Jahr für Jahr – Wevelinghovener Geschichten von Dr. Friedrich Schmitz

Der Erftkurier berichtet über unser aktuelles Buch “Jahr für Jahr – 27 Geschichten aus Wevelinghoven” und unseren Jubilar, unseren Ehrenvorsitzenden Dr. Friedrich Schmitz. der Anfang Mai 80 Jahre alt geworden ist. Er hat die Wevelinghovener Geschichten mit viel Liebe für´s Detail zusammengetragen.

Das Buch ist zum Preis von 10,- EUR erhältlich in der Mayerschen in Stadtmitte, dem Stadtarchiv, Villa Erckens – Museum der Niederrheinischen Seele sowie in Wevelinghoven bei der Fachwerkstatt Coenen, Engh Papier, Schreiben & Schenken und der Adler-Apotheke…

 

Vermisst: ein Schicksal von 1,4 Millionen!

Ein Beitrag von Stefan Faßbender (Arbeitskreis Familienforschung).

Wie in meinem Beitrag „Das Schicksal von Richard Bönisch“ bereits geschildert, bin ich seit 20 Jahren auf der Suche nach dem Verbleib meines Großcousins Helmut Bönisch. Auch wenn ich Stand heute, noch immer keine erfolgreiche Suche beschreiben kann, möchte ich anhand dieses Zwischenergebnisses gerne nochmal davon berichten, dass Familienforschung sehr spannend und aufregend sein kann. Mit jedem Schritt öffnen sich Möglichkeiten zur Erforschung weiterer Einzelheiten und neue Erkenntnisse über die Familie.

Anhand der folgenden Bilder möchte ich einzelne ausgewählte Punkte beschreiben, die u. a. anderen Forschern neue Recherchemöglichkeiten aufzeigen oder bei einzelnen und vor allem bei jüngeren Lesern das Interesse an Familie und Geschichte wecken sollen.

Hierbei möchte ich aber auch mal für die Mitgliedschaft im Geschichtsverein Grevenbroich werben. Die Mitglieder z. B. in dem Arbeitskreis „Familienforschung“ verfügen über ein enormes und geballtes Wissen, da die meisten Mitglieder nicht nur Daten sammeln, sondern sich auch eines oder auch mehrerer Spezialgebiete (Auswanderung, ehemalige Ostgebiete, alte Straßennamen, Kriegsgefallene in Jüchen, alte Ortsansichten und vieles mehr) angenommen haben. Sie sind gerne bereit ihr Wissen zu teilen und Hilfestellungen zu leisten.

Natürlich ist hier auch Ulrich Herlitz zu nennen, der u. a. den Arbeitskreis „Judentum“ gestaltet und seit Jahren die jüdischen Grevenbroicher Familien erforscht.

1. Das Anschreiben

Bereits aus dem Anschreiben ergeben sich eine Vielzahl von Hinweisen zu meiner gesuchten Person:

a) Allgemeine Angaben wie z. B. Name, Geburtsdatum, -ort (diese Angaben sollten allerdings schon vorhanden sein, da eine Suchanfrage beim DRK ansonsten vermutlich ins Leere laufen würde).

b) Rang und Einheit als Soldat.

c) Seit wann besteht ein Suchauftrag und wer stellte ihn bereits?

d) Wurde die gesuchte Person in die Vermisstenbildliste aufgenommen?

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2. Die Vermisstenbildliste

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Diese Listen über Vermisste und Verschollene entstanden in den 1950er Jahren und dienten in den Nachkriegsjahren zur Befragung von Kriegsrückkehrern. Durch die Visualisierung der Kriegsvermissten galten diese Listen als eines der wichtigsten Instrumente, um weitere Schicksale zu klären. Es gibt 225 Bände mit rund 1,4 Millionen Vermissten. Ca. 900.000 Personen sind mit Bild abgebildet. Leider ist meine gesuchte Person (unten links) nicht mit einem Bild abgebildet. In meinem Fall wäre dies ansonsten ein „Schatz“, da es von meinem Großcousin durch Flucht und Vertreibung kein Foto gibt. Weitere Informationen und die Möglichkeit einer Online-Recherche findet man unter:

https://www.drk-suchdienst.de/wie-wir-helfen/suchen/zweiter-weltkrieg/vermisstenbildlisten-online/

