Im Grevenbroicher Kreisblatt wird am 3. Juni 1855 eine Anzeige veröffentlicht, in der für eine Schnellläuferin geworben wird.
Annonce mit Ankündigung einer Schnellläuferin (Grevenbroicher Kreisblatt 3.6.1855) [1]
In der Annonce heißt es: „Schnelllauf – Auf meiner Durchreise nach Paris werde ich die Ehre haben, mich Sonntag den 3. Juni als „Schnellläuferin“ zu produziren. Ich werde nämlich die Strecke von Fürth bis Hemmerden über die Chaussee in noch nicht vollen 15 Minuten theils vorwärts, theils rückwärts, und nach einem kurzen Aufenthalte in derselben Zeit die nämliche Strecke zurück durchlaufen. Ich lade hierzu ein verehrungswürdiges Publikum höflichst ein. Der Ablauf ist Nachmittags präcise 5 Uhr von dem Hause der Wittwe Schiffer zu Fürth. „Zahlung nach belieben.“ Bertha Stollmeyer, concessionirte Schnellläuferin aus Berlin.“
Der Lauf sollte über die Chaussee, die Landstraße von Grevenbroich-Fürth nach Hemmerden führen.
Preußische Karte von 1836/50 – eingezeichnet ist die angekündigte Strecke zwischen Grevenbroich-Fürth und Hemmerden[2]
Schnellläufer waren im 19. Jahrhundert eine Art fahrende Schausteller, die ihre Kunst gegen Gaben vorführten oder als Briefboten lange Strecken eilends und zu Fuß zurücklegten. Im Jahre 1824 erregte der Tagelöhner Peter Bajus mit sehr schnellen Laufleistungen im Rhein-Main-Gebiet viel Aufsehen. Am 15. Februar 1824 lief er vor zahlreichen Zuschauern von Frankfurt nach Hanau und zurück. Seine 10.000 Meter Zwischenzeiten werden nachträglich auf 31:45 min geschätzt, womit er der schnellste Läufer seiner Zeit gewesen sein dürfte. Die erfolgreichen Schauläufe von Peter Bajus riefen sogleich weitere Akteure auf den Plan.[3]
Doch scheint sich jemand mit der Anzeige im Grevenbroicher Kreisblatt einen Spaß gemacht zu haben, denn ein paar Tage später entschuldigt sich der Redakteur mit einer neuen Anzeige.
Entschuldigung zur Falschankündigung einer Schnellläuferin (Grevenbroicher Kreisblatt 10.6.1855) [4]
Darin heißt es: „Entschuldigung – Ich muß die Leser dieses Blattes um Entschuldigung bitten, wegen der Annonce im vorigen Blatte, von einer angeblichen Schnellläuferin. Ich bin durch einen Brief, welchen ich von Düsseldorf erhielt, über die Sache selbst, und in Betreff meiner Insections-Gebühren [Kosten für das Inserat] getäuscht worden. Ich habe den Brief der Polizei übergeben, und werde Sorge tragen, daß ein ähnlicher alberner Scherz, irgend eines Laffen [alberner, törichter Mensch], auf Kosten des Publikums, in der Folge nicht mehr stattfindet. Der Redacteur.“
Daran kann man sehr schön erkennen, dass man auch schon vor über 150 Jahren Falschinformationen auf den Leim gegangen ist.
Michael Salmann für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024
[1] https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/3376103 (27.1.2024, 17.07 Uhr)
[2] https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/ (27.1.2024, 23 Uhr,); modifiziert von Michael Salmann
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Schnelll%C3%A4ufer_(Schausteller) (27.1.2024, 22.19 Uhr)
[4] https://zeitpunkt.nrw/ulbbn/periodical/zoom/3376109 (27.1.2024, 22.30 Uhr)
Hallo Michael,
vielen Dank für den interessanten Bericht! Es ist faszinierend, wie im 19. Jahrhundert solche kuriosen Geschichten die Menschen in ihren Bann zogen. Die Anzeige für die Schnellläuferin Bertha Stollmeyer, die auf ihrer Durchreise nach Paris eine beeindruckende Laufleistung ankündigte, ist ein wunderbares Beispiel für die damalige Zeit. Es ist amüsant zu erfahren, dass sich der Redakteur des Grevenbroicher Kreisblatts nach der Veröffentlichung der Anzeige mit einer Entschuldigung an die Leser wandte. Manchmal werden selbst in der Presse Falschinformationen verbreitet – ein Phänomen, das auch heute noch aktuell ist.
Vielen Dank nochmals für diese spannende historische Anekdote!