen dafür eine Entschädigung von 8000 M jährlich zehn Jahre lang zu zahlen, eine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass Elsen bisher aus dem abgetretenen Gebiet mehr als das Doppelte an Gemeindesteuer bezog.“ (StA Grevenbroich, Schulchronik Elsen, Nr. 222, S. 109)

Nachfolgend werden Bilder vom Bahnübergang Rheydter Straße in Richtung Innenstadt aus den unterschiedlichen Jahrzehnten dargestellt. Die Schlange der wartenden Autos zog sich in der Regel mehrere hundert Meter (manchmal bis zur heutigen Esso-Tankstelle) die Straße hinauf. Oft traf einen das „Übel“, auf die Öffnung der Schranken zu warten, auch zweimal, da die Züge aus Mönchengladbach bzw. Köln wegen Verspätung auch noch mit einer unterschiedlichen Taktung fuhren. Ich danke Herrn Nieveler für das einzigartige Bild, welches die Stausituation im zweiten Bild eindrucksvoll darstellt. Zu dieser Zeit war auch der ÖPNV keine Hilfe, wie der wartende Linienbus auf dem gleichen Bild zeigt.

© StA Grevenbroich, Fotobestand Nr. 17, – Postkarte Rheydter Straße in Richtung Stadtmitte um 1906
© Heinz Nieveler, Jüchen – Rheydter Straße in Richtung Stadtmitte um 1990
© Stefan Faßbender – Rheydter Straße in Richtung Stadtmitte im August 2023

Das älteste gefundene Foto des Bahnüberganges aus Grevenbroicher Sicht in Richtung Elsen stammt aus den Jahren des Ersten Weltkrieges und wurde mir dankenswerterweise von Herr Jürgen Larisch zur Verfügung gestellt. Es stellt „Potze Jupp“ dar. Vermutlich war er ein zur Bahnwache abgestellter, auswärtiger Soldat, denn in den zugänglichen Standesamtsregistern ist bisher keine Person mit diesem Namen zu finden. Ein großer Dank geht auch an Herrn Heinz Mindt, der mir ein Foto aus den 1980er Jahren zur Verfügung stellte, das den Bahnübergang aus fast gleicher Perspektive darstellt. Die Luftaufnahme zeigt in beeindruckender Weise den Bahnübergang, die enorme Anzahl von Gleisen des Güterbahnhofes, den Silo der Firma Quäker und die 1877 von Heinrich Uhlhorn errichtete Dampfwalzenmühle. Die Stausituation in Richtung Elsen ist nochmals auf dem Foto von Michael Reuter zu sehen.

© Jürgen Larisch – Bahnübergang Rheydter Straße im Ersten Weltkrieg
© Heinz Mindt – Bahnübergang Rheydter Straße in den 1980er Jahren
© StA Grevenbroich (Ausschnitt Luftbild) – Bahnübergang Rheydter Straße um 1960
© Archiv im Rhein-Kreis Neuss, Fotosammlung Michael Reuter – Stau in Richtung Elsen im Jahr 1993

Wie die Bahnübergänge auf der Lindenstraße und Auf der Schanze wurde dieser Bahnübergang im Rahmen der Neugestaltung der Stadt Grevenbroich zur Landesgartenschau 1995 beseitigt. Nach Eröffnung des Elsbachtunnels im Jahr 1994 wurde der Bahnübergang in den nächsten zwei Jahren durch einen Fußgängertunnel ersetzt. Übrigens war dort bereits in den 1960er Jahren eine sogenannte „Hochstraße“ ähnlich dem mittlerweile abgerissenen „Tausendfüßler“ in Düsseldorf geplant. Dieses Vorhaben stieß jedoch auf breite Ablehnung in der Bevölkerung und bei den Gewerbetreibenden in Grevenbroich.

