Ein unterirdischer Gang in Allrath?

Der Geschichte auf der Spur. Von Rolf Esser, Allrath, 2022.

Angestoßen zu diesem Artikel wurde ich durch eine Rückfrage von Dr. Schmitz, Vorsitzender des Geschichtsverein Grevenbroich. Er wollte Näheres wissen zu dem „unterirdischen Gang nach Vollrath und zur Allrather Kirche“ auf einem Foto in der Festschrift zur 475-Jahr-Feier der St. Sebastianus-Bruderschaft Allrath im Jahr 2008. Also bin ich dieser interessanten Aussage einmal nachgegangen.

Ich hatte auch schon einmal von Erzählungen älterer Dorfbewohner gehört, die von einem von der Kirche Allrath aus zum Gut Vollrath und weiter zum Kloster Welchenberg führenden unterirdischen Gang sprachen. Einzelheiten oder Beweise dafür lagen aber nicht vor.

Meine Recherchen begannen bei den beiden letzten Brudermeistern der St. Sebastianus-Bruderschaft Allrath, Willi Kremer und Ulrich Hassels, die aber keine konkreten Beweise beisteuern konnten. Ulrich Hassels erinnerte sich, dass der bereits in den 1980er-Jahren verstorbene Brudermeister Peter Brosch (geboren 1899, Brudermeister von 1948-1981) des öfteren von solch einem Gang erzählte, der von der Allrather Kirche über das obige Haus (ca. 50 m von der Kirche entfernt) zu einem Ein-  und Ausstieg im Gut Vollrath führte. Er soll schon im Mittelalter angelegt und im Lauf der Jahre immer weiter ausgebaut und befestigt worden sein. Reste davon sollen auch bei der Aufschüttung der Vollrather Höhe (1956 bis 1967), bei der auch das bereits 1300 urkundlich erwähnte Gut Vollrath unter dem Abraum verschwand, gefunden worden sein. Im Archiv von Rheinbraun/ RWE konnte ich hierzu jedoch keine Angaben finden.

Danach habe ich Kontakt zu Ralf Nitschke aufgenommen, der von Jugend an in diesem Haus wohnt. Wie auf einer in die Hofwand eingelassenen Tafel zu lesen ist, haben Godefridus Hamecher und Cadarina Caufmans das Haus 1787 gebaut.

[Ergänzung durch den Arbeitskreis Familienforschung: Gottfried Hamacher, *ca. 1724 in Allrath, +29.04.1812 in Allrath, Beruf: Bauer und Catharina Kaufmann, *ca. 1732 in Allrath, +09.07.1800 in Allrath. Das Ehepaar hatte 14 Kinder, die zwischen 1754 und 1779 geboren wurden.]

Ralfs Großvater hat es später gekauft. Auch seine Mutter Gertrud Nitschke geb. Glasmacher (1928-2017) hat ihm mehrfach von diesem Gang erzählt. Auf den noch vorliegenden Plänen und Dokumenten gibt es allerdings keinen Hinweis hierauf.

Im Keller zeigte Ralf mir in ca. 3 Meter Tiefe den Beginn eines möglichen Gangs. Das Foto davon habe ich am 3. April 2018 aufgenommen.

Keller Haus Nitschke. Foto: (c) Rolf Esser, 2008.

Dieser Gang („Durchgang, Aus-/Eingang“) ist nur ca. 1 Meter lang und von Ralf bereits vor Jahren zugemauert worden, da dahinter nur feste Erde war. War das möglicherweise der Anfang eines wie immer gearteten Gangs in Richtung Gut Vollrath? Nach einer Katasterkarte von 1810 gab es jedenfalls noch kein Nachbarhaus Richtung Vollrath, sondern nur freies Feld. Eine weitere Öffnung o.ä. in Richtung der nur ca. 50 m entfernten Allrather Kirche gibt es im Keller dieses Hauses nicht.

Darüber hinaus konnten sowohl Ralf Nitschke als auch ich keine weiteren konkreten Beweise für einen Gang oder Tunnel ausfindig machen.

Bei allen Recherchen bleibt aber die Frage nach Sinn und Zweck eines solchen Gangs. Es könnte eigentlich nur ein Fluchtweg in unruhigen Zeiten des Mittelalters oder später gewesen sein. Allrath hatte 1767 nur 221 Einwohner.

Auf jeden Fall hätte das Ausschachten eines solch langen Gangs erhebliche Mühen bereitet, neben der Arbeit auch die Beseitigung des Aushubs. Von der Kirche bzw. dem Haus Nitschke bis zum Gut Vollrath waren es immerhin ca. 1850 m, von da weiter bis zum Kloster Welchenberg ca. 1050 m, also eine Gesamtstrecke von ca. 2900 m. Ist ein Gang vielleicht doch nur von der Allrather Kirche aus bis zum Haus Nitschke gegangen? Oder sind entgegen allen Erzählungen die Arbeiten zur  Weiterführung bis zum Gut Vollrath aus irgendwelchen Gründen eingestellt worden?

Ausschnitt aus der Tranchotkarte 1807/08 mit Gut Vollrath und Welchenberg

Fragen über Fragen, die sich leider nicht mehr fundiert nachweisen lassen. Ist alles nur eine Legende, die von Generation zu Generation weitererzählt wurde? Trotz allem ist es aber immer wieder interessant, dass und wie sich solche Erzählungen über Jahre gehalten haben.

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