3. Gutachten über das Schicksal des Verschollenen

Das nachfolgende Gutachten beschreibt detailliert, welche Nachforschungen betrieben wurden, um das Schicksal von Helmut Bönisch zu klären und in der Begründung, warum man zwangsläufig davon ausgeht, dass er bei den Kriegshandlungen bei Nikopol gefallen ist. Leider beschreibt es aber auch sehr bewegend, welchen unmenschlichen Bedingungen mein Verwandter und viele tausende andere Soldaten in den letzten Tagen ihres Lebens ausgeliefert waren. Dies sollte eigentlich jedem als Mahnung gelten, dass es nie wieder Krieg, Verfolgung oder sonstigen Hass geben darf!

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4. Einsatzskizze und Gefechtskalender

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Die Einsatzskizze und der kurze Gefechtskalender beschreiben eindrucksvoll, welchen Weg die 125. Infanterie Division von April 1941 bis zur ihrer Zerschlagung im August 1944 genommen hat. Die ungefähre Lage des Geburts- und Sterbeortes meines Großcousins habe ich zur Verdeutlichung ergänzt. Über den Namen der Einheit und den Gefechtskalender lassen sich in der Regel über einschlägige Suchmaschinen viele weitere Informationen und auch Bilder finden, die dann eine Familienchronik ergänzen können.

Allerdings möchte ich hier auch die dringende Mahnung und Bitte aussprechen, nur seriöse Webseiten zu „besuchen“, die eine historisch korrekte Darstellung der Kriegsereignisse aufzeigen und nicht von Hass, Selbst- oder Kriegsverherrlichung oder sonstigem „Schwachsinn“ über die Zeit geprägt sind. Sollten solche Schicksale wie die meines Großcousins eigentlich eine Mahnung zu Frieden und ein Aufruf zu „nie wieder Krieg“ sein, gibt es doch zahlreiche Internetseiten, die rechtsradikales, revisionistisches und kriegsverherrlichendes Gedankengut vertreten…

Sage „JA“ zur Geschichte mit allen Facetten, aber „NEIN“ zu Rechtsradikalismus, Hass und Nationalismus!

Haus Busch Wevelinghoven

Heute steht eigentlich gemeinsam mit dem ADFC Grevenbroich im Zuge unserer Veranstaltungsreihe “Feierabend-Geschichts-Radtouren” eine sicher interessante wie erlebnisreiche Radtour nach Haus Busch in Wevelinghoven in unserem Programm. Aus Gesundheitsschutzgründen müssen wir leider derzeit darauf verzichten. Deshalb einige Infos auf diesem Wege zur Geschichte von Haus Busch
Das heute als landwirtschaftlicher Hof genutzte Haus Busch liegt inmitten der Lössebene und ist von einem Wassergraben umgeben. Ein Vorgänger-Hof wurde im 15. Jahrhundert durch Brand zerstört, aber wieder aufgebaut. Für das 15. Jahrhundert ist über einen Ritter Hundt bezeugt, dass er seine Burg, Haus Busch, selbst anzündete und flüchtete, um nicht von Truppen aus Lüttich aufgegriffen zu werden, die Strafexpeditionen gegen den vermeintlichen Raubritter durchführten.
Haus Busch gehörte im 19. Jahrhundert zu einem Abzweig derer von Wevelinghoven zu Hundt.
Die isoliert in der Feldmark liegende und befestigte Anlage von Haus Busch besteht aus einer vierflügligen Gebäudegruppe, deren erhaltene Bausubstanz im Wesentlichen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt. Der Wassergraben, der die Anlage einst umgab und der auf den historischen Kartenwerken des 19. Jahrhunderts noch sichtbar ist, ist heute weitgehend verfüllt.

Quelle: „Haus Busch in Wevelinghoven”.
in: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital.
URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-271030 
(abgerufen: 2. Mai 2020)

Helmut Sachs aus Hemmerden

Helmut Sachs um 1939 in Hemmerden-Foto N.Sachs

Die Rheinische Post/Neuß-Grevenbroicher Zeitung berichtet in ihrer heutigen Lokalausgabe vom 15. Mai 2020 “Wie ein Junge den Holocaust überlebte” über den damals 15jährigen Holocaustüberlebenden Helmut Sachs aus Hemmerden, der in Neustadt/Holstein am 3. Mai 1945 befreit wurde. Für ihn endete eine vierjährige Leidenszeit im Ghetto und KZ Riga, dem KZ Stutthof und ein Todesmarsch nach Neustadt.

Für seine Schwester und seine Eltern gibt es in Hemmerden Stolpersteine auf der Landstr. 23 vor dem ehemaligen Haus Sachs. Das Beitragsbild bon Mutter Henriette mit den beiden Kindern Jenny und Helmut stammt vermutlich aus den Jahren 1938/39.

Holocaustüberlebende der 2. Generation – vor dem Grab ihres (Ur-)Urgroßvaters Lazarus Winter in Hemmerden 2018 – Foto Herlitz

Bereits 2018 hatte der Geschichtsverein Grevenbroich eine Familienzusammenführung der überlebenden Nachfahren des Stammvaters Lazarus Winter aus Hemmerden – Familien Stern-Winter, Sachs-Aussen und Theisebach – organisiert. Anlass war eine Gedenk- und Begegnungswoche um den 70. Jahrestag des Novemberpogroms “Reichskristallnacht” des 9. Novembers 1938. 

Im Juni des vergangenen Jahres besuchten dann alle Angehörigen mit Geschichtsvereinsvorsitzendem Ulrich Herlitz gemeinsam die früheren Täterorte in Riga und Stutthof – Angehörige kamen aus den USA, Frankreich, den Niederlanden, Polen und Deutschland, darunter der Sohn sowie zwei Enkel von Helmut Sachs.

 

Familie Kaufmann aus Gindorf

Josef Wißkirchen recherchiert über die Nettesheimer Familie Kaufmann, ihr Vater Moritz Kaufmann stammte aus Gindorf und! Die gesamte siebenköpfige Familie Kaufmann wurde am 23. Juli 1942 in Minsk erschossen.
Ulrich Herlitz, Vorsitzender des Geschichtsvereins und zugleich Leiter des Arbeitskreises Judentum, beschäftigt sich mit dem Gindorfer Familienzweig.

Mutter Sara Baruch-Kaufmann war verwitwet, ihr Mann Lazarus bereits im Jahr 1910 verstorben. Die Witwe Kaufmann lebte in Gindorf mit ihrer Tochter Emma bis nach dem Novemberpogrom der “Reichskristallnacht” am 9. November 1938 noch in Gindorf. Anfang 1939 wurden sie aus ihrem Heimatort vertrieben. Die Mutter lebte zunächst bei ihrer Tochter Jeanette,  kam aber mit über 80 Jahren nach Theresienstadt, wo sie am 16. März 1944 “verstarb” – wohl an den dort herrschenden widrigen Bedingungen.
Die ledige Schwester Emma Kaufmann zog zu ihrem mittlerweile in Köln lebenden Bruder Moritz und wurde in Riga ermordet. Die ebenfalls in Gindorf geborene und in Mönchengladbach lebende Schwester Mathilde wurde mit ihrem Mann und dessen Sohn aus erster Ehe in Sobibor ermordet.
Nur Moritz Bruder Gustav konnte mit seiner Familie rechtzeitig in die USA fliehen. Schwester Jeanette überlebte in Mülheim den Holocaust in einer “Mischehe”. Da sie ihre beiden Kinder auch in der NS-Zeit jüdisch erzog, war die Ehe jedoch nicht “privilegiert”. Der Sohn wurde nach Izbica deportiert und dort ermordet, die Tochter überlebte, weil der Mülheimer Rabinner sie von der Mitgliederliste der jüdischen Gemeinde gestrichen hatte…
Eine weitere Schwester von Moritz, Clara, überlebte mit ihrer Familie versteckt in Frankreich. Die Eltern lebten unerkannt in einer Nervenheilanstalt, ihre beiden Söhne lebten getrennt von ihnen und wurden vom Marquis in Zentralfrankreich versteckt…
Für Mutter Sara und Tochter Emma Kaufmann gibt es Stolpersteine in Gindorf auf der Friedensstraße 77, ihrem früheren Zuhause!
Alle überlebenden Angehörig der Familie Kaufmann kamen nach dem Krieg wieder zusammen und emigrierten letztlich in die USA, wo sie ein neues Leben begannen.
Alleine im engsten Familienkreis waren 13 Menschen im Holocaust ermordet worden. Für sie gibt es auf dem Gustorfer Denkmal für die Holocaustopfer, welches das “Ortsnetzwerk gemeinsam für Gustorf und Gindorf 2014 initiierte, eine eigene Gedenkplatte!

Der Artikel zur Recherchearbeit von Josef Wißkirchen zur siebenköpfigen  Nettesheimer Familie von Moritz Kaufmann in der Lokalausgabe Rommerskirchen der Rheinischen Post/NGZ vom 8. Mai 2020 gibt es hier…

Zur Geschichte Wevelinghovens

Jahr für Jahr – 27 Beiträge zur Wevelinghovener Stadtgeschichte. Aus Anlass des 80. Geburtstag unseres Ehrenvorsitzenden Dr. Friedrich Schmitz haben wir seine jährlichen Beiträge für den Wevelinghovener Ortskalender in einem kleinen Buch zusammengefasst.
Ein besonders herzlicher Dank an die Fachwerkstatt Coenen, die für die gelungene Gestaltung und viele neue Fotos verantwortlich zeichnet!
Dr. Schmitz noch einmal herzliche Glückwünsche für das neue Lebensjahr – auf viele weitere geschichtsbewusste Jahre…
Natürlich unter Wahrung des gebührenden Abstandes haben wir Dr. Schmitz an seinem Geburtstag das erste Buch am Denkhaus in Wevelinghogen übergeben.
Ab nächste Woche in Wevelinghoven (Fachwerkstatt Coenen, Engh-Papier, Schreiben & Schenken, Genussfaktur) und darüber hinaus in Villa Erckens – Museum der Niederrheinischen Seele, Stadtbücherei Grevenbroich, im Stadtarchiv und der Mayerschen Buchhandlung Grevenbroich erhältlich…
Der Wevelinghoven-Band ist zum Preis von 10,- EUR erhältlich.

Die Schlacht im Hürtgenwald

Heute hätten wir aus Anlass des 75. Jahrestages des Kriegsendes eine Exkursion in die Eifel nach Vossenack angeboten, um den Spuren der “Schlacht im Hürtgenwald” zu folgen. Die Ardennenoffensive bzw. Schlacht im Hürtgenwald – auf amerikanischer Seite “battle of te Bulge” genannt – fasst drei Abwehrschlachten der Wehrmacht gegen die angreifende US Army  zusammen, die im Gebiet der Nordeifel gegen Ende des Zweiten Weltkrieges 1944 stattfanden; sie zählen zu den schwersten Kämpfen der US-Armee im Zweiten Weltkrieg überhaupt. Bei Vossenack wollten wir mit unserem sach- und fachkundigen Referenten RA Ingo Hamecher den Spuren der ersten, nach dem Zeitpunkt des Beginnes benannte “Allerseelenschlacht” nachgehen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wir bieten “nach Corona” einen Alternativtermin an…

Das Schicksal von Richard Boenisch

Ein „Erlebnisbericht“ aus der Familienchronik von Stefan Faßbender (Arbeitskreis Familienforschung)

Oder auch

– warum es nie wieder Krieg geben darf!

– warum Ahnenforschung eigentlich die Erforschung von Familiengeschichten und Familienschicksalen ist!

