KALTER KRIEG AM NIEDERRHEIN – RAKETENSTATION KAPELLEN

Die belgische Luftwaffe betrieb zwischen 1963 und 1989 im Rahmen der NATO-Luftverteidigung insgesamt acht Nike-Feuerstellungen („Launching Area“) auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland. Wobei dem belgischen 9th Missile Battaillon des 55 Smaldee/Geschwader SMD unter anderem auch die Stellungen bei Kapellen unterstellt. In Kapellen waren dann auch atomare Sprengköpfe vorhanden, die dem ebenfalls in Kapellen stationierten amerikanischen Team C der Artillerieeinheit des 55th Squadron/507th US Army unterstellt waren – nur die Amerikaner besaßen die Verfügungsgewalt über einen atomaren Einsatz.

Die belgischen Einheiten betrieben die NATO-Kaserne in Kapellen. Da über die Nuklearsprengköpfe der NIKE-Raketen nur die Amerikaner verfügen durften, gab es vor Ort auch eine amerikanische Artillerie-Einheit.

Neben dem 1962 von den Belgiern errichteten Kasernengelände für 300 Soldaten in Kapellen entstand im heutigen Ortsteil Elsen eine eigene belgische Siedlung entlang der Straße im Buschfeld. Die “Belgier-Siedlung” besaß eine eigene Infrastruktur wie einem typisch belgischen CMC-Einkaufsladen im Buschfeld Nr. 23, eine eigene Kapelle ebenso wie eine Schule für die Schuljahrgäne 1 bis 6. Darüber hinaus beteiligten sich die Belgier gerne an der Kirmes, die sie als „vlaamse Kermis“ aus ihrer Heimat kannten. 1973 wurde von den belgischen Kirmesfreunden „Uns Oord – Unser Platz“ eine Fackel zur deutsch-belgischen Freundschaft als beste Fackel ausgezeichnet. Sie trieben auch Sport wie Judo oder Fußball („Hercules Boys“/„Old Chaps“), ja es gab sogar einen eigenen Taubenzuchtverein. Die hier stationierten Einheiten und deren Familien übernahmen aber auch soziale Verantwortung, in dem sie Patenschaften vor allem für Kinder mit Handicap übernahmen, z. Bsp. auch ab Mai 1968 die Patenschaft für die heutige Mosaikschule in Hemmerden.

Mit Aufkommen der Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahren vor allem gegen den NATO-Doppelbeschluss kam es auch zu Demonstrationen vor der Kaserne in Kapellen.

Proteste in Kapellen zu Beginn der 1980er

Bis 1985 erfolgte der Abzug und die Belgier verabschiedeten sich mit einem großen Familienfest. Bis heute gibt es Kontakte nach Grevenbroich-Hemmerden und Elsen, einige deutsch-belgische Familien haben endgültig ihre Heimat in Elsen gefunden…

Die Struktur der ehemaligen Feuerstellung mit ihren Gebäuden und Sicherungseinrichtungen in Kapellen ist heute noch gut erkennbar, da die Kulturinsel Hombroich die „Topografie des Kalten Krieges“ und der Raketenstation in die seit 1994 vorangetriebene Nutzung als Ort von internationaler Kunst und Architektur aufgenommen und integriert hat.

Den für den 31. März 2020 vorgesehenen Vortrag zum Thema “Kalter Krieg am Niederrhein” werden wir sicher nachholen.
Zur Geschichte gibt in der Zeitschrift rheinische ART 11/2011 unter dem Titel “Erst Kalter Krieg – später Kunst” von Klaus P. Woischützke hier einen interessanten Artikel…

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