© StA Grevenbroich, Fotobestand Nr. 17- Bahnübergang Rheydter Straße um 1994
© StA Grevenbroich, Fotobestand Nr. 17 – Bahnübergang Rheydter Straße um 1994

Der heutige Elsbachtunnel ist in den 1990er Jahren entstanden und ermöglicht ein schnelles Erreichen der Innenstadt, wenn er nicht wegen sintflutartiger Regenfälle geschlossen werden muss und man „wieder mal“ vor geschlossener „Schranke“ stehen muss 😉. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen den Verlauf (grün) des Elsbachtunnels anhand von zwei Karten aus den 1990er Jahren und dem Jahr 2023. Bis zur Erstellung dieses Beitrages war mir vollkommen entfallen, welche ungeheuerlichen baulichen Maßnahmen vorgenommen werden mussten, um dieses gewaltige Projekt zur Vollendung bringen zu können.

© Stefan Faßbender – Gesamtübersicht nach einer Karte um 1990, erstellt mit tim-online.nrw.de
© Stefan Faßbender – Gesamtübersicht nach einer Karte um 2023, erstellt mit tim-online.nrw.de
  1. Bahnübergang Graf-Kessel-Straße:

Einen kleinen, aber den meisten Grevenbroichern wohl nicht mehr bekannten und längst beseitigten Bahnübergang, möchte ich nachfolgend zeigen. Obwohl ich mit einigen, auch ehemaligen Anwohnern gesprochen habe, kann mir niemand genau sagen, in welchem Jahr dieser Bahnübergang beseitigt wurde. Die Schätzungen gingen von Ende der 1970er bis in die 1990er Jahre. Er war wohl einfach irgendwann mal weg?! Dieser befand sich am Ende der Graf-Kessel-Straße, wo diese heute mit einem Wendekreis endet.

© Stefan Faßbender – Wendekreis Graf-Kessel-Straße im August 2023

Von dieser Straßenseite sind leider keine historischen Aufnahmen zu finden, aber nachfolgende Bilder zeigen den kleinen und „unbedeutsamen“ Bahnübergang von der anderen Seite in Richtung Graf-Kessel-Straße. Auch hier danke ich Herrn Jürgen Larisch für die Zurverfügungstellung dieser einmaligen Aufnahme, auf der man sogar noch Häuser auf dem Schweidweg sehen kann. Heute ist eine solche Sicht nicht mehr möglich, da zum einen eine Schallschutzmauer die Sicht versperrt als auch jeglicher Baumbestand in den letzten 70 Jahren deutlich in die Höhe gewachsen ist. Ob dieser Weg nur von Fußgängern oder auch von Autos benutzt wurde, ist leider nicht bekannt. Auf dieser Seite befinden sich heute nur wenige Häuser und das Pascal-Gymnasium.

© Jürgen Larisch – Bahnübergang Graf-Kessel-Straße vermutlich in den 1950er Jahren
© Stefan Faßbender – „Bahnübergang“ Graf-Kessel-Straße im August 2023
  1. Bahnübergang Auf der Schanze:

Von dem ehemaligen Bahnübergang Auf der Schanze konnte ich bisher lediglich eine Luftaufnahme und ein Foto in Nahaufnahme ausfindig machen. Die Nahaufnahme wurde mir freundlicherweise von Herrn Christian Nies zur Veröffentlichung überlassen, der sie in den 1960er Jahren fotografiert hatte. Auch wenn am Bahnübergang Rheydter Straße zusätzlich der Zugverkehr zwischen Neuss und Düren verkehrte, dürfte die Anzahl der Schrankenschließungen Auf der Schanze ähnlich hoch gewesen sein, da dort sowie am Bahnübergang Lindenstraße (B 59) der Zugverkehr zwischen Köln und Mönchengladbach verkehrte. Die neue Unterführung wurde im Jahr 1993 feierlich eröffnet.

StA Grevenbroich (Ausschnitt Luftaufnahme) – Bahnübergang Auf der Schanze um 1960
© Christian Nies – Bahnübergang Auf der Schanze in Richtung Innenstadt in den 1960er Jahren
© Stefan Faßbender – Annähernd gleicher Aufnahmepunkt im September 2022
  1. Bahnübergang Lindenstraße:

