Die „Geschichte“ der Litfaßsäule in Grevenbroich

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Sig. 2018

Die klassische, heute in Vergessenheit geratene Litfaßsäule wurde von dem Berliner Drucker Ernst Litfaß (*1816 in Berlin, +1874 in Wiesbaden) erfunden. Definiert wurde sie als eine auf dem Gehweg von Straßen aufgestellte Anschlagsäule, an die Plakate geklebt wurden. Nicht nur heute, sondern auch schon damals gab es das Problem der Wildplakatierung. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, genehmigte die Stadt Berlin Ende 1854 die Aufstellung einer sogenannten Annoncier Säule. Neben Werbung mussten auch die neuesten Nachrichten an den Säulen veröffentlicht werden. Leider wurden die Säulen auch zu Propagandazwecken in den Kriegen von 1870/71 und 1914/1918 sowie vom NS-Regime zwischen 1933 und 1945 intensiv genutzt. Da es sich bei Litfaß um einen Eigennamen handelt, wird sie auch weiterhin nach den neuen Rechtschreibregeln mit „ß“ geschrieben, obwohl diesem Buchstaben ein kurzer Vokal vorausgeht.

StA Grevenbroich, Grevenbroicher Zeitung 1922 – Werbeanzeige für eine Plakatsäule

Anfang der 2000er Jahre gab es in Deutschland vermutlich noch mehr als 50.000 Stück solcher klassischen und für uns „kultigen“ Säulen aus Beton und Blech. Im Laufe der letzten 20 Jahre sind sie jedoch fast aus unseren Stadtbildern verschwunden oder durch Moderne mit LED-Lichtern etc. ersetzt worden. Teilweise enthalten diese neuen Säulen auch ein „Innenleben“, um z. B. Stromverteiler zu verstecken, wie das nachfolgende Beispiel aus Amsterdam zeigt. In Karlsruhe wurde sogar ein öffentliches WC in einer Säule installiert.

© Horst Hübertz – Amsterdam

Leider sind keine verlässlichen Zahlen für einzelne Städte zu recherchieren bzw. schwanken so sehr, dass sie nicht dargestellt werden können. So gab es z. B. in Mönchengladbach im Jahr 2022 noch 187 Säulen, rund 50 weniger als im Jahr 2020. In der Großstadt Hamburg gab es im Jahr 2016 noch 525 Säulen, wovon acht Stück unter Denkmalschutz stehen, aber auch noch für Werbezwecke genutzt werden. Im Jahr 2008 wurden dort innerhalb von 50 Tagen rund 1.300 Säulen demontiert. In Köln beschloss man im Jahr 2019 200 Säulen abzureißen. Durch eine Petition von Bürgen konnten 25 Säulen als „Kunst an Kölner Litfaßsäulen“ gerettet werden. Dieses Projekt läuft noch bis 2029. In Berlin standen einst wohl die meisten Säulen in Deutschland. Heute genießen davon 24 Säulen Denkmalschutz.

Wann die erste Errichtung einer Annoncier Säule in Grevenbroich stattfand, konnte bisher nicht herausgefunden werden. Allerdings sind im Stadtarchiv Grevenbroich Unterlagen vorhanden, die belegen, dass es 1908 „bereits“ drei Plakatsäulen in Grevenbroich gab. Die genauen Standorte werden leider nicht genannt. In der damals noch eigenständigen Nachbargemeinde Wevelinghoven gab es 1909 vier Säulen. Auffallend in Wevelinghoven ist dabei der etwas höhere Preis der Anschlaggebühren gegenüber den Grevenbroicher Säulen. In Grevenbroich betrug die Gebühr für jeden Tag des Aushanges als 1/1 Bogen (63 cm Breite x 86 cm Höhe) nur 0,30 M (M = Reichsmark). In Wevelinghoven bereits 0,40 M. Vermutlich lag der höhere Preis in Wevelinghoven an der Anzahl der Säulen, die zum Bekleben zur Verfügung standen.

StA Grevenbroich, Bestand Wevelinghoven, Sig. 2018

Nachfolgend einige historische Aufnahmen aus dem Stadtarchiv Grevenbroich, auf denen Litfaßsäulen zu sehen sind und vermutlich nur beiläufig fotografiert wurden. Wer hat noch weitere Aufnahmen aus der Vergangenheit und würde sie dem Geschichtsverein Grevenbroich bzw. dem Stadtarchiv als Scan zur Verfügung stellen? Personen können ohne Probleme unkenntlich gemacht oder abgeschnitten werden, wenn eine Veröffentlichung dieser nicht gewollt sein sollte!

© StA Grevenbroich, Sig. 17-GVBrstr-0040 – Stadtmitte, Breite Straße – um 1910
© StA Grevenbroich, Sig. 17-GVBrstr-0010 – Stadtmitte, Breite Straße – um 1935
© StA Grevenbroich, Sig. 17-Gv.AdSch.0001 – Stadtmitte, Auf der Schanze – Jahr unbekannt
© AiRKN, Sig. 17-GP-0205 – Stadtmitte, Lindenstraße – in den 1930er Jahren
© Private Grevenbroicher Sammlung – Stadtmitte, Bahnhofsvorplatz – um 1960
© Christian Nies – Südstadt – Wöhlerstraße 1968
© StA Grevenbroich, Sig. 17-Weve-0046 – Wevelinghoven, Haus Burg – in den 1930er Jahren

Heute werden die verbliebenen Litfaßsäulen sehr unterschiedlich genutzt. Während es in anderen Städten auch noch sehr schöne Säulen gibt, die intensiv genutzt werden, zeichnet sich in Grevenbroich eher ein „trauriges“ Bild dieser Kultobjekte ab.

© Horst Hübertz – Amsterdam
© Heinz Herwagen – Bamberg

Im Stadtgebiet von Grevenbroich konnten bisher 18 Litfaßsäulen ausfindig gemacht werden. Wie oben bereits beschrieben, fristen diese aber eher ein tristes Dasein. Sie sind kaum plakatiert. Des Weiteren ist auf jeder Säule die gleiche Werbung zu sehen. Gibt es in Grevenbroich noch weitere?

Allrath:

© Rolf Esser – Allrather Platz

Barrenstein:

© Stefan Faßbender – Wevelinghovener Straße

Elsen:

© Stefan Faßbender – Rheydter Straße

Frimmersdorf:

© Heinz Otto Schnier – An St. Martin
© Heinz Otto Schnier – Erftstraße

Kapellen:

© Stefan Faßbender – Am Gather Hof
© Stefan Faßbender – Kurze Straße
© Stefan Faßbender – Stadionstraße

Neurath:

© Heinz Otto Schnier – Auf dem Goldacker
© Heinz Otto Schnier – Gürather Straße

Noithausen:

© Stefan Faßbender – Fröbelstraße
© Stefan Faßbender – Am Alten Hof

Orken:

© Stefan Rosellen – Noithausener Straße

Südstadt:

© Stefan Faßbender – Gustav-Lück-Straße
© Stefan Faßbender – Kolpingstraße
© Stefan Faßbender – Kolpingstraße
© Stefan Faßbender – Kolpingstraße

Wevelinghoven:

© Stefan Faßbender – Am Wehr

Der Geschichtsverein Grevenbroich dankt allen Beteiligten, die sich auf die Suche nach vorhandenen Litfaßsäulen gemacht haben bzw. uns auch Bilder zur Verfügung gestellt haben.

Stefan Faßbender für den Geschichtsverein, 2023

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