Eine der bewegendsten und traurigsten Geschichte in meiner Familienchronik war die Erforschung des Lebens meines Großonkels Richard Boenisch aus Gross-Schnellendorf in Oberschlesien. Es hat mehr als 70 Jahre gedauert, den Verbleib des Bruders meines Großvaters zu klären.

© Stefan Faßbender

Mit Beginn meiner Ahnenforschung vor 20 Jahren sammelte ich eigentlich nur Daten und Bilder aus der Familie. Dabei stieß ich auf ein altes Hochzeitsfoto aus dem Jahr 1925 auf dem ein Ehepaar mit Kind zu sehen war, welches ich aber nicht zuordnen konnte. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um einen Großonkel mit Familie von mir handelte. Jedoch konnte mir niemand irgendwas über die Personen, deren Leben oder Verbleib sagen. Nach vielen und langwierigen Recherchen konnte ich jedoch das oben gezeigte Kind ausfindig machen und Kontakt mit ihm aufnehmen. Es war ein Großcousin von mir, der bereits älter als 80 Jahre alt war. Trotz seines hohen Alters und seiner Lebensgeschichte war er bereit, mir ausführliche Auskünfte über sich, seine und unsere Familien zu geben.

Die mir unter nicht endenden Tränen geschilderte Lebensgeschichte möchte ich daher in kurzen Auszügen darstellen:

„Da ich mich selbst noch in Kriegsgefangenschaft befand, kann ich die Geschehnisse aus dem März 1945 nur so weitergeben, wie sie mir erzählt wurden. … Mein Vater Richard und seine Frau Anna lebten und arbeitete auf ihrem Hof in Holzmühle (Gross-Schnellendorf). … Mit dem Einmarsch der russischen Armee in Oberschlesien wurde mein Vater als gewöhnlicher Zivilist nach Russland verschleppt. … Dort soll er dann verstorben sein. … Mein Bruder Helmut war Soldat. Über seinen Verbleib kann ich leider nichts sagen. Vermutlich ist er als Soldat irgendwo verstorben. … Meine Mutter starb wohl an einem Herzinfarkt als die russische Armee die letzte Kuh aus dem Stall holen wollte. … Ein Sterbeeintrag oder ein Grab war jedoch nie zu finden….“

Diese Worte und die Traurigkeit eines alten Mannes, der zeitlebens auf der Suche nach seinen Familienangehörigen war, haben mich damals so sehr bewegt und ergriffen, dass ich mich seit diesem Zeitpunkt immer wieder auf die Suche nach der Familie gemacht habe. Letztendlich bedurfte es dann aber mehr als 15 Jahre und viel Glück, bis ich zumindest das Schicksal von Richard Boenisch klären konnte.

Aus einer nicht mehr nachzuvollziehenden „Laune“ heraus stellte ich beim Deutschen Roten Kreuz eine Suchanfrage zu meinem Großonkel. Eigentlich hatte ich die Erwartung dort keine Ergebnisse erzielen zu können, da mein Großcousin in den Nachkriegsjahren bereits immer wieder negative Mitteilungen von dort erhalten hatte. Dass die sogenannten „Geheimakten“ der Sowjetunion vor einigen Jahren von der Ukraine an das Deutsche Rote Kreuz übergeben wurden und seitdem ausgewertet werden, wusste ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Nachfolgenden Brief mit der Kopie der Gefangenenakte, die von mir aus dem Russischen übersetzt wurde, erhielt ich nach nur einigen Wochen.

© Stefan Faßbender

Die fast drei Wochen dauernde und über 1.300 km entfernte „Reise“ von Friedland (heute Korfantow) nach Odessa in der Ukraine, wird ihn bereits so geschwächt haben, dass er im Arbeitslager keine zwei Monate überlebte und am 06. Juni 1945 an Unter- bzw. Fehlernährung starb.

Meine bisherigen Recherchen ergaben, dass eine Unmenge deutscher Zivilisten und Soldaten zur Zwangsarbeit nach Odessa „verschleppt“ wurden. Grund hierfür war das Verlangen nach schnellem Wiederaufbau der Hafenanlagen in Odessa, die durch deutsche Kriegshandlungen fast vollständig zerstört wurden. Die Sowjetunion benötigte diesen Seezugang dringend zum Wiederaufbau ihres Landes und auch zur Verstärkung ihrer militärischen Macht. Genaue Informationen über die einzelnen Arbeitslager sind nur schwerlich zu bekommen, da durch die Vielzahl von Sterbenden innerhalb von kurzer Zeit, Lager immer wieder zusammengelegt wurden und eine neue Nummer bekamen. Genauere Schätzungen, wie viele Menschen diese Gefangenschaft überlebt haben, gehen sehr auseinander und können mit keiner Verlässlichkeit wiedergegeben werden. Fakt ist jedoch, dass es in Odessa eine enorm hohe Sterblichkeitsrate von bis zu 90% gab.

In dem mehr als fünf Jahre lang dauernden Krieg haben die Wehrmacht und SS den größten Teil Europas besetzt, ausgeplündert und auf ihrem Rückzug verwüstet. Mit der später als „Nerobefehl“ bekanntgewordenen Taktik der verbrannten Erde vom 19. März 1945 (zugleich der Tag an dem die russische Armee den Heimatort meiner Großeltern erreichte), wurden die Zerstörungsmaßnahmen auch auf die Infrastruktur auf deutschem Boden ausgeweitet, obwohl die Niederlage des Krieges bereits unausweichlich war. Die sogenannten „ALRZ Maßnahmen“ in den besetzten Gebieten, die wie zum Beispiel in der Sowjetunion bereits zu zahlreichen Zerstörungen und Kriegsverbrechen geführt hatten, sorgten so dafür, dass noch viele Soldaten und Zivilisten gegen Ende dieses völlig sinnlosen Vernichtungskrieges absichtlich in Tod, Gefangenschaft und Endphasenverbrechen geschickt wurden.

So etwas darf nie wieder passieren!

Meinem Großcousin konnte ich dieses Suchergebnis und die Gewissheit über den Verbleib seines Vaters leider nicht mehr mitteilen, da er bereits kurze Zeit nach unserem Gespräch verstarb.

Meine Suchen nach der Mutter und dem Bruder führten bisher zwar nicht zu einem Ergebnis, zeigen mir aber, dass Ahnenforschung sehr spannend, bewegend und vieles Mehr sein kann, als nur das Sammeln von Fakten.

Die Bedeutung von Totenzettel

Ein Beitrag von Bernd Mockel (Arbeitskreis Familienforschung).

Bis vor 20 bis 30 Jahren waren sie noch bei jeder Beerdigung dabei. Es waren einfache oder gefaltete Zettel mit den wichtigsten Lebensdaten der Verstorbenen. In der Messe oder der Trauerfeier wurden sie an die Trauergäste verteilt. Der Brauch war früher im gesamten katholischen Europa verbreitet und wird regional immer noch gepflegt. Doch in unserer Gegend sind sie leider nicht mehr angesagt.  Denn aus heutiger Sicht sind diese Totenzettel für Ahnenforscher eine unverzichtbare Quelle, um etwas mehr über die Vorfahren zu erfahren.

Im weiteren Sinn versteht man unter Totenzettel auch Todesnachrichten, die früher im Ort verteilt oder versandt wurden. Was heute die Todesanzeige in einer Zeitung macht, wurde damals mit der Verteilung der Totenzettel erreicht. Auch sollte das Gebet für den Verstorbenen und seine Familie erbeten werden und zur kirchlichen Trauerfeier einladen.

Gewiss in manchen Zetteln wurde zu viel des Lobes über den Verstorbenen oder die Verstorbene geschrieben. Aber die Zettel sagen viel über das Lebenswerk der Toten aus. Was waren die Vorlieben, was wurde für Zwischenmenschliches geleistet und in welchem Milieu lebte die verstorbene Person.

Nach dem Studium eines Totenzettels wusste der Leser nicht nur wo und wann der Tote geboren, geheiratet und verstorben war. Man wusste auch, wer der Ehepartner war und wie viele Kinder aus der Gemeinschaft entstanden waren. Manchmal stand auch die Todesursache auf dem Zettel. Bei gefallenen Soldaten konnte man die Kriegsstationen des Verstorbenen nachverfolgen und wusste, bei welchen Einheiten der Tote gedient hatte. Für Totenzettel gilt das gleiche wie für Fotos. Je älter – umso wertvoller.

© Bernd Mockel

Die ältesten Totenzettel in meiner Sammlung sind die meiner Ururgroßeltern – also Altgroßeltern nach der Benennung der Ahnen – aus dem Jahre 1888. Das Besondere daran, sie starben beide auf Ostern. Heinrich Tillmann am Ostersonntag, 01. April und Elisabeth Tillmann geb. Biermann am Ostermontag, 02. April. Gemeinsam wurde sie am 04. April 1888 in Bedburdyck beerdigt. Ohne Totenzettel wüsste das heute keiner mehr.

Auch wenn die Totenzettel meistens schwarz gedruckt wurden, so sind sie doch sehr oft mit Bildern und kunstvollen Rändern geschmückt. Natürlich gibt es auch farbige Totenzettel. Aber das ist die Ausnahme. Manche Zettel zeigen auch Fotos von den Verstorbenen. Der Gestaltungsfantasie waren und sind keine Grenzen gesetzt.

In den letzten 20 Jahren habe ich viele Totenzettel gesammelt. Die Zettel werden sortiert, gescannt und ins Internet eingestellt. Hier arbeite ich mit Josef Wißkirchen von der Sammlung Rhein Erft Geschichte aus Stommeln zusammen. Herr Wißkirchen war früher Lehrer am Erasmus Gymnasium in Grevenbroich und ist mehrfacher Autor von Büchern über seine Heimatregion. Die Sammlung umfasst beinahe 45.000 Totenzettel. Aus dem Bereich Wallrath/Rath konnte ich bisher rund 700 Zettel beisteuern. Einfach “www.rhein-erft-geschichte.de/totenzettel/” eingeben und mal stöbern.

In vielen Familien liegen sie noch irgendwo im Schrank und werden dann möglicherweise vielleicht achtlos von Kindern und Enkel entsorgt. Das wäre sehr schade. Wer also Totenzettel hat, kann mir (Bernd Mockel) diese zur Verfügung stellen. Nach dem Einscannen gebe ich die Totenzettel garantiert unbeschadet zurück und die Geschichte unserer Vorfahren ist um eine Erinnerung reicher.

Zur Kontaktaufnahme und Abstimmung der Vorgehensweise bitte ich um Verwendung folgender Mail-Anschrift:

familienforschung-grevenbroich(at)t-online.de

Geburtstagsglückwünsche

Unser Ehrenvorsitzender Dr. Friedrich Schmitz vollendet heute seinen 80. Geburtstag. Wir wünschen dem Grevenbroicher und Wevelinghovener Urgestein alles Gute, Gesundheit und Glück im Kreise seiner Familie.
Dr. Schmitz gehörte nicht nur zu den Gründungsmitgliedern des Geschichtsvereins, sondern auch von Anfang an dem Vorstand, zuletzt über Jahrzehnte als Vorsitzender, an. Damit ist er selber ein Stück Grevenbroicher Stadtgeschichte, der nach der kommunalen Neugliederung den Blick ” über den Tellerrand” in vielschichtiger Weise erweitert und das Bewusstsein für Lokal- und Regionalgeschichte mitgeprägt hat.
Wir sind ihm sehr dankbar dafür!


Ehrenvorsitzender Dr. Friedrich Schmitz – NGZ-Foto Anja Tinter

Aus Anlass seines Geburtstages haben wir eine kleine Festgabe unter dem Titel “Jahr für Jahr” mit seinen alljährlichen Beiträgen im Wevelinghovener Heimatkalender aus den letzten knapp dreißig Jahren zusammengefasst. Für die moderne Gestaltung, Layout und gelungene Fotodokumentation zeichnet die Fachwerkstatt Coenen verantwortlich.

Heute berichtet die NGZ in der Lokalausgabe Grevenbroich darüber…