Der letzte nicht mehr vorhandene Bahnübergang war auf der Lindenstraße (B 59) zu finden. Gerade zu Zeiten des Schichtwechsels beim Aluminiumwerk Erftwerk und Aluminiumwalzwerk Blattmetall bildeten sich dort oft Staus, die manchmal bis zu diesen Betrieben reichten. Umgekehrt reichten die Staus auf der Lindenstraße auch schon mal bis zur Polizeiwache. Auch hier war es ein „Glücksspiel“, ungehindert in die Innenstadt zu fahren oder diese zu verlassen. Im Gegensatz zu Auf der Schanze wurde dort lediglich eine Fußgängerunterführung gebaut. Bedingt durch die zur Verfügung stehenden Freiflächen wurde keine „unterirdische“ Streckenführung wie auf der Rheydter Straße (Elsbachtunnel) für die Autos erstellt, sondern man baute eine Art „Hochstraße mit Brücken“.

Zu diesem Bahnübergang sind Bilder aus drei Jahrzehnten erhalten geblieben und geben einen sehr guten Eindruck zu diesem Bahnübergang. Zu dieser Zeit stand das „Bahnwärterhaus“ (eine Blechhütte) noch auf der anderen Seite bevor es Ende der 1960er Jahre einem Neubau auf der anderen Straßenseite weichen musste.

© Stefan Faßbender – Bahnübergang Lindenstraße in der Mitte der 1960er Jahre
© Stefan Faßbender – Bahnübergang Lindenstraße in der Mitte der 1970er Jahre
© Stefan Faßbender – Bahnübergang Lindenstraße in der Mitte der 1970er Jahre

Mitte der 1980er Jahre hat der Bau der „Hochstraße mit Brücken“ angefangen. Die Baustelle bzw. die Baustellenfahrzeuge sind nachfolgend zu erkennen.

© Stefan Faßbender – Bahnübergang Lindenstraße Ende der 1980er Jahre

Heute findet man ein absolut verändertes Bild in diesem Bereich vor. Vielen Bürgern ist nicht mehr bewusst, dass es hier einen Bahnübergang gab. Lediglich auswärtige Autofahrer, die sehr veraltete Navigationsgeräte benutzen, „verirren“ sich manchmal noch dorthin und suchen vergeblich die Durchfahrt, die ihnen angezeigt wird. Bis vor wenigen Jahren stellten sowohl Papier- als auch Onlinekarten die Straßenführung in diesem Bereich noch falsch dar.

© Stefan Faßbender – Fußgängertunnel Lindenstraße/Erftwerkstraße im August 2023

© Stefan Faßbender – Filmsammlung 1955

© Stefan Faßbender – Filmsammlung um 1960

© Stefan Faßbender – Filmsammlung um 1960

© Stefan Faßbender – Filmsammlung um 1960

Der zweite Teil dieser Beitragsreihe erscheint nächste Woche.


Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2023

4 Gedanken zu „(Längst vergessene) Bahnübergänge in Grevenbroich – Teil 1“

  1. Hallo Stefan Faßbender,

    Schade das ich den Vortrag verpasst habe , ich wohnte damals in Elsen auf der Uhlandstr und da mussten wir immer über den Bahnübergang Rheydterstr.. Da wurde ich in meine Jugendzeit zurück versetzt, sehr
    schön und vielen Dank für die tollen Bilder. Gibt es dazu einen Bildband.
    Liebe Grüße

  2. Hallo Stefan Faßbender
    Es wurde leider der Bahnübergang zwischen Herkenbuscher-Weg und Zedernstraße (wo jetzt der Fußgängertunnel ist) vergessen. Dieser Bahnübergang war bis etwa 1960 vorhanden und wurde durch den Tunnel ersetzt. Zu dieser Zeit war ich Schülerlotse und mußte immer von der Volksschule Erftwerksiedlung über diesen Bahnübergang zur Kreuzung am Hagelkreuz, um den Schulweg der Schüler von der Nordstraße, zu sichern.
    Schöne Grüße

    1. Hallo Herr Esser. Vielen Dank für die Information. Dies war mir nicht bewusst! Auf den alten Karten war dieser Übergang leider nicht zu erkennen. Ich habe jedoch auch noch nie ein Foto davon gesehen! Daher werde ich einen kleinen “Ergänzungspost” auf Facebook schreiben und nachfragen, ob jemand ein Bild besitzt. Herzliche Grüße

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