Wenn Dörfer einfach von der Landkarte verschwinden.
Zu den verschwundenen Dörfern in unserer Stadt gehören neben Elfgen und Belmen auch die Weiler Reisdorf und St. Leonhard, die bereits Anfang der 1960er Jahre dem Tagebau Garzweiler weichen mussten.
Zur Erinnerung an die Umsiedlung von Elfgen und Belmen vor rund 50 Jahren veranstaltet das Organisationsteam rund um Annemarie Helpenstein und Georg Peltzer, das Stadtarchiv Grevenbroich und der Geschichtsverein Grevenbroich am Samstag, den 22. Juni 2024 von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr einen „Nachmittag der Erinnerungen zu 50 Jahren Umsiedlung Elfgen und Belmen“. Die Besucher erwartet ein Potpourri rund um die Umsiedlung von den Anfängen bis in die „heutige“ Zeit (Georg Peltzer). Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer spannenden Kirchenführung zum Thema „St. Georg und die mitgebrachten Bauteile sowie Kirchengegenständen“ zu folgen (Cornelia Schulte). Im Anschluss besteht noch die Möglichkeit zum regen Austausch oder Recherchen zu Geschichten und Namen in den Elfgener Schulchroniken von 1873 bis 1950 (Stefan Faßbender).
Zur Einstimmung auf den spannenden Nachmittag möchten wir nachfolgend die Kirche St. Georg in Alt-Elfgen insbesondere anhand des Erweiterungsbaus um 1930 mit vielen Fotos darstellen und das verschwundene Dorf damit zumindest ein wenig lebendig erscheinen lassen.
Ende der 1920er Jahre war St. Georg in keinem guten Zustand, wie die Schulchronik aus dem Juni 1928 zu berichten weiß.
„Ausmalung unserer Pfarrkirche. An unserer Pfarrkirche war jahrzehntelang nichts mehr zur Verschönerung geschehen, da Herr Pfarrer Mainz einen Kirchenneubau beabsichtigte. Krieg und Inflation machten den Plan unausführbar. Nun wird die fast unwürdig verwahrloste Kirche durch einen hellen, freundlichen Anstrich zu einem schönen Gotteshaus erneuert.“
Erst im Juni 1931 wurden weitere Planungen zum Kirchenbau losgetreten.
„Was ist denn das? Unsere Kirche ist zu klein. Es wird eine Aufgabe des neuen Herrn Pfarrers sein, entweder eine neue Kirche zu bauen oder die alte zu erweitern. Die geistigen Vorarbeiten beginnen schon. Herr Architekt Fritz Radermacher, der Bruder des Herrn Pfarrers, hat einen Entwurf für die Kirchenerweiterung modelliert.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 109)
„4.11.31 Besprechung wegen des Kirchenbaues. Heute war Herr Architekt Schneider aus Düsseldorf – Oberkassel in Begleitung von Herrn Pfarrer Schönheit aus Bedburdyck zu einer ersten Besprechung wegen des Kirchenerweiterungsbaues in Elfgen. Der Kirchenvorstand und die Lehrerschaft waren zu der Besprechung eingeladen.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 122)
Die Weihnachtskrippe in der Elfgener Kirche im Jahr 1931.
„Unser Kirchenerweiterungsbau ist fortgesetzt Gegenstand ernster Erwägungen. In jeder hl. Messe wird um Gottes Segen für das große und wichtige Werk gebetet. Es sind 6 Entwürfe eingegangen, die sorgfältig geprüft werden. Die Angelegenheit ist nach der grundsätzlichen Seite hin geklärt: Es soll eine Erweiterung werden, die Raum schafft, künstlerisch ist und nicht zu teuer ist. Das ist insofern keine Selbstverständlichkeit, als man sich ursprünglich eng an die Erhaltung der jetzigen Kirche und ihrer Bauform halten wollte. Dann wäre allerdings nur die Lösungsmöglichkeit gewesen, die Kirche zu verlängern – und dafür ist sie zu schmal (9 m breit).“
1932 – Das „große“ Jahr der Beschlussfassung zum Kirchenbau!
„Beschlußfassung über den Kirchbau. Der Kirchenvorstand beschloß den Erweiterungsbau unserer Kirche nach den Plänen des Architekten Franz Schneider aus Düsseldorf. Mit den Bauarbeiten dürfte im Mai begonnen werden.“
Am 18. Mai 1932 übertrug der Kirchenvorstand die Bauarbeiten an die Firma Pick in Elsen.
Der erste Spatenstich zum Bau der Kirche erfolgte bereits am 24. Mai 1932. Der Elfgener Schulchronik ist folgender Eintrag zu entnehmen.
„Die hl. Messe wurde zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit gefeiert. Die Kinder und zahlreiche Erwachsene nahmen teil. Nach der hl. Messe stellten sich die Teilnehmer an der Baustelle auf. Es wurde das Lied gesungen „O höchstes Gut“. Währenddessen segnete Herr Pfarrer Radermacher in Albe und Stola die Baustelle. Dann nahm er den Spaten zur Hand und sagte dem Sinne nach: „Hiermit tue ich den ersten Spatenstich zum Bau unserer neuen Kirche. Möge das Werk mit Gott begonnen werden und unter Gottes Segen stehen.“ Als der Herr Pfarrer nun die Erde aushob, lachten die Leute, und die Kinder lachten mit. – Den Spaten schenkte Herr Bauunternehmer Pick der Schule.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 143f.)
Die ersten Erdarbeiten am 29. Mai 1932:
„Die Nordseite der alten Kirche, die umgelegt wird.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 146)
Am 7. Juni 1932 wurden die ersten Steine zur neuen Kirche gelegt.
„Die Gläubigen nahmen zahlreich am hl. Meßopfer teil. Dann ging es in Prozession zur Baustelle. Etwa 12 buntgeschmückte Ziegelsteine lagen bereit. Nach einem Gebet legte Herr Pfarrer Radermacher den ersten Stein. Herr Martin Schläger folgte als Vertreter des Kirchenvorstandes, der Schreiber für Lehrerschaft und Schule. Weiter kamen noch Vertreter der kirchlichen Vereine und der Schulkinder. Dem Legen des Steines folgte jedesmal ein dreimaliger leichter Hammerschlag mit den Worten: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. – Nach der Feier begann sofort die eifrige Arbeit.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 145)
Mit der Erweiterung der Kirche wurde auch gleichzeitig ein Jugendheim errichtet. Hier sind die Arbeiten am 11. Juni 1932 zu sehen.
„Das Stützgerüst – Die Mauer wird ja ausgebrochen, am 11. Juni 1932“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 149)
Die Nordwand wird am 26. Juni 1932 aufgebrochen.
Die Grundsteinlegung erfolgte an Peter und Paul 1932 (29. Juni 1932).
Herr Pfarrer Radermacher verliest die Urkunde zur Grundsteinlegung.
Der geschmückte Chor der neuen Kirche.
Eigentlich sollte der Erweiterungsbau zur Kirmes bereits vollendet sein. Ab Dezember 1932 wurden jedoch folgende Eintragungen in der Schulchronik verfasst.
„Wir wollten zu Kirmes fertig sein und keine Weihnachten noch unter Gerüsten. Die Anpassung des alten an den neuen Teil, insbesondere die neue Pliesterung des alten Teiles nahm lange Zeit in Anspruch. Am 9.12.32 kamen die 9 ersten Fenster, die in ihrer Farbenfreude unseren Leuten recht gefallen. Von Übel ist es, daß die Heizung noch nicht eingebaut ist; denn im alten Teil, wo der Gottesdienst stattfindet, ist es empfindlich zugig und kalt. Zum Unglück ist seit einigen Tagen starker Frost, der an dem frischen Mauerwerk und dem neuen Verputz großen Schaden anrichten kann. Jetzt werden Tag und Nacht 3 Eisengitteröfen mit Koks geheizt zur Abwendung der Frostschäden.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 167)
„Weihnachten feierten wir doch nicht unter Gerüsten. Die Zwischenwand war teils entfernt, und wir hatten den ersten Eindruck der schönen baulichen Wirkung unseres neuen Gotteshauses. Der Kirchenchor sang mit den Knaben der Oberklasse die gemischtchorige Messe von Wiltberger. Die herrlichen Glasfenster des neuen Kirchenteiles machten tiefen Eindruck.“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 168)
„25. Januar 1933: Da die Bausumme wohl nicht zur vollständigen Einrichtung der Kirche ausreicht, wurde an die geldliche Mithilfe der Pfarrangehörigen appelliert. So wurden die 14 Fenster bis auf vorläufig 1, gestiftet (Preis je Fenster 250 RM). Auch auswärts wohnende, ehemalige Pfarrkinder von Elfgen beteiligten sich an den Stiftungen. Augenblicklich macht die Beschaffung neuer Bänke, angesichts der ausgegangenen Mittel, Sorgen. Gott möge das so sichtbar gesegnete Werk zum glücklichen Ende führen!“ (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 170)
Unsere Pfarrkirche 19. März 1933: Übertragung der Reliquien auf den neuen Hochaltar und Benediction der erweiterten Kirche. Nun findet der Gottesdienst im neuen Kirchenteil statt. Der alte Teil erhält einen neuen Plattenbelag. Durch die frühere Sakristei wird ein Eingang geschaffen. Jetzt bleibt noch als wichtiger Abschluß die Beschaffung neuer Kirchenbänke. (Schulchronik Elfgen, Nr. 216, Seite 182)
Ende 1985 fielen sowohl die ursprüngliche Kirche aus dem Jahr 1749 als auch der Erweiterungsbau dem Tagebau zum Opfer und wurden abgerissen.
Was an Erstaunlichem während der Abrissarbeiten zu Tage kam, werden wir für einen zukünftigen Beitrag noch aufarbeiten.
Wie es in Neu-Elfgen weiterging, ist am Samstag, den 22. Juni von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr in der Kirche St. Georg zu erfahren …
Stefan Faßbender für den Geschichtsverein Grevenbroich